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Die Welt des Königreichs Guzana

Der Vordere Orient vom 12. bis zum 10. Jahrhundert v. Chr.

Die Welt des Königreichs Guzana
Wer ist erfolgreicher, große Reiche oder kleine Staaten? Das Beispiel des Vorderen Orients zeigt: unbestreitbar die Großmächte, wenn die Kleineren missgünstig nur ihre engen eigenen Interessen verfolgen und ihnen kein Zusammenschluss gelingt.

Die meisten Darstellungen zur Geschichte des alten Orients machen von der Zeit, in der Guzana, der heutige Tell Halaf, Hauptstadt eines selbständigen Königreichs war, nicht viel Aufhebens; das Interesse gilt eher den Epochen, in denen mächtige Reiche die Szene beherrschten. Im 14. und 13. Jahrhundert v. Chr. war der Vordere Orient zwischen den Hethitern, den Pharaonen Ägyptens, den Assyrern, Babyloniern und Elamern mehr oder weniger aufgeteilt. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts setzte dann der Wiederaufstieg des Assyrerreichs ein. Die drei dazwischen liegenden Jahrhunderte vermitteln dagegen den Eindruck eines von Invasionen und Katastrophen geschüttelten Zwischenspiels.

Dieses Bild entspricht weitgehend der Sichtweise der assyrischen Reichselite seit dem ausgehenden 10. Jahrhundert. Für sie war die vor-angegangene, von Verlusten charakterisierte Zeit der finstere Kontrast, vor dem sich die eigenen Erfolge um so strahlender feiern ließen. Prägend wurde diese Perspektive nicht zuletzt durch den Umstand, dass nahezu sämtliche Kenntnisse, die wir über die damalige nahöstliche Welt besitzen, assyrischen Quellen entstammen.

Tatsächlich waren die Verhältnisse für das Überleben großer Reiche lange alles andere als günstig. Bereits im 12. Jahrhundert hatten in‧nere Zwiste, Thronkämpfe, Versorgungsengpässe und Kriege sowie Bevölkerungsverschiebungen vor allem in den Bergländern Irans und Anatoliens und erhöhte Piratenaktivität im östlichen Mittelmeer zur Schwächung und zum Rückzug der etablierten Großmächte geführt, im Fall des Hethiterreichs sogar zum Zusammenbruch.

Das assyrische Reich, auf dessen Territorium der Tell Halaf damals lag, vermochte sich zunächst relativ gut zu behaupten; in wirkliche Bedrängnis geriet es erst, als sich um 1100 aus bislang nicht geklärten Ursachen die Bewohner der syrischen Steppe zu einem ernsten Problem entwickelten. Aufgrund ihrer Sprache bezeichneten die Assyrer sie als Aramäer, doch war das Einzige, was sie darüber hinaus einte, ihre nicht-sesshafte Lebensweise. Politisch und militärisch waren sie nie geeint, sondern unabhängige Gruppierungen oder Stämme, die in festen Jahreszyklen mit ihren Schaf- und Kleinviehherden zwischen verschiedenen Weideplätzen wechselten. Durch räuberische Übergriffe hatten sie sich seit dem 13. Jahrhundert bemerkbar gemacht; nun aber steigerten sich ihre Raubzüge gegen die Gebiete der Sesshaften beträchtlich. Ihr Erfolg steht vermutlich im Zusammenhang mit der verstärkten Nutzung des Kamels, das die Räuber in die Lage versetzte, sich der Verfolgung durch assyrische Truppen immer wieder durch Rückzug in die Steppen und Wüsten zu entziehen.

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Die Sesshaften waren militärisch darauf eingerichtet, die Entscheidung in Belagerungen und Feldschlachten zu suchen; der neuen Herausforderung standen sie machtlos gegenüber. Trotz verbissener Gegenwehr verlor Assyrien an Boden und war zum Rückzug auf das Städtedreieck Assur – Ninive – Arbela gezwungen. Außerhalb dieses Kerngebiets verblieben nur mehr isolierte Stützpunkte, die jedoch weitestgehend auf sich selbst gestellt waren.

