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Eigen oder Reichsinteresse?

Maximilian I. und die Reichsreform

Eigen oder Reichsinteresse?
Im 15. Jahrhundert wurden Forderungen nach einer Reform von Kirche und Reich laut. Die Kirche verweigerte sich diesem Ruf – so kam es zur Reformation. Im Reich gelangen Reformen nur partiell – das hatte verfassungsrechtliche und politische Folgen. Die Frage nach Maximilians Stellung zur Reichsreform zielt daher auf einen zentralen Punkt der deutschen Geschichte.

Jedermann weiß, daß Maximilian I. den Beinamen „der letzte Ritter“ trägt. Verdienste um die Reichsreform, die sich in einem anderen Beinamen niederschlagen könnten, werden ihm dagegen nicht zugeschrieben. Hätte er ihn verdient? Und was ist eigentlich unter Reichsreform zu verstehen?

Reformen waren notwendig geworden, weil die mittelalterliche Lehnsstruktur dem Reich und seinem Herrscher nicht mehr genügend Handlungsmöglichkeiten bot, um den Frieden nach innen und außen zu sichern. Der deutsche König mußte die Mittel in die Hand bekommen, um widerstrebende Reichsstände zur Reichstreue und zur Wahrung des inneren Friedens zwingen und die Stellung des Reichs innerhalb der Staatenwelt Europas wahren zu können. Während das mittelalterliche deutsche Reich in sich geruht hatte, befand es sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Spannungsfeld einer sich neu formierenden europäischen Mächtekonstellation.

Die neue innen- und außenpolitische Lage nötigte dazu, die mittelalterlichen Herrschaftspraktiken durch modernere zu ersetzen. So mußte das allein auf die Person des Herrschers ausgerichtete Hofsystem um ein kollegiales Regiment ergänzt werden, das den Herrscher bei der Regierung effektiv unterstützte und auch bei seiner Abwesenheit aktionsfähig war. Vor allem mußte das Finanzwesen durch die Bewilligung von Reichssteuern reorganisiert werden, die durch eigene Behörden – unabhängig von den Reichsständen – eingetrieben werden konnten.

Die Finanzfrage war der eigentliche Kernpunkt der Reichsreform, weil nur regelmäßige Einkünfte den Herrscher in die Lage versetzten, ein modernes Heer anzuwerben und auszurüsten, um die Reichsinteressen nach außen wirkungsvoll wahren und den inneren Frieden sichern zu können. Ebenso bedurfte der König des Geldes, um Amtsträger in der Finanzverwaltung und der Justiz besolden zu können. Zudem mußte ein Ewiger Reichslandfrieden errichtet werden, der die bislang immer nur regional und zeitlich begrenzten Friedensordnungen auf Dauer ersetzte. Nicht zuletzt mußte für die Durchsetzung dieses Friedens gesorgt werden.

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In einer für Deutschland symptomatischen Weise trat der Wunsch nach Herstellung des Friedens regelmäßig in der Doppelformel von „Frieden und Recht“ auf. Friedenswahrung wurde als Rechtswahrung gedacht. Folgerichtig wurde in diesem Zusammenhang die Reorganisation des Kaiserlichen Kammergerichts gefordert, dem auch die Gerichtsbarkeit über Landfriedensbruch anvertraut werden sollte. Da sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts das Rechtsmittel der Appellation durchgesetzt hatte, mußte zudem das Verhältnis des Zentralgerichts zu den Obergerichten der Reichsstände geklärt werden. Und weil der König im Heiligen Römischen Reich weder rechtlich noch tatsächlich befähigt war, Steuern direkt eintreiben, Urteile des Kammergerichts vollstrecken oder Maßnahmen zur Friedenswahrung treffen zu lassen, mußte eine Substruktur geschaffen werden: Das Reich wurde in regionale Untereinheiten eingeteilt, welche die Reichsstände zur Erfüllung solcher Aufgaben effektiv zusammenfaßte. Solche und ähnliche Maßnahmen hatten alle europäischen Reiche durchführen müssen, damit ihre Herrscher eine kraftvolle Politik betreiben konnten. Eine in diesem Sinne vorbildlich modernisierte Herrschaft war das Herzogtum Burgund, das dem Habsburger durch seine erste Ehefrau Maria zugefallen war und dessen von der Nordseeküste bis ans Mittelmeer reichenden Ländereinheiten durch eine straffe Zentralverwaltung zusammengehalten wurden.

Maximilians erster Biograph Ulmann schrieb ihm im 19. Jahrhundert eine ablehnende Haltung gegenüber solchen Reformmaßnahmen für das Reich zu. Er schloß das etwa aus dem zögerlichen Eingehen auf die vom Mainzer Reichserzkanzler 1495 in Worms vorgelegten Reformpläne, denen Maximilian erst nach Bewilligung von Reichssteuern, also scheinbar aus Geldgier, wenigstens partiell zugestimmt habe. Das ist jedoch insofern falsch, als Maximilian sich nur gegen Reformen im Sinne der reichsständischen Reformpläne wehrte. Dies aber tat er aus guten Gründen, weil sich seine Reformkonzeption, wie sein moderner Biograph Hermann Wiesflecker überzeugend darlegt, grundlegend von denen des Mainzers unterschied. Maximilian wollte durch die Reformen mehr Handlungsspielraum für seine Politik gewinnen. Er träumte von einem durch ihn verkörperten neuen Universalkaisertum, durch welches das Heilige Römische Reich deutscher Nation neuen Glanz gewinnen sollte. Die in die Wahrung ihrer eigenen Interessen verstrickten Reichsstände unter Führung Bertholds von Henneberg wollten das genaue Gegenteil. Sie wollten durch die Reichsreform den Herrscher vollständig entmachten und ihn gewissermaßen auf die Stufe eines Reichsfürsten herabdrücken, dem nur noch der Ehrentitel eines Königs/Kaisers zustünde.

Literatur: Hermann Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Weltreiches. Oldenbourg Verlag, München 1991. Karl-Friedrich Krieger, König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter. Oldenbourg Verlag, München 1992. Manfred Hollegger, Maximilian I. Herrscher und Mensch einer Zeitenwende. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2002.

Prof. Dr. Bernhard Diestelkamp

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