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Hannover in dankbarster Erinnerung

Auf den Spuren von Benjamin Franklin in Deutschland

Hannover in dankbarster Erinnerung
Im Sommer 1766 bereiste der vor 300 Jahren geborene amerikanische Wissenschaftler und Staatsmann Benjamin Franklin Deutschland – ein heute nahezu unbekanntes Kapitel seiner erstaunlichen Lebensgeschichte.

Anfang 1766 wurde Benjamin Franklin (1706–1790), der Erfinder des Blitzableiters, dessen bahnbrechende Forschungen auf dem Gebiet der Elektrizität schon zu Beginn der 1750er Jahre weltweit für Furore gesorgt hatten, gleichsam über Nacht auch als Politiker berühmt: Als amerikanischer Naturwissenschaftler, der in dem Ruf stand, stets sachlich, geradlinig und vernunftbetont zu handeln, sollte er am 13. Februar 1766 vor dem britischen Unterhaus aussagen, ob der nach dem Siebenjährigen Krieg auf 133 Millionen Pfund gekletterte Schuldenberg Großbritanniens durch eine von Westminster vorgenommene einseitige Besteuerung der britischen Kolonien Nordamerikas in nennenswerter Weise abgebaut werden könne. Da Franklin vor den versammelten Abgeordneten überzeugend darzulegen wußte, daß die amerikanischen Kolonisten „nicht von einem Parlament mit Steuern belegt werden“ könnten, in dem sie „nicht repräsentiert“ seien, verwarf die britische Regierung im März alle Gesetzesvorhaben, die darauf abzielten, die Amerikaner gegen ihren Willen zu besteuern. Als zwei Monate später die Nachricht über Franklins Verhandlungserfolg in Amerika eintraf, dankte ihm der pennsylvanische Politiker Joseph Galloway im Namen aller amerikanischen Mitbürger überschwenglich für seinen Einsatz und fügte hinzu, daß ihm zu Ehren in Philadelphia am 21. Mai „die ganze Stadt illuminiert“ worden sei.

Weder der enthusiastische Galloway noch Franklin, noch sonst ein Politiker des britischen Empire ahnte in diesen hoffnungsfrohen Frühlingstagen des Jahres 1766, daß der äußere Schein trog. Denn die Mehrheit im britischen Parlament, die sich gegen eine Besteuerung der Amerikaner aussprach, sollte sich als flüchtige Koalition erweisen. Nur ein Jahr später würde der neue Finanzminister Charles Townshend dem Parlament vorschlagen, die nordamerikanischen Kolonien mit neuen Steuern zu belegen; nur sieben Jahre später würden die Amerikaner aus Zorn über immer neue Steuerforderungen des britischen Parlaments eine Rebellion gegen das Mutterland anzetteln; und nur zehn Jahre später würde Benjamin Franklin – vollkommen desillusioniert von der kurzsichtigen Politik der britischen Regierung – mit Thomas Jefferson die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika formulieren. Hätte jemand Franklin 1766 dieses Szenario vorhergesagt, er wäre von ihm als Phantast abgetan worden. Statt dessen war Franklin einstweilen von der Überzeugung durchdrungen, daß die zwischenzeitlich bedrohte „Harmonie“ zwischen Großbritannien und Nordamerika nun dauerhaft „wiederhergestellt“ sei.

Franklin war in London ein überaus gesuchter Gesprächspartner für all jene Politiker und Kaufleute, die möglichst genaue Informationen über die Gedanken- und Lebenswelt der Nordamerikaner einholen wollten. Doch zugleich strengten ihn die Honneurs, die er seinen Gästen beinahe täglich erweisen mußte, auch außerordentlich an. Am 28. April 1766 äußerte er gegenüber seinem Cousin Jonathan Williams, daß seine Zeit in London wegen des großen Interesses an „amerikanischen Dingen“ auf eine „ganz außergewöhnliche Weise beansprucht“ werde. Als Franklins Arbeitspensum im Juni gleichbleibend hoch blieb, faßte er den Entschluß, sich für eine Weile aus dem öffentlichen Leben Londons zurückzuziehen, da ihn sein Gesundheitszustand, der durch die Anstrengungen der letzten Monate spürbar beeinträchtigt worden war, beunruhigte. Er hielt es für dringend erforderlich, eine Sommerreise zu unternehmen: „Eine kleine sechs- bis achtwöchige Tour“, teilte der bereits 60jährige Franklin einem amerikanischen Freund mit, scheine ihm zur völligen Wiederherstellung seines körperlichen Wohlbefindens angemessen zu sein.

Das Land, das er bereisen wollte, war Deutschland, das Kernland des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Zwar war dieses Reich kein so gigantisches politisches Gebilde wie das britische Weltreich. Auch unterhielt es, anders als Großbritannien, keine eigenen Kolonien. Doch ein veritables Reich war es, noch dazu eines der ältesten und ehrwürdigsten Europas, dessen Haupt sich immerhin „Römischer Kaiser“ nennen durfte. Viele seiner Städte waren einen längeren Aufenthalt wert, und seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges herrschte in allen Teilen des Reiches, wie auch im übrigen Europa, wohltuender Frieden. „Der König von Preußen [Friedrich II., der Große]“, freute sich Franklin, „scheint eher darauf bedacht, die Schäden des letzten Krieges zu beheben, als neue Zerstörungen vorzubereiten, so daß wir aus guten Gründen eine Ruhezeit von einiger Dauer erwarten dürfen“.

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Dr. Jürgen Overhoff

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