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Ein streitbarer Geist

Caspar Peucer

Ein streitbarer Geist
„Schädlicher denn Calvin selbst“ – mit dieser Charakterisierung warnte Herzog Christoph von Württemberg 1592 den Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen vor einem Mann, der als Arzt und Gelehrter berühmt war, aufgrund seiner theologischen Lehren aber gefürchtet und verfolgt wurde: Caspar Peucer.

Caspar Peucer wurde 1525 in Bautzen geboren, dem Hauptort des Sechsstädtebundes in der damals zu Böhmen gehörigen Oberlausitz. Als 15jähriger kam er in die sächsische Universitätsstadt Wittenberg, wo er im Haus des Universalgelehrten, Humanisten und Reformators Philipp Melanchthon Aufnahme fand. Er studierte unter anderem Medizin und Astronomie, schon 1545 wurde er Magister an der philosophischen Fakultät, 1554 Professor der Philosophie und Mathematik, 1560 Doktor und anschließend Professor der Medizin.

Durch seine Eheschließung mit Philipp Melanchthons jüngster Tochter Magdalena rückte er in den Kreis von dessen engsten Vertrauten auf. So begleitete Peucer den Reformator 1557 zu den Religionsgesprächen nach Worms und anschließend zur Einweihung der pfälzischen Universität nach Heidelberg.

Peucer, der kein Theologe war, fand an den Religionsfragen, die seit Luthers Thesenanschlag in Wittenberg höchste gesellschafts- und staatspolitische Bedeutung hatten, gleichwohl großes Interesse. In zahlreichen Schriften trat er als Gelehrter in der Tradition Melanchthons in Erscheinung. Die von seinem Schwiegervater entwickelten und auf einen Ausgleich der nach Luthers Tod zunehmend auseinander strebenden protestantischen Glaubensrichtungen gerichteten Ansichten wurden von Peucer aufgegriffen. Mit dem Tod Melanchthons 1560 übernahm er nicht nur zeitweilig das Rektorat der Universität Wittenberg, sondern fühlte sich auch verantwortlich für dessen theologisches Erbe.

Der – nach Melanchthon so genannte – Philippismus folgte der Zielsetzung einer humanistisch geprägten Wiedergeburt des Corpus Christianum in Kirche und Schule, in Theologie und Wissenschaft. In der theologischen Lehre unterschieden sich die Philippisten von den Lutheranern insbesondere hinsichtlich des Abendmahlsverständnisses, als auch bei der Lehre von der Person Christi. Während die orthodoxen Lutheraner davon ausgingen, daß sich in Christus eine persönliche Vereinigung seiner göttlichen und der menschlichen Natur vollzogen habe und Christus durch seine Gott- und Menschheit unendlich und allmächtig geworden sei, waren die Philippisten der Ansicht, daß es keine persönliche Vereinigung beider Naturen Christi geben könne, da Christi Leib im Himmel räumlich eingeschlossen sei und somit auf der Erde nicht gegenwärtig sein könne. Dementsprechend gingen die orthodoxen Lutheraner von einer Realpräsenz Christi im Abendmahl aus, während Peucer und seine Freunde der Ansicht waren, daß Brot und Wein im Abendmahl nur „Denkzeichen“ seien. Angesichts der Unterschiede zur lutherischen Lehre und des offenen Dialogs, den die Philippisten mit den Kalvinisten in Genf und in der Kurpfalz führten, sahen sie sich bald von ihren Gegnern dem Vorwurf des verdeckten Kalvinismus (Kryptokalvinismus) ausgesetzt…

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Anläßlich seines 400. Todestages zeigt die Stadt Bautzen – die in diesem Jahr zugleich ihr 1000jähriges Bestehen feiert – eine umfassende Ausstellung zu Leben und Werk Caspar Peucers. Mit rund 300 Exponaten will die Schau in der Geburtsstadt des Reformators einen Einblick geben in die religiösen, politischen und geistigen Konflikte des 16. Jahrhunderts, die das Leben Peucers bestimmt haben und in denen er zeitweilig eine bedeutende Rolle gespielt hat. Folgende Themenschwerpunkte erwarten den Besucher: Peucers Herkunft aus Bautzen, Peucer – Student und Professor in Wittenberg, Peucer – Humanist und Universalgelehrter, Die Nähe zur Macht – Peucer und der kursächsische Jof, Peucer und der Streit der Konfessionen, Peucer in Anhalt, Idyllium patria – Peucers Beziehungen zu Bautzen. Zu der Ausstellung erscheint im Domowina-Verlag Bautzen ein reich illustrierter Katalog.

Zwischen Katheder, Thron und Kerker. Leben und Werk des Humanisten Caspar Peucer, Stadtmuseum Bautzen, 25. September–31. Dezember 2002. Internet: http://www.bautzen.de

Dr. Uwe Koch

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