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Ein unausweichlicher Konflikt?

Europa am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges

Ein unausweichlicher Konflikt?
Es waren nicht nur konfessionelle Gegensätze, die Europa 1618 auf die Straße des Krieges führten. Innerhabsburgische Auseinandersetzungen, die aufbegehrenden Stände in Böhmen und den spanischen Niederlanden kamen hinzu – und ein Kaiser, der sich lieber in seiner Prager Burg verkroch, als mit den Fürsten über die Zukunft des Reichs zu debattieren.

Die Zufälligkeit dynastischer Erbfolgen hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts das weltumspannende und Europa beherrschende Reich Karls V. geschaffen. Von relativ bescheidenen Anfängen war das Haus Habsburg zur bestimmenden Dynastie des Kontinents aufgestiegen. Die europäische Geschichte der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts und des 17. Jahrhunderts war von der Auseinandersetzung mit dieser Dynastie bestimmt. Kaiser Karl V. hatte, als er 1555/56 zurücktrat, sein riesiges Reich so geteilt, daß Europa von der „monarchia austriaca“ beherrscht werden konnte. Nachdem seine Absicht, seinem Sohn Philipp II. (1556–1598) das gewaltige Reich ungeteilt zu vermachen, am Widerstand der deutschen Fürsten gescheitert war, hatte er eine Teilung vorgenommen, die die Vorherrschaft Spaniens zu verbürgen schien. Philipp II. erhielt Spanien mit den Kolonien, dazu das Herzogtum Mailand in Italien und das ehemalige Herzogtum Burgund – das heutige Holland und Belgien – , sowie die Franche Comté. Sein Bruder Ferdinand wurde mit den österreichischen Erblanden, Böhmen und dem Kaisertitel abgefunden. Die so gefundene Ordnung war wohl überlegt. Der Besitz der reichen Niederlande sollte Spanien die Basis für ein Eingreifen im Reich gegen die protestantischen Fürsten in Norddeutschland geben. Das vom Reich Philipp II. zu Lehen gegebene Herzogtum Mailand sicherte die spanische Vorherrschaft über Italien. Mailand war für Spanien auch wichtig, weil es Frankreich den Zugang zu Italien versperrte. Das Reich, in den Händen der österreichischen Linie, sollte den Nachschub für die niederländischen Besitzungen sichern, wenn diese nicht auf dem nördlichen Seeweg versorgt werden konnten. Dieses System geriet an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert in eine schwere Krise. Dabei spielten die Konfessionen insofern eine Rolle, als in den Personen Kaiser Ferdinands II., des Herzogs und späteren Kurfürsten Maximilian von Bayern und Philipps III. von Spanien (1598–1621) drei agressive Vertreter der Gegenreformation auftraten, die fest gewillt waren, all das rückgängig zu machen, was die Reformation nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 erreicht hatte. Ihnen trat im Reich der kämpferische Calvinismus im Kurfürstentum der Pfalz und in der Landgrafschaft Hessen-Kassel entgegen.

Die schwierige Situation an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zeigte sich in drei Erscheinungsformen. Da war einmal die innerhabsburgische Entwicklung: Die Voraussetzungen, unter denen Karl V. die Teilung seines Reiches vorgenommen hatte, erwiesen sich auf Dauer als nicht tragbar. Vor diesem Hintergrund kam es zu erheblichen Spannungen zwischen den beiden Linien der Habsburger und zu einem Machtverfall der österreichischen Linie. Kaiser Ferdinand I. verstärkte diese Entwicklung noch durch die Teilung der Erblande unter seine drei Söhne. Die Kaiser Maximilian II. (1564–1576) und Rudolf II. (1576–1612) waren in ihrer Macht dadurch stark eingeschränkt und mußten alles hinnehmen, was die Spanier in den Niederlanden und Italien trieben. Nur so erklärt sich auch, warum Ferdinand II. über keine eigene Armee verfügte und seinen Vetter Maximilian von Bayern 1618 darum bitten mußte, den „Winterkönig“ zu vertreiben.

Es war zweitens die internationale Situation, die Frankreich, England und die Generalstaaten zu gefährlichen Gegnern Spaniens machte. Es war vorherzusehen, daß Frankreich, wenn es die Hugenottenkriege (1562–1598) überwunden hätte, versuchen würde, die spanische Umklammerung zu sprengen. Es war drittens der Verfall der Reichsverfassung, der Spanien zwang, in die Schwierigkeiten bei der österreichischen Linie einzugreifen. Als erstes geriet die spanische Position in den Niederlanden ins Wanken. Mit seiner gegenreformatorischen Politik löste Philipp II. den niederländischen Freiheitskampf aus. 1581 sagten sich die sieben nördlichen Provinzen von Spanien und dem Hause Habsburg los und bildeten die Republik der Vereinigten Niederlande, auch Generalstaaten genannt. Vergeblich hatte Kaiser Maximilian II., auch im Hinblick auf die Auswirkungen in Norddeutschland, vor dem harten Vorgehen der Spanier gewarnt und Philipp darauf hingewiesen, daß auch im burgundischen Reichskreis die Bestimmungen des Augsburger Religionsfrieden galten. Philipp II. hatte dies mit dem Hinweis abgelehnt, daß er nicht gewillt sei, über Ketzer zu regieren. Hatten die Niederlande ein stabilisierendes Element für Norddeutschland bilden sollen, so wurden sie für das System Karls V. zum Krisenherd. Nicht nur, daß der Abfall der Niederlande den Verfall der Macht Spaniens einleitete, in Norddeutschland wurden auch die Säkularisationen ungehemmt fortgeführt. In der Zeit nach dem Religionsfrieden wurden die Erzbistümer Magdeburg und Bremen sowie die Bistümer Verden, Halberstadt, Lübeck, Ratzeburg, Minden und Osnabrück säkularisiert. Hatten Maximilian II. und Rudolf II. die Vorgänge in den Niederlanden hingenommen, so war es in Italien zu heftigen Konflikten zwischen den beiden habsburgischen Linien gekommen. Die Versuche der Spanier, ihre Machtbasis in Oberitalien durch die Übernahme von Reichslehen zu verbreitern, hatte schon unter Maximilian II. zu Auseinandersetzungen geführt. Als Philipp III. im Jahr 1600, auf ein Privileg König Wenzels von 1396 gestützt, als Herzog von Mailand versuchte, eine Oberhoheit über die Reichslehen in den Langhen und der Lunigiana zu errichten, sprach der jähzornige Rudolf in seinen Weisungen an seinen Gesandten in Madrid nur noch vom „belzebübisch, spanischem Ungeziefer“. Er entsandte den Reichshofrat Paul Garzweiler nach Italien, mit dessen Hilfe in Mailand eine Behörde für Reichsitalien eingerichtet wurde, die künftige Machterweiterungen der Spanier zu Ungunsten kaiserlicher Reichslehen verhindern sollte. Philipp III. war darüber so empört, daß er sich jahrelang weigerte, den kaiserlichen Gesandten in Madrid zu empfangen. Diese Reibereien vergifteten das Verhältnis Philipps III. zu dem immer skurriler und eigenwilliger werdenden Rudolf II. Man drängte in Madrid darauf, daß der unverheiratete Rudolf einen Erzherzog zum Römischen König, das heißt zu seinem Nachfolger wählen lassen solle. Die Folge war, daß sich Rudolf monatelang weigerte, den spanischen Gesandten zu empfangen. Die Absonderlichkeiten Rudolfs nahmen so zu, daß sich 1600 sein jüngerer Bruder, Erzherzog Matthias, mit den Erzherzögen Albrecht und Ferdinand, dem späteren Kaiser Ferdinand II., beriet, ob Rudolf nicht zum Rücktritt gedrängt werden sollte…

Prof. Dr. Karl Otmar Freiherr von Aretin

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