Wann die Aramäer von Raubzügen zur Eroberung von Städten und Territorien, dann auch zur Gründung von Königreichen übergingen, ist nicht genau feststellbar. Die aramäische Landnahme vollzog sich entlang dem gesamten Steppenrand, aber nicht gleichzeitig und mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Sicher waren die wesentlichen Veränderungen aber im 9. Jahrhundert abgeschlossen, denn spätestens zu Beginn dieses Jahrhunderts hatten arabische Stämme damit begonnen, jene Steppenräume zu füllen, aus denen die Aramäer abgezogen waren.

Im assyrischen Machtbereich lässt sich die Phase der Landnahme um 1000 ansetzen. Im äußersten Westen des Chabur-Dreiecks bemächtigte sich einer der aramäischen Reichsgründer des alten assyrischen Verwaltungszentrums Sikani. Seine Residenz richtete er aber nicht in dieser Stadt ein, sondern auf einem nahegelegenen Hügelensemble, das heute den Namen Tell Halaf trägt. Hier entstand die Königsstadt Guzana, die für die nächsten Jahrhunderte das Verwaltungszentrum des Umlands bleiben sollte. Von Assyrien, dessen Könige sich nach wie vor als die rechtmäßigen Herren des Gebiets betrachteten, war in dieser Zeit nichts zu spüren.

Der erste König, den wir namentlich kennen, ist Kapara. Er verewigte sich in assyrischer Keilschrift auf den Bauten, die er auf der Zitadelle seiner Hauptstadt errichtet hatte. Gerade seine Inschriften verraten, dass es im Königspalast von Guzana beileibe nicht immer harmonisch zuging: Absichtliche Beschädigungen der Inschriften belegen das unmissverständliche Bestreben, das Andenken dieses Königs zu beschädigen oder auszulöschen. Da Kapara einen Vorfahren mit Namen Chadianu nennt, während spätere Könige ihre Abstammung auf einen Mann namens Bachianu zurückführen, liegt der Verdacht nahe, dass es nach dem Tod Kaparas zu einem gewaltsamen Umsturz und einem Dynastiewechsel gekommen ist…

Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf Pergamonmuseum Berlin 28. Januar – 14. August 2011

Die Ausstellung ist spektakulär: Rund 3000 Jahre alte Bildwerke sind im Pergamonmuseum zu sehen, riesige Skulpturen sowie eine Fülle beeindruckender Reliefs. Die Werke aus Basaltstein sind ausgesprochen fein gearbeitet, was erstaunt angesichts des harten Materials, das die damaligen Künstler zu bearbeiten hatten. Die wirkungsvoll präsentierten Skulpturen besitzen eine starke Ausstrahlung.

Bewegend ist zudem das Wissen, dass es die Bildwerke nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg fast nicht mehr gegeben hätte: Wir stehen vor dem Resultat eines gewaltigen Restaurierungsprojekts. Insgesamt faszinieren rund 650 hochkarätige Exponate, darunter viele Leihgaben – aus dem syrischen Nationalmuseum in Aleppo etwa reiste eine Göttin vom Tell Halaf nach Berlin.

Abgerundet wird die Ausstellung durch Informationen zum Leben des Ausgräbers Max von Oppenheim sowie zu den Ergebnissen der aktuellen Ausgrabungen am Tell Halaf.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Schnell + Steiner (Regensburg). Eine reichbebilderte wissenschaftliche Aufarbeitung des Projekts haben die Kuratoren Nadja Cholidis und Lutz Martin vorgelegt: „Tell Halaf. Im Krieg zerstörte Denkmäler und ihre Restaurierung“ (Verlag De Gruyter, Berlin).

http://www.smb.museum.de

Prof. Dr. Andreas Fuchs

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