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Ein betrunkener König und andere Katastrophen

Wenzel IV. und die Krise des spätmittelalterlichen Reichs

Ein betrunkener König und andere Katastrophen
Am 20. August des Jahres 1400 setzten die Kurfürsten den römisch-deutschen König Wenzel ab. Dieser sei kein würdiger Herrscher, sondern ein „unnützer, versäumlicher, unachtbarer Entgliederer“ des Reichs. Wie konnte es zu einer solchen Krise kommen?

Am 10. Juni 1376 wählten die Kurfürsten des Reiches, darunter Kaiser Karl IV., dessen ältesten Sohn Wenzel in Frankfurt am Main einstimmig zum römisch-deutschen König. Damit hatte der Kaiser das erreicht, was seit dem Staufer Friedrich II. (1211–1250) keinem Herrscher mehr gelungen war: die Sicherung der dynastischen Nachfolge auf dem Thron. Diese Wahl bedeutete politische Stabilität in einer Zeit, in der das Reich und andere Länder Europas in den verschiedensten Lebensbereichen von Krisen erschüttert wurden. Die Pestwelle um 1350 und folgende Seuchen hatten die Bevölkerung dezimiert. Unwetter, Klimaextreme oder Heuschreckenschwärme führten immer wieder zu Mißernten und Hungersnöten. Auch Erdbeben brachten den Menschen Angst und Schrecken. Viele sahen in diesen Katastrophen die Strafe Gottes und das Herannahen des Jüngsten Gerichts. Dankbar nahm man religiöse Strömungen wie jene der Geißler an, die durch Selbstzüchtigung die Pest abzuwenden suchten. Auch ein Sündenbock für die Pest war rasch gefunden. Die Juden sollten angeblich Brunnen vergiftet haben und mußten dies vielerorts mit ihrem Leben bezahlen.

Der Bevölkerungsschwund führte dazu, daß zahlreiche Dörfer aufgegeben wurden. Durch die nachlassende Nachfrage nach Getreide sanken die Preise für landwirtschafliche Produkte. Die Bauern sahen sich im Gegenzug mit steigenden Preisen handwerklicher Waren in den Städten konfrontiert. Hier allein schien das Leben erträglich zu sein, war ein gewisser Wohlstand vorhanden, wobei es neben reichen Bürgerfamilien eine anwachsende Stadtarmut gab. Viele Bauern versuchten daher, in die Städte abzuwandern, und brachten damit ihre Grundherren, vor allem jene aus dem niederen Adel, in Bedrängnis. Dieser erhielt dadurch weniger Abgaben, geriet selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten und suchte sich durch Fehden und Raubrittertum über Wasser zu halten. Versuche der Grundherren, den Druck auf die Bauern zu erhöhen, führten zu deren heftiger Gegenwehr, auch innerhalb der Städte häuften und verschärften sich die Konflikte. Bei vielen Menschen hatte sich im Lauf des 14. Jahrhunderts Perspektivlosigkeit breitgemacht. Auch der herkömmliche christliche Glaube bot da kaum Trost, so daß man sich neuen, nicht-legitimierten Formen von Frömmigkeit zuwandte, wie der Mystik oder dem Waldensertum. Dadurch wuchs die Kluft zwischen dem Kirchenvolk und dem Klerus, der durch die Tendenzen seiner Verweltlichung immer mehr in die Kritik der Zeitgenossen geriet. Der Papst residierte seit 1309 in Avignon und stand faktisch unter der Kuratel der französischen Könige.

Ganz im Widerspruch zu dem gezeichneten Krisenbild schien die Regierungszeit Kaiser Karls IV. zu stehen. Als bedeutendster Herrscher des spätmittelalterlichen Reichs hatte er durch eine äußerst erfolgreiche Politik die Hausmacht der Luxemburger beträchtlich vergrößert und seine Stellung gegenüber den anderen Fürsten gestärkt. Als er 1378 starb, hinterließ er seinem Nachfolger Wenzel ein solides politisches Fundament, auf das man aufbauen konnte.

Neben Karl IV. traten binnen weniger Jahre noch andere bedeutende Herrscher ab: in England 1377 Eduard III., in Frankreich 1380 Karl V. der Weise und 1382 König Ludwig der Große von Ungarn und Polen. Dieser Generation von großen Königen sollte eine Generation von zum Teil sehr schwachen Herrschern folgen, die wie Richard II. von England 1399 und Wenzel IV. 1400 gestürzt oder wie der an Verfolgungswahn leidende Karl VI. von Frankreich zum Spielball sich bekämpfender Adelscliquen wurden. Karl IV. hatte mit einigen Entscheidungen selbst dazu beigetragen, daß Wenzel bald in Schwierigkeiten geriet. Karls Versuche, die Kosten von dessen Wahl den Reichsstädten aufzubürden, führte zur Bildung des Schwäbischen Städtebundes, der Wenzel erst nach Erfüllung bestimmter Bedingungen die Huldigung leistete, sich bald auf die benachbarten Regionen ausbreitete und zu einem bedeutenden Machtfaktor gegenüber den Fürsten in Südwestdeutschland avancierte…

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Dr. Eberhard Holtz

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