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„Er bringt mein Instrument zum Strahlen“

Faszinierende Figuren: Dorothee Oberlinger über Georg Philipp Telemann

„Er bringt mein Instrument zum Strahlen“
Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft sprechen über historische Gestalten, die sie beeindruckt haben. In dieser Ausgabe: die Flötistin und Dirigentin Dorothee Oberlinger.

Wie sind Sie auf Telemann gestoßen?

Dorothee Oberlinger: Seit meiner Kindheit habe ich die Musik von Telemann gehört und gespielt. Mit sechs oder sieben habe ich die ersten Menuettchen von ihm geflötet. Meine
Eltern besaßen Schallplatten von Frans Brüggen mit Telemann-Sonaten, die liefen bei uns rauf und runter. So ist es ein Gefühl von „zu Hause sein“, wenn ich seine Musik höre.

Sie wurden also nicht von ungefähr „Telemann-Botschafterin“ für 2017 …

Zum Jubiläum seines 250. Todestages, ja. In diesem Jahr jetzt habe ich dann noch den Telemann-Preis bekommen, eine große Überraschung und Ehre.

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Was macht eine Telemann-Botschafterin?

Ich bin durch die Lande gereist, habe an einem Film mitgewirkt, der zum Jubiläum ausgestrahlt wurde. Mich haben viele Journalisten angerufen, und mir ist aufgefallen, dass Telemanns Musik heute immer noch zu wenig bekannt ist.

Wie kommt das?

Zu seiner Zeit war er der berühmteste deutsche Barock-Komponist. Damit war es aber schon kurz nach seinem Tod vorbei. Der Musikgeschmack hatte sich geändert. Lessing hat über Telemann gespottet, dass er textuelle Ideen in Töne fasse. Man hat ihn als Vielschreiber diffamiert, weil sein Œuvre mehr als 3500 Stücke umfasst. Im 19. Jahrhundert hat man Bach wiederentdeckt und als kompositorisch höherstehend eingeordnet, allerdings übersehen, dass Bach in Vielem von Telemann inspiriert war.

Was beeindruckt Sie an Telemann?

Er bringt mein Instrument zum Strahlen, setzt die Flöte wie eine virtuose Geige oder wie eine Primadonna in einer Opernarie ein. Und seine sanglichen Melodien berühren mich. Er folgte dem Bildungsideal der Aufklärung, wollte Musik schreiben, die die Menschen verstehen, und sie ihnen auch pädagogisch nahebringen. Dazu legte er seine Kompositionsprinzipien offen in musiktheoretischen Abhandlungen und Zeitschriften, die er herausgab.

Was unterschied ihn von Bach?

Wenn man Bach eine Nuss in die Hand gibt, wird er so lange daran herumpuhlen, bis der Kern herauskommt. Telemann wird sie so lange polieren, bis sie glänzt. Der Satz stammt von meinem Kollegen, dem Violinisten Reinhard Goebel. Telemann konnte Moden aufgreifen und Musik in die unterschiedlichsten Gewänder kleiden. Er war als echter Europäer offen und neugierig auf das Andere und Fremde, ließ osteuropäische Volksmusik einfließen, das französisch Rhythmische, das gesanglich Italienische, das kontrapunktisch Deutsche, das alles oft in einem Werk multinational verstrickt. Diesen „vermischten Geschmack“ findet man bei Bach oder Händel nicht.

Dorothee Oberlinger geb. 1969, deutsche Flötistin, Dirigentin, Professorin am Salzburger Mozarteum. Spezialisiert auf historische Aufführungspraxis. Seit 2018 Intendantin der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci.

Georg Philipp Telemann (1681–1767), deutscher Komponist. 1706 in Diensten des Herzogs von Sachsen-Eisenach, 1712 Musikdirektor in Frankfurt am Main, 1721 in Hamburg. Seit einem Paris-Aufenthalt 1737/38 auch international anerkannt.

Interview: Dr. Winfried Dolderer

 

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