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Gewalttätig und charismatisch

Benito Mussolini und sein politischer Werdegang

Gewalttätig und charismatisch
Er verabscheute Autoritäten und wollte doch selbst die höchste Autorität sein. Er unterwarf sich den Staat, indem er seiner Neigung zur Gewalttätigkeit freien Lauf ließ. Er konzentrierte die gesamte politische Macht in seiner Person und versuchte, diese Macht mit Hilfe seiner charismatischen Selbstinszenierung aufrechtzuerhalten: der italienische Diktator Benito Mussolini.

Es war alles andere als abzusehen, dass der am 29. Juli 1883 in dem kleinen Dorf Predappio bei Forlì in der Romagna geborene Benito Mussolini in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur der beherrschende Politiker Italiens, sondern auch eine bedrohliche Figur von europäischer Bedeutung werden sollte. Weder entstammte er der schmalen gesellschaftlichen Oberschicht, die das liberale Italien vor dem Ersten Weltkrieg repräsentierte, noch war er in regionale und klientelistische Netzwerke eingebunden, die in dem Land den politischen Aufstieg garantierten. Er entstammte vielmehr einer eher kleinbürgerlich geprägten Familie, die hart um ihren Lebensunterhalt kämpfen musste. Was ihn allerdings früh über diese Lebenswelt herausragen ließ, war zum einen der Ehrgeiz der Mutter, ihm eine durchaus bildungsbürgerliche Erziehung angedeihen zu lassen, so dass Mussolini bis zum 18. Lebensjahr die Schule besuchen konnte. Zum anderen wurde er durch seinen Vater, dem er schon den ungewöhnlichen, der Bewunde‧rung für den mexikanischen Freiheitskämpfer Benito Juárez geschuldeten Vornamen verdankte, frühzeitig politisiert. Dem jungen Mussolini wurde der Geist rebellischer Auflehnung und der Ablehnung jeglicher Autorität vermittelt, der für ihn bestimmend bleiben sollte. Schon als Schüler gewöhnte er sich einen gewalttätigen, vor allem auch gegenüber Frauen rücksichtslosen Lebensstil an, der ihn, als er von 1901 an versuchte, als Lehrer ein Auskommen zu finden, scheitern ließ. Den dadurch sich häufenden persönlichen Schwierigkeiten entzog er sich durch die Flucht in die französische Schweiz und in das österreichische Trient, wo er bis 1909 ein unruhiges Leben führte, das geprägt war von materiellen Entbehrungen einerseits und intellektuellem Heißhunger andererseits.

Im Exil kam er mit marxistischen Theoretikern in Berührung, die ihm den Weg ins Lager eines revolutionären Sozialismus wiesen. Seine sozialistische Gedankenwelt war jedoch in starkem Maß voluntaristisch geprägt, sie war für ihn keine theoretische Vorgabe, sondern diente der nachträglichen Rechtfertigung zuvor getroffener Entscheidungen. Mussolini war kein Ideologe, die politische Theorie war für ihn immer der politischen Praxis nachgelagert. Schon früh war er daher in der Lage, seine politischen Ansichten elastisch zu ändern, wenn ihm das opportun erschien.

Nach der Rückkehr aus dem Exil trat er 1909 in den Partito Socialista Italiano (PSI) ein und machte hier als Journalist und politischer Agitator eine rasante politische Karriere. 1912 übernahm er die Parteizeitung „Avanti!“ als Chefredakteur, womit er de facto Parteiführer war. Entgegen seiner internationalistischen Attitüde unterstützte er nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zunächst die italienische Neutralitätspolitik. Erst im Oktober 1914 schlug er sich in einer seiner plötzlichen politischen Wenden auf die Seite der zum Kriegseintritt auf Seiten Englands und Frankreichs bereiten Nationalisten. Am 15. November 1914 gab er zum ersten Mal die Tageszeitung „Popolo d’Italia“ heraus, die bis 1943 sein politisches Kampforgan bleiben sollte. Er profilierte sich damit als Wortführer eines dezidiert nationalrevolutionären Sozialismus, dessen Durchsetzung er sich als Folgewirkung des Kriegs versprach.

