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Ein Reich zerfällt

Die Nachfolger des Tschingis Khan

Ein Reich zerfällt
Tschingis Khan hinterließ seinen Söhnen ein riesiges Reich – und die Aufforderung, diesen Besitz noch zu mehren. Dies geschah bis in die Generation seiner Enkel hinein. In dieser Zeit bedrohten jedoch Zwietracht und Mißtrauen, aber auch eine veränderte politische Umgebung die mongolische Macht schon existentiell.

Nach Gesetz und Tradition sollte die Herrschaft nach dem Tod eines Khans auf den jüngsten Sohn seiner Hauptfrau übergehen. Doch angeblich bestimmte Tschingis Khan selbst, daß ihm nicht sein jüngster Sohn Tolui nachfolge, sondern der zweitjüngste, Ögödei. Trotz anfänglichen Zwists wurde dieser 1228 oder 1229 auf dem khuriltai (der Großversammlung) zum Nachfolger gewählt. Außenpolitisch hatte für Ögödei die Eroberung des restlichen südlichen Gold-Reichs (heutiges Mittelchina) zunächst Priorität. Im Rückgriff auf Erfahrungen, welche Tschingis Khan schon 1215 bei der Eroberung des nördlichen Gold-Reichs und von Tschungtu (das der Lage nach dem heutigen Peking entspricht) gemacht hatte, erreichte er dieses Ziel 1234. Dienste „fremder Mongolen“, die aus den Ethnien der Unterworfenen stammten und in die mongolische Verwaltungshierarchie eingeordnet wurden, halfen dann dem Großkhan, die chaotischen Verhältnisse in den neuen Territorien in den Griff zu bekommen – immerhin mußten mehr als 3,5 Millionen Menschen admini-strativ integriert werden – und eine militärische und zivile Verwaltung aufzubauen.

Preis dieses Erfolgs war eine trotz mongolischer Oberaufsicht relativ große Eigenständigkeit der nichtmongolischen Untertanen in den eroberten Gebieten außerhalb der fernen Steppe, von der aus der Großkhan regierte. Gemeinsamkeit durch alle Gruppen und Schichten des Reiches stiftete nur das Prinzip von Loyalität und Fürsorge: Wer sich loyal verhielt, für den wurde gesorgt, und das verband den Großkhan durchgängig mit Mongolen wie mit Nicht-Mongolen – das Mongolenreich war zu einem Vielvölkerreich geworden. Ausgleich zwischen den verschiedenen Traditionen und Solidaritäten herzustellen wurde zu einer der Hauptaufgaben des Großkhans. Zu wichtigen Zentren für diese Aufgabe, aber auch für die mongolische Machtausübung außerhalb der Steppe wurden im Westen Städte wie Buchara und Samarkand oder Tschungtu im früheren Gold-Reich.

Im mongolischen Kernland residierte der Großkhan abwechselnd in vier Hauptlagern. Mit der städtischen Pracht im Gold-Reich oder in Choresmien (dem heutigen Iran, Afghanistan, Teilen Turkistans) konnten es diese nomadischen Residenzen nicht aufnehmen, auch wenn die „Gelber Palast“ genannte Jurte des Herrschers mit goldenen Tragpfosten und einer Kapazität für angeblich mehrere hundert Personen sicherlich eindrucksvoll war. 1235 ordnete Ögödei daher an, auch hier einen Palast zu errichten.

Die von Tschingis Khan befohlene Erweiterung des Reiches trieb sein Sohn intensiv voran – besonders durch den großen Europa-Feldzug von 1237 bis 1242, der als Mongolensturm bekannt wurde. Zahlreiche Mitglieder der mongolischen Oligokratie (der Herrscherschicht) nahmen daran teil. Schon in Luftlinie beträgt die Strecke, die die Armee zurücklegen mußte, etwa 4000 Kilometer. Die Masse des Heeres bildeten wohl „fremde“ Mongolen, die Führung lag jedoch bei den „echten“ Mongolen, die auch für die Logistik verantwortlich waren.

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Die Route nach Westen führte überwiegend durch unerschlossenes Gebiet, in dem mit feindlichen Angriffen zu rechnen war. Man zog daher in Schlachtordnung: ganz vorne die Landkundschafter, danach die Späher, in einigem Abstand dann die Spitze (eine Vorausabteilung besonders tapferer Krieger) und schließlich die Vorhut. Dieser folgten ein rechter und ein linker Flügel. Daran schloß sich das Zentrum an, das aus einer großen Abteilung Fußsoldaten sowie einer kleineren Abteilung Bogenschützen bestand. Ihnen folgte die Nachhut, dann die Reserve und in einigem Abstand der Troß mit Jurtenkarren, Gefährten für Reservewaffen, Ersatzteilen und Lebensmitteln, Reserve-pferden und Zugtieren. Hier hielten sich auch die Frauen der Befehlshaber auf. Bei Gefahr wurde der Troß als Rundlager aufgebaut, das sich gut verteidigen ließ.

Anfang 1237 trafen die Mongolen an der Wolga ein, im Herbst griffen sie an. Zunächst besiegten sie die Bulgaren, dann die nordrussischen Fürstentümer. Immer wieder endeten Belagerungen in entsetzlichem Gemetzel. 1239 sicherten die Mongolen ihre Südflanke (Kaukasus-Region), bevor sie 1240 fast ganz Rußland besiegten. Ungarn war das nächste Ziel. Um diesem Angriff Rückendeckung zu geben, wurden von einer Sonder-Zehntausendschaft Anfang 1241 Sandomir (an der Weichsel), Krakau und Ratibor eingenommen. Im April zog sich die Spur der Verwüstung bis Breslau. Am 9. April trat der Zehntausendschaft bei Liegnitz ein polnisch-deutsches Heer unter Führung Herzog Heinrichs II. des Frommen von Schlesien entgegen – und wurde vernichtend geschlagen. Dann rückten die Mongolen in fünf Angriffssäulen auf Ungarn vor und eroberten das Land. Doch 1242 zog sich die Armee zurück: Am 11. Dezember 1241 war in der fernen Heimat Großkhan Ögödei gestorben.

Der Europa-Feldzug brachte den Mongolen eine territoriale Erweiterung, wie sie zuvor kein anderes Reich in so kurzer Zeit erworben hatte. Aber bereits auf dem Feldzug gerieten die verschiedenen Fürsten aus dem Haus Tschingis Khans in unversöhnlichen Streit. Und als sie in der Heimat eintrafen, fanden sie widrige Verhältnisse vor. Um der Linie des Ögödei die Macht zu erhalten, führte seine Witwe Töregene als Regentin die Staatsgeschäfte. Unter ihrer Herrschaft nahm die mühevoll aufgebaute Ordnung erheblich Schaden. In den obersten Rängen der Oligokratie herrschte offene Feindschaft. Als 1246 nach wüstem Hin und Her – und erneut gegen Tradition und Gesetz – Töregenes und Ögödeis Sohn Güyük als Großkhan installiert wurde, führte dies beinahe zu einem Bruderkrieg. Nur Güyüks Tod 1248 (durch Gift?) verhinderte das Schlimmste. Die darauf folgenden staatsschädigenden Umtriebe von Güyüks Witwe, die nun Regentin wurde, währten allerdings nur bis zur Wahl des neuen Großkhans Möngke im Juni 1251.

Möngke war ältester Sohn Toluis, des jüngsten Sohnes von Tschingis Khan. Unter seiner Herrschaft erholte sich das Reich zusehends. Er war es wohl, der gezielt die Hauptstadt Karakorum ausbauen ließ. Wirtschaft und Verwaltung verliefen geordnet. Weiterhin wurde aber darüber, wie man das Reich regieren solle und wer wofür zuständig sei bzw. einen Beitrag zu leisten habe, gestritten – eine stete latente Belastung…

Prof. Dr. Michael Weiers

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