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Die Rache des Diktators

Das Nazi-Regime und die Verfolgung der Attentäter des 20. Juni 1944

Die Rache des Diktators

„Jetzt wird die ganze Welt über uns herfallen und uns beschimpfen“, sagte Henning von Tresckow, einer der wichtigsten Motoren der Verschwörung gegen Hitler, am Morgen des 21. Juli, kurz bevor er sich selbst das Leben nahm. Er behielt recht – auch in der Beurteilung des Diktators: „Ich halte Hitler nicht nur für den Erzfeind Deutschlands, sondern auch für den Erzfeind der Welt.“ Es muß eine gespenstische Atmosphäre gewesen sein am Abend des 20. Juli 1944 in der Berliner Bendlerstraße, dem Hauptquartier des Befehlshabers des Ersatzheeres. Als das Scheitern des Umsturzversuchs offenkundig geworden war und sich immer mehr regierungstreue Offiziere einfanden, um gegen die Verschwörer vorzugehen, gab es noch eine kleine Schießerei, bei der Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der Attentäter, am linken Oberarm verletzt wurde. Gegen 22 Uhr kam Generaloberst Fromm zurück, den man in seiner Dienstwohnung hatte festsetzen müssen, weil er nicht vom Tod Hitlers hatte überzeugt werden können. Er übernahm erneut das Kommando: „So, meine Herren, jetzt mache ich es mit Ihnen so, wie Sie es heute mittag mit mir gemacht haben“, soll er gesagt haben. Stauffenberg, der zuletzt noch auf ein Gelingen des Putsches wenigstens in Paris gehofft hatte, wo die Ausschaltung der Parteigrößen und die Machtübernahme durch die Wehrmacht am weitesten vorangekommen waren, mußte nun das Scheitern endgültig einsehen. „Sie haben mich ja alle im Stich gelassen!“ resümierte er mit „unbeschreiblich trostlosem Gesicht“.

Wie in solchen Situationen wohl nicht anders zu erwarten, versuchten die meisten, ihren Kopf in letzter Minute noch aus der Schlinge zu ziehen. Fromm, der von den Vorbereitungen zum Umsturz gewußt und sie stillschweigend gebilligt hatte, warf sich zum Standrichter auf: Die Generalobersten Beck und Hoepner, General Olbricht, die Obersten i. G. Graf von Stauffenberg und Mertz von Quirnheim sowie Oberleutnant von Haeften mußten die Waffen abgeben; sie seien auf frischer Tat beim Hochverrat ertappt worden und verhaftet. Da bereits eine Abteilung des Wachbataillons „Großdeutschland“ im Anmarsch war, das unter Führung des Nationalsozialisten Major Remer den Umsturz in Berlin vereitelt hatte, war Eile geboten. „Im Namen des Führers hat ein von mir bestelltes Standgericht das Urteil gesprochen: es werden der Oberst im Generalstab Mertz, General Olbricht, der Oberst – den ich mit Namen nicht nennen will – und der Oberleutnant von Haeften zum Tode verurteilt“, verkündete Fromm hastig. Stauffenberg versuchte, alle Schuld auf sich zu ziehen. Hoepner erklärte, er könne sich rechtfertigen und habe mit der Sache nichts zu tun. Beck brauchte nicht verurteilt zu werden, er hatte gebeten, sich selbst erschießen zu dürfen. Zweimal feuerte er eine Pistole auf sich ab, doch beide Schüsse waren nicht tödlich; schließlich half ein Angehöriger des Wachbataillons nach.

Leutnant Werner Schady bekam nun den Auftrag, ein Erschießungskommando von zehn Unteroffizieren zu führen. Im Hof des Bendlerblocks stellte man die Festgenommenen, einen nach dem anderen, vor einen Sandhaufen, der von Bauarbeiten liegengeblieben war. Umstehende Kraftfahrzeuge beleuchteten die Szenerie. Vermutlich kam Olbricht zuerst an die Reihe, dann Stauffenberg, den sein Adjutant Haeften noch schützen wollte. Bevor die Gewehrsalven krachten, soll Stauffenberg gerufen haben: „Es lebe das heilige Deutschland!“ Zuletzt wurde wohl Oberst i. G. Mertz von Quirnheim erschossen. Mittlerweile war es etwa 0.30 Uhr. Fromm hielt eine flammende Rede auf Hitler mit einem abschließen-den dreifachen „Sieg Heil!“ Danach fuhr er zu Reichspropagandaminister Goebbels. Die übrigen Verschwörer, die sich noch in der Bendlerstraße befanden – Graf Yorck von Wartenburg, von der Schulenburg, Schwerin von Schwanenfeld, Berthold Graf von Stauffenberg, auch Zivilisten wie Eugen Gerstenmaier und mehrere andere sowie einige völlig Unbeteiligte – waren mittlerweile verhaftet worden. Sie erwarteten, als nächste erschossen zu werden. Manch einem gelang in dem Durcheinander auch die Flucht. Oberleutnant Ludwig Freiherr von Hammerstein-Equord etwa entkam, weil er sich in dem Gebäude, dem früheren Dienstsitz seines Vaters, gut auskannte. Seine Mutter brachte ihn zunächst bei einer Nachbarin unter, später half sein Bruder Kunrat, der für den Koordinator der zivilen Verschwörung, Carl Friedrich Goerdeler, gearbeitet hatte. Er versteckte den Oberleutnant in den folgenden Wochen an wechselnden Orten Berlins. Offizierskameraden reichten ihn dann an eine Apothekerin weiter, die bereits mehrfach verfolgte Juden versteckt hatte. Drei Wochen verbrachte von Hammerstein in der Gartenlaube von Eva Wittgenstein, deren Vater als Jude in Theresienstadt umgebracht worden war. So ging es trotz einer Fahndung im Kriminalpolizeiblatt über Monate hinweg bis zum Kriegsende. Andere hatten weniger Glück: Am bekanntesten ist wohl der Fall Goerdelers, den die Wehrmachtshelferin Helene Schwärzel am 12. August 1944 in einem Gasthaus bei Konradswalde entdeckte und denunzierte.

Prof. Dr. Michael Kißener

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