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Eine wahre Bilderbibel

Der Goldene Münchner Psalter

Eine wahre Bilderbibel
Der GoldeneMünchner Psalter ist eine der kostbarsten europäischen Handschriften des13. Jahrhunderts. Den Schatz der Bayerischen Staatsbibliothek gibt der Luzerner Quaternio Verlag jetzt als originalgetreues Faksimile heraus.

Bei vielen Handschriften des Mittelalters wissen wir nicht, für wen sie geschaffen worden sind. Das gilt auch für den Goldenen Münchner Psalter. Ursprünglich waren Psalterien – also Sammlungen der 150 biblischen Psalmen – dem Chorgebet der Mönche bzw. dem Gebrauch in der heiligen Messe vorbehalten. Im Lauf des 12. Jahrhunderts bildeten sich jedoch neue Formen der Laienfrömmigkeit heraus, zu denen auch die private Andacht, die Versenkung in das Gebet, gehörte. Dafür boten sich die Psalmen aufgrund des überschaubaren Textumfangs und der bildhaften Sprache förmlich an. In diesen Psalterien finden sich neben den Psalmen aber auch Kalender zur Einordnung in das Kirchenjahr, die wichtigsten Gebete und Lobgesänge, Heiligenlitaneien und bildliche Darstellungen von Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament. So entsteht vor dem Auge des Betrachters eine vielseitig verwendbare Bilderbibel.

Dem täglichen Gebrauch beim persönlichen Gebet kam entgegen, dass die Psalmen – anders als die Evangelien oder die meisten anderen Bücher des Alten Testaments – keine fortlaufende Geschichte erzählen, sondern leicht erfassbare Anrufungen Gottes sind, die in einer sehr bildhaften Sprache universale Themen wie Lobpreis Gottes, Dank, Bitte, Klage und Reue ausdrücken. Dies mag auch ein wesentlicher Grund für die Beliebtheit der Psalmen in den christlichen Konfessionen und im Judentum bis zum heutigen Tag sein.

Die Psalmen waren das Buch des Alten Testaments, das am häufigsten einzeln abgeschrieben wurde, und eines der am meisten verbreiteten Bücher des Mittelalters. Erst im 14. Jahrhundert wurden die Psalterien zunehmend von den Stundenbüchern verdrängt, die gleichfalls zunächst nur von Klerikern, später auch von Laien für das private Gebet verwendet wurden.

Die vor diesem Hintergrund für den weltlichen und geistlichen Adel produzierten Prachthandschriften entstanden nicht in den klösterlichen Skriptorien, sondern in städtischen Künstlerwerkstätten. Ein florierendes Zentrum der mittelalterlichen Buchproduktion war Oxford. In der Universitätsstadt ließen sich im 13. Jahrhundert zahlreiche Schreiber und Illuminatoren, Buchbinder und Pergamentmacher nieder. Sie schufen einerseits reichausgestattete Prachthandschriften, aber ebenso einfache Abschriften für den Bedarf der Fakultäten.

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Auch der Goldene Münchner Psalter ist um 1200/1210 in einer dieser Werkstätten in Oxford entstanden. Stilistische Vergleiche zeigen, dass drei Buchmaler aus der Stadt an dem Werk gearbeitet haben. Dabei steht der Goldene Münchner Psalter an der Schwelle von der Romanik zur Gotik. Ein Kennzeichen dafür ist etwa die stärkere Beachtung der menschlichen Proportionen. Der Reichtum der Ausstattung mit Gold, Silber und kostbaren Pigmenten legt die Vermutung nahe, dass die Handschrift für einen hohen Adligen, möglicherweise sogar für ein Mitglied des Königshofs, geschaffen wurde, doch gibt es keinen direkten Hinweis auf den Auftraggeber. Die Verwendung weiblicher Endungen in einigen Gebetsformeln und die außergewöhnlich große Bildpräsenz alttestamentlicher Heldinnen wie Ruth, Judith und Esther sprechen jedoch für eine Frau als Auftraggeberin.

An den Kalender schließen sich in dem – wegen seines heutigen Aufbewahrungsorts so genannten – Goldenen Münchner Psalter 27 Seiten mit ganzseitigen Miniaturen zur Genesis, zur Josephsgeschichte, zum Auszug aus Ägypten bis zu dem im Buch Josua erzählten Fall Jerichos an. Der Zyklus zum Neuen Testament bietet in 19 Bildern zum Leben Jesu die traditionelle Abfolge von Verkündigung, Geburt, Flucht, Einzug in Jerusalem, Passion, Tod, Auferstehung und Pfingsten. Es folgt eine Darstellung des Jüngsten Gerichts und der Höllenqualen. In einem weiteren neutestamentlichen Bilderzyklus werden auf 16 Seiten die Wunder Jesu illustriert; ebenso viele Seiten umfassen die Illustrationen zu den alttestamentarischen Büchern Ruth, Judith und Esther.

Die verbindende Gestalt zwischen dem Alten und dem Neuen Testament ist König David. Er gilt als Vorläufer des Messias, der seinerseits aus dem Stamm Davids hervorgegangen ist. So beginnt das Matthäus-Evangelium mit einem „Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“. Akribisch reiht Matthäus in der Folge Generation an Generation, um eine direkte quasi-dynastische Linie von David zu Christus zu ziehen. Das Lukas-Evange‧lium reiht die Vorfahren Jesu lückenlos bis Adam auf, und natürlich darf auch bei ihm in der Aufzählung König David nicht fehlen.

Die Illustrationen zum Leben des Königs in dem Münchner Psalter erklären sich aber nicht allein in dessen Brückenfunktion zwischen Altem und Neuem Testament. David galt zudem als einer der Hauptverfasser oder zumindest als Initiator der Psalmensammlung in der Bibel.

Die Frage, wann und auf welchem Weg die Handschrift in die bayerische Landeshauptstadt gekommen ist, konnte bislang nicht beantwortet werden. Es wird jedoch vermutet, dass der Psalter noch vor den Klosteraufhebungen unter König Heinrich VIII. von England im Jahr 1538 auf den Kontinent gelangt ist. Ein Exlibris (Besitzzeichen) Herzog Maximilians I. von Bayern (1597–1651) weist die Handschrift bereits im Besitz der Münchner Hofbibliothek nach, der Vorläuferin der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek.

Die Faksimile-Edition des Goldenen Münchner Psalters, der heute in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt wird, erscheint in einer auf 680 Exemplare limitierten Auflage im Quaternio Verlag Luzern: 166 Blatt im Original‧format von 28,5 mal 19,5 Zentimetern mit 90 ganzseitigen Miniaturseiten, 24 Kalendermedaillons sowie goldenem Initialschmuck. Der Kommentarband (Deutsch / Englisch) wird herausgegeben von Nigel J. Morgan (University of Cambridge) und Carolin Schreiber (Bayerische Staatsbibliothek München). Ebenfalls erhältlich ist eine Dokumentationsmappe mit drei Original-Faksimileblättern und 16-seitiger illustrierter Informationsbroschüre.

Quaternio Verlag Luzern

Uwe A. Oster

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Gall|wes|pe  〈f. 19; Zool.〉 meist dunkelgefärbter, kleiner od. winziger Hautflügler aus der Gruppe der Legimmen, die wie die Gallmücken ihre Eier in Pflanzenteile legen, wobei diese Gallen bilden: Cynipidae [→ Galle2 mehr

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