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Heiliger oder Gewaltherrscher

Kaiser Heinrich II.

Heiliger oder Gewaltherrscher
Vor 1000 Jahren gelangte Heinrich II. auf den Thron des Reiches. Als heiliger König hat er sich der Erinnerung eingeprägt, und unter die Heiligen wurde er in der Tat 1146 aufgenommen. Bis heute wird sein Fest in Bamberg groß gefeiert. Aber er galt auch als „Gewaltherrscher“, der dem Volk keine Gerechtigkeit widerfahren ließ. Ein Herrscher mit zwei Gesichtern?

Am 7. Juli 1005, etwa drei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt, machte Heinrich II. dem Adalbertstift in Aachen eine Schenkung. In der darüber ausgestellten Urkunde beschrieb er seine königliche Verantwortung: „Im reich gefüllten Haus Gottes sind wir, so ist uns bewußt, die obersten Verwalter. Wenn wir die Verwaltung getreu ausüben, werden wir selig werden und, indem wir in die Freuden des Herrn eingehen, dessen Güter besitzen. Wenn wir aber untreu sind, dann werden wir in die Folterkammer hinabgestoßen und bis zum letzten Glied gefoltert werden.“ Der König wird mit dem Verwalter im Evangelium verglichen, dem der Herr sein Geld anvertraut (Matthäus 24,49). Wenn er die Talente vermehrt, winken ihm die himmlischen Freuden. Andernfalls wird er in die Dunkelheit der ewigen Verdammnis verwiesen, wo es Heulen und Zähneklappern gibt. So würde es auch dem König ergehen, wenn er das „Haus Gottes“ nicht ordentlich verwalte. Gott selbst also war sein Vorgesetzter. Ihm hatte er dereinst Rechenschaft abzulegen über seine Königsherrschaft.

Heinrich II. war erfüllt von seinem göttlichen Auftrag, und seine gesamte Rolle im Ordnungsgefüge des Reiches war davon bestimmt. Er stand nicht einem Staatswesen vor, sondern war Oberhaupt einer übergreifenden Gemeinschaft, in der sich die Menschen nach den Vorgaben der Kirche (ecclesia) einzurichten suchten.

Durch die göttliche Beauftragung war es die Aufgabe des Königs, diejenigen, die in der irdischen Gemeinschaft eine leitende Funktion auszuüben hatten, im Sinne eines heilbringenden Zusammenwirkens zu stärken oder anzuleiten und den göttlichen Geboten zur Durchsetzung zu verhelfen. Die politische Ordnung war also darauf ausgerichtet, etwas Umfassenderes zu regeln und zu lenken als ein „Staatswesen“. In diesem Sinne war der König „Mittler zwischen Kirche und Welt“, wie es im Ordo, dem liturgischen Formelbuch, für die Königskrönung heißt.

Schon vor seiner Königszeit hatte Heinrich als Herzog von Bayern seine Herrschaft ganz in den Dienst Gottes gestellt. Als er 995 von seinem Vater, Heinrich dem Zänker, das bayerische Herzogtum übernahm, verfolgte er konsequent das Ziel einer kirchlichen und klösterlichen Reform. Dafür war er am Hof seines Vaters in Regensburg bestens vorbereitet worden. Regensburg stellte im Reich dieser Zeit den einzigen Ort dar, den man als Hauptstadt ansprechen könnte. Die karolingischen Herrscher hatten hier ihre Pfalzen errichtet, und um das Jahr 1000 war die Zentralfunktion dieser Stadt so gewichtig, daß alle Bischöfe und mächtigen Adelshäuser Bayerns hier einen Hof unterhielten.

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In Regensburg hatte sich gegen Ende des 10. Jahrhunderts ein kirchlich-monastisches Reformzentrum von ungewöhnlicher Wirkung herausgebildet. Von ihm wurde auch der junge Herzog zutiefst geprägt. Heinrich, 973 geboren, war in seinen ganz frühen Jahren bei Bischof Abraham, einem Freund der Herzogsfamilie, an der Domkirche von Freising aufgezogen und unterrichtet worden. Auch in Hildesheim wird er später manches in den theologischen Wissenschaften gelernt haben. Aber entscheidend beeinflußt wurde er in Regensburg. Dorthin kam er um 985, im Alter von etwa 12 Jahren, und wurde dem berühmten Bischof Wolfgang von Regensburg anvertraut. Wolfgang spielte für Regensburg eine äußerst wichtige Rolle. Er baute die dortige Kirche völlig um, so könnte man sagen. Insbesondere kam es ihm darauf an, Mönche und Kleriker voneinander zu trennen, um die Mönche ganz auf ihr gottgeweihtes, vollkommenes Lebensideal zu konzentrieren. Dieses Mönchsideal höchster Frömmigkeit war vom lothringischen Kloster Gorze ausgegangen; Wolfgang hatte es in Trier kennengelernt, wo es sich im Kloster St. Maximin zu besonderer Blüte entfaltet hatte. Aus diesem Kloster ließ der Bischof einen alten Bekannten nach Regensburg nachkommen: Ramwold, der 974 als erster Abt die Leitung des reformierten Klosters St. Emmeram in Regensburg übernahm. Damit wurde die Trierer Ausformung der frömmsten Lebensweise, die man im Reich damals antreffen konnte, nach Regensburg verpflanzt, in das Zentrum des königlichen Herzogs von Bayern.

Mit Ramwold begann der Aufstieg St. Emmerams zu einem ungemein wirkkräftigen Reformzentrum für ganz Bayern. Der Abt ließ das Kloster ausbauen und mit einer neuen Krypta versehen, die in Entsprechung zu den fünf Büchern Mose mit fünf Altären ausgestattet war. Er führte eine musterhafte Lebensordnung ein, die von den Adligen Bayerns so bewundert wurde, daß sie das Kloster reich beschenkten und, wie etwa die Aribonen, ihre eigenen Klöster nach dem Vorbild von St. Emmeram ausrichteten. Das Scriptorium von St. Emmeram wurde bestens ausgestattet und konnte beginnen, prächtige liturgische Bücher herzustellen. Auch die anderen Klöster Regensburgs