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„Eine alte und anmuthige Handelsstadt“

Bergen. Ein Gang durch die Geschichte

„Eine alte und anmuthige Handelsstadt“
Auf einer Bergwiese – Bjørgvin – gründete König Olav Kyrre im Jahr 1070 eine Stadt, die in der Folge eine rasante Entwicklung erlebte, zuerst als „Hauptstadt“ des Landes, dann als einer der wichtigsten Handelsplätze Nordeuropas. Diese reiche Geschichte spiegelt sich im Stadtbild bis heute.

Als Ausgangspunkt der Hurtigruten, der legendären Postschiffverbindung entlang der Westküste Norwegens, gehört Bergen zu den meistbesuchten Städten des Landes. Seit 1893 beginnen die Postschiffe ihre Reise nach Norden in Trondheim bzw. Bergen. Das Bild der Handelsstadt Bergen inmitten atemberaubender Landschaft hat schon frühere Norwegen-Reisende beeindruckt. So begeisterte sich der Stettiner Schriftsteller August Moritz 1853: „Der Himmel ist bewölkt, ein kalter Nordwind weht, es gibt kleine Regenschauer, aber unten im Garten blühen die Bäume in reicher Fülle, der Flieder öffnet sich, Tulpen paradieren auf gutgeordneten, wohlbestellten, kreisförmigen Beeten. Wir suchen uns vom Zimmer aus ein wenig zu orientieren. Über den Garten und die Stadt hinaus ankert eine Jacht auf dem mit Packhäusern zahlreich umschlossenen, von vielen Booten befahrenen Fjord, hinter welchem sich 1200 bis 1500 Fuß hohe, nackte Felsenberge erheben. Auf den Abhängen jener Berge erblickt man einige kleine grüne Wiesen, ein Birken-, Pappeln- und Eschenwäldchen, und daneben ein stolzes Landhaus, so zierlich, sauber und weiß angestrichen, als sollte es eine Braut empfangen. Dann kommt ein Vorgebirge, mit Häusern und Speichern besetzt, andere Berge reihen sich dar‧an, und ganz rechts öffnet sich der Hilte-Fjord …, aus welchem so viele Ausmündungen ins Meer gehen, und dessen südlichste Spitze … den Hafen von Bergen bildet.“ Dass es bei der Ankunft des Reisenden „kleine Regenschauer“ gegeben hat, mag als Hinweis auf das rauhe Klima der Stadt dienen, in der es im Jahresdurchschnitt 240 Regentage gibt. Die Bewohner sahen das nicht nur gelassen, sondern sind stolz darauf, verdanken sie dem reichlichen Nass doch, dass die Umgebung ihrer Stadt so grün ist.

Noch größer ist der Stolz der Bürger auf ihre Geschichte. Mag Bergen auch nur die zweitgrößte Stadt Norwegens sein, in der historischen Bedeutung steht die Gründung Olav Kyrres der heutigen Hauptstadt Oslo nicht nach. Dieser Geschichte nachspüren kann man bei einem ausgedehnten Spaziergang durch die Altstadt oder bei einem Besuch im Bergen Museum, das gleichermaßen der Kultur- wie der Naturgeschichte der Region gewidmet ist.

Das Besondere an Bergen ist, dass die Stadt sowohl politisch als auch wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung für die Geschichte Nor-wegens gewesen ist. Am Beginn stand die politische Bedeutung: Die über ein Vierteljahrhundert währende Herrschaft Olavs III. war für Norwegen eine Zeit der außen- und innenpolitischen Stabilität. Daher auch der Beiname dieses Königs: „Kyrre“ bedeutet „der Ruhige“, wobei damit weniger oder zumindest nicht vorrangig die Persönlichkeit Olavs charakterisiert werden sollte, sondern eben die während seiner Regierungszeit herrschende politische Ruhe. Nicht einmal der Umstand, dass Olav III. den Thron in seinen ersten drei Regierungsjahren von 1066 bis 1069 mit seinem Bruder Magnus hatte teilen müssen, war zum Auslöser von Streitigkeiten geworden. Maßgeblich zu der Stabilität trug bei, dass es Olav III. gelang, die Thronansprüche des dänischen Königs Sven Estridsson zurückzuweisen; nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Verhandlungsweg. Bergen blieb auch für die folgenden Könige der Hauptsitz. Erst König Håkon V. verlegte die Residenz 1299 nach Oslo. Von 1163 bis 1299 war Bergen zudem Krönungsort gewesen. In dieser Funktion hatte es Trondheim abgelöst, wo im Nidarosdom König Olav der Heilige (1015 –1028) beigesetzt war.

Wenn in Deutschland von Bergen die Rede ist, dann steht dabei meist nicht dessen Bedeutung als Königssitz im Blickpunkt, sondern die Zeit, in der die Hanse die Geschicke der Stadt bestimmt hat. 1360 eröffnete die Hanse hier eines von insgesamt nur vier Kontoren außerhalb ihres eigentlichen Städteverbunds. Neben Bergen gab es noch Kontore der Hanse in Brügge, Nowgorod und London. Die Bezeichnung „Tyskebryggen“ (Brücke der Deutschen oder Quartier der Deutschen) verweist auf diese Beziehung, denn deutsche Kaufleute lebten und arbeiteten hier bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Nach einem Großbrand 1702 wurden die Gebäude im alten Stil wiederaufgebaut. Seit 1979 gehört „Bryggen“ mit seinen rund 280 rot, gelb und weiß gestrichenen Holzhäusern zum Weltkulturerbe der UNESCO. Bis heute erhalten geblieben ist die Marienkirche aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Das älteste Gebäude der Stadt diente einst den Kaufleuten der Hanse als Gotteshaus. Die Geschichte des Hansekontors wird im „Hanseatisk Museum“ anschaulich erzählt.

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Dass die deutschen Kaufleute in Bergen Fuß fassen konnten, lag allerdings nicht allein in kaufmännischem Geschick begründet, sondern war vor allem eine Folge des Krieges zwischen der Hanse und Dänemark um die Vor‧herrschaft im Schonen-Handel. Dabei ging es eben nicht nur um das damals dänische Schonen (im heutigen Südschweden), sondern darum, wer überhaupt die führende Wirtschaftsmacht im Ostseeraum war. Und wo die Hanse ihren Handel bedroht sah, griff sie auch zu militärischen Mitteln.

In seiner 1770 erschienenen „Geschichte der Königreiche Dänemark und Norwegen“ hat Ludwig Albrecht Gebhardi Bergen als „alte und anmuthige Handelsstadt“ beschrieben, der Norwegen seinen Wohlstand mit zu verdanken habe. Der Handel der Stadt „mit Fischen, fetten Waaren [Tran], Häuten und Holzwerk“ sei „ jederzeit groß gewesen“. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Oslo zwar mehr Einwohner, aber die bedeutendere Handelsstadt war nach wie vor Bergen. Diese Einschätzung belegte der englische Historiker Thomas Forester um 1850 mit eindrücklichen Zahlen. Jährlich wurden damals von Bergen aus rund zwei Millionen Stockfische, 400000 bis 500000 Tonnen Heringe und 20000 Fässer Lebertran exportiert. Dazu kamen jährlich 500000 Schiffsladungen Holz. Ganz Bergen, hielt August Moritz 1853 fest, sei „ein einziger Laden“. Und es sei sonderbar genug, womit die Schiffe beladen würden. „Da sind zum Beispiel eine ganze Menge Särge, beschrieben mit dem Namen dessen, für den sie bestimmt sind, und vollgepfropft mit Zwieback. Nicht der Tischler, sondern der Bäcker liefert sie an Bord, und es erhellt die Wahrheit dessen, was [der Schriftsteller Theodor] Mügge sagt, dass alles, was zwischen Wiege und Sarg nötig ist, von Bergen mitgenommen wird, und kein Nordländer ruhig sterben kann ohne einen Sarg aus Bergen.“

Noch heute kommt dem Hafen große wirtschaftliche Bedeutung zu. Im „World Port Ranking“ von 2009 steht Bergen mit über 56 Millionen Tonnen verschiffter Güter immerhin an 61. Stelle (Nummer eins beim Gesamtumschlag ist Shanghai, Hamburg steht auf Platz 27).

Uwe A. Oster

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