Bei Kriegsende schien er politisch erledigt zu sein, nachdem sich alle seine revolutionären Erwartungen nicht erfüllt hatten. Früher als andere erkannte er jedoch, welches politische Potential die Millionen von entwurzelten Frontkämpfern darstellten. Um sie zu gewinnen, bediente sich Mussolini skrupellos des Slogans vom angeblich „verstümmelten Sieg“ (vittoria mutilata), der italienischen Va‧riante der deutschen Dolchstoßlegende. Am 23. März 1919 gründete er in Mailand die Bewegung der Faschistischen Kampfbünde ( fasci di combattimento), die einen neuen gewalttätigen Stil in die Politik brachten. Während der sozialen Unruhen der ersten Nachkriegsjahre konnte er sich damit als Vorkämpfer gegen einen vermeintlich drohenden kommunistischen Umsturz profilieren und allmählich bei den verunsicherten bürgerlichen Mittelschichten Norditaliens Sympathien gewinnen. Im Winter 1920/21 wurde der Faschismus zur Massenbewegung, als sich die oberitalienischen Landbesitzer auf seine Seite schlugen und den gezielten Terror gegen die sozialistischen, aber auch die katholischen Organisationen auf dem Land unterstützten.

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Je mehr sich der Faschismus ausbreitete, desto mehr drohte die heterogene Bewegung jedoch Mussolini politisch aus dem Ruder zu laufen. Die regionalen Anführer ließen sich von der schwachen Zentrale des Faschismus in Mailand nicht diszipli‧nieren. Sie zerstörten systematisch Parteizentren der Sozialisten und der politisch organisierten Katholiken, misshandelten oder ermordeten sogar deren Mitglieder. Diese blinde Gewalttätigkeit brachte sie zunehmend in Konflikt mit der Polizei und der Justiz, mit deren stillschweigender Unterstützung sie zunächst rechnen konnten. Für Mussolini kam in dieser Situation alles darauf an, sich zwar des Drohpotentials des Provinzfaschismus zu bedienen, jedoch auf legalem Weg an die Macht zu kommen. Er entwickelte deshalb die politische Doppelstrategie, sich einerseits als Führer einer nationalrevolutionären Umsturzbewegung zu präsentieren und andererseits die Integration des Faschismus in das liberale System Italiens zu betreiben. Es war diese riskante Doppelstrategie, die Mussolini an die politische Macht führte und die seine faschistische Führerdiktatur begründen sollte.

Mit dem „Marsch auf Rom“ führte Mussolini diese Strategie zum Erfolg. Der Aufmarsch der faschistischen Kohorten vor den Toren Roms erweckte den Anschein eines bevorstehenden gewaltsamen Putsches. Es handelte sich jedoch um eine propagandistische Inszenierung, welche lediglich eine revolutionäre Aktion simulieren sollte. Mussolini verhandelte ganz konventionell über die Bildung einer Koalitionsregierung. Erst als diese gebildet und sein Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten beim König durchgesetzt war, ließ er seine nur schlecht bewaffneten Parteisoldaten in Rom einmarschieren.

Am 16. November 1922 gab Mussolini im Parlament seine erste Regierungserklärung ab. Diese enthielt nur wenige substantielle Details, wurde jedoch in einem provozierenden Ton vorgetragen. Unmissverständlich ließ Mussolini die Abgeordneten wissen, was er eigentlich vom parlamentarischen Regierungssystem hielt. Als Ministerpräsident stehe er im Parla‧ment, „um in höchstem Maße die Revolution der Schwarzhemden zu verteidigen und auszuweiten“. Unter Verweis auf angeblich 30000 bewaffnete faschistische Parteisoldaten setzte er noch eins darauf und drohte dem Parlament ganz unverblümt: „Ich hätte aus dieser grauen Aula ein Biwak für meine Milizen machen können, ich hätte das Parlament zumachen und eine Regierung ausschließlich aus Faschisten bilden können, ich hätte, aber ich habe es, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, nicht gewollt.“ …

Literatur: Wolfgang Schieder, Der italienische Faschismus 1919 –1945. München 2010.

Prof. Dr. Wolfgang Schieder

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