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Eine perfekte Vorstellung

Die Inszenierungsstrategien Queen Victorias und Prinz Alberts

Eine perfekte Vorstellung
Während ihrer gesamten Regierungszeit setzte Königin Victoria vor allem durch ihre Kleidung nonverbale Signale. Zugleich nutzten sie und ihr Gemahl Albert geschickt die neuen Medien Bilddruck, Fotografie und Film.

Die Königin trug Grün. An ihrem Kleid hatte sie den Stern St. Patricks befestigt, des Schutzpatrons der Iren. Symbolische Kommunikation dieser Art schien nach den Auseinandersetzungen der letzten Jahre dringend geboten. Die Iren waren 1849 von Hungersnöten geschwächt und fühlten sich von London im Stich gelassen. Victorias Geste wussten sie zu schätzen. Ihr Besuch in Dublin wurde ein Erfolg.

Natürlich sind Monarchen immer Meister der Inszenierung gewesen, und Kleidung spielte dabei eine entscheidende Rolle. „Fürstliche Zeigepflichten“ galten für alle europäischen Monarchien. Doch die Epoche der Industrialisierung brachte neue Herausforderungen, und die britische Monarchie musste lernen, ihre Inszenierung darauf einzustellen. Es war eine selbstbewusste Mittelschicht entstanden, die politische und gesellschaftliche Teilhaberschaft anstrebte. „Meritokratie“ war das neue Schlagwort, und es wurde verlangt, dass sich auch Prinzen nützlich machten. Zudem erlangten royale Ereignisse nun durch preiswerte Zeitungen eine sehr viel größere Öffentlichkeit. Die Monarchen mussten darauf reagieren, wenn sie die Presseberichterstattung in ihrem Sinn beeinflussen wollten.

Eine weitere Herausforderung war die Konkurrenz mit populären Premierministern. Die „Times“ schrieb zwar 1879: „Der Patriotismus der Engländer konzentriert sich auf die Krone“, doch es gab Rivalen für Victoria. Politiker wie Palmerston und Gladstone waren populärer als die Königin, und die Bevölkerung verband ihre nationalen und patriotischen Gefühle vor allem mit ihnen. Ohnehin wurden mit dem Aufkommen nationaler, bürgerlich geprägter Bewegungen die international verknüpften Dynastien in ganz Europa vor die Frage gestellt, wie sie sich überzeugend „nationalisieren“ konnten. Die britische Monarchie stand also unter verstärktem Legitimationsdruck. Sie hatte zwei große Aufgaben zu lösen, wenn sie eine erfolgreiche Vorstellung bieten wollte: Sie musste sich – zumindest nach außen hin – bürgerlicher und vor allem nationaler darstellen.

Man kann Victorias Regierungszeit in drei Phasen der Inszenierung unterteilen: vor, mit und nach Albert. Vor ihrer Heirat hatte ein gefährlicher Mann die Rolle des Regisseurs inne: Sir John Conroy. Er verwaltete den Haushalt von Victorias unbedarfter Mutter und arbeitete daran, eines Tages die Macht hinter dem Thron zu werden. Mittels einer „Charmeoffensive“ in verschiedenen englischen Städten wollte er die bis dahin wenig wahrgenommene potentielle Thronfolgerin stärker bekanntmachen. Eine königliche Reisepolitik hatte es schon unter Elisabeth I. gegeben; mit „metaphysical road shows“ hatte sie symbo‧lisch ihr Herrschaftsgebiet abgesteckt. Der Vergleich mit dieser großen Königin war bei Victorias Reisen durchaus intendiert und sollte während ihrer gesamten Regierungszeit immer wieder aufgegriffen werden.

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Conroys Inszenierungsstrategien waren nicht ohne Erfolg, doch Victoria entsorgte den verhassten Verwaltungsleiter kurz nach ihrer Thronbesteigung. Andere sorgten jetzt für schmeichelhafte Vergleiche mit Elisabeth I. Charles Robert Leslie malte sein Porträt Elisabeths mit dem Gesicht Victorias, und Politiker hofften auf ein neues elisabethanisches Zeitalter. Victoria profitierte von diesen Interpretationen, entwickelte selbst aber noch keine eigenen Imageideen. Die junge Königin interessierte sich ausschließlich für die traditionelle Inszenierung von Zeremonien und nahm großen Anteil an den Vorbereitungen zu ihrer Krönung. Bevor Victoria gekrönt wurde, war die Reputation der Monarchie auf einem Tiefpunkt angelangt. Auch der jungen Königin wurde bald vorgeworfen, sie sei so vergnügungssüchtig und hannoveranisch-sinnlich veranlagt wie ihre Vorgänger. Seit 1840 bot Albert einen Gegenpol. Er besaß eine seismographische Sensibilität für die Strömungen der Zeit und erkannte das Potential der aufsteigenden Mittelschicht. Einen bürgerlichen Wertekodex hatten ihm bereits seine Lehrer in Coburg nähergebracht. Darüber hinaus liebte er es, kreativ zu arbeiten und Ereignisse zu inszenieren – von historischen Kostümbällen bis hin zu Großveranstaltungen wie der Weltausstellung. Mit viel Phantasie entwickelte er ein neues Familienkonzept für die Monarchie. Hierbei wollte er nicht allein durch pompöse Repräsentation Herrschaft demonstrieren, sondern etwas Neues schaffen: eine Synthese zwischen königlichen und bürgerlichen Werten.

Zunächst strebte er an, positive Bilder seiner Familie in Umlauf zu bringen. Zur Seite stand ihm hierbei ein Hofmaler aus Baden, Franz Xaver Winterhalter. Winterhalter malte Gruppenbilder einer harmonischen, fast bürgerlich anmutenden Royal Family. Berühmt wurde vor allem sein Porträt des kleinen Thronfolgers Bertie, der frei von jeglichen Herrschaftsutensilien in einem Matrosenanzug posierte.

Neben schönen Familienbildern, die in Drucken weiterverbreitet wurden, war eine vorteilhafte Berichterstattung wichtig. Der dem Königspaar verhasste Premierminister Palmerston stellte hier ein unerreichtes Vorbild dar: „Pam“ war einer der ersten britischen Politiker, der Journalisten hofierte und ihnen vorteilhafte Berichte in den Block diktierte. So weit konnten Victoria und Albert nicht gehen, aber auch sie fanden Wege, positive Meldungen zu lancieren. Vergleicht man die Zahl der monarchiekritischen Artikel mit der freundlichen Berichterstattung über königliche Empfänge, Reisen und Wohltätigkeitsarbeit, so überwiegen die Letzteren deutlich und waren zudem sehr viel ausführlicher…

Literatur: Karina Urbach, Queen Victoria. Eine Biographie. München 2011.

PD Dr. Karina Urbach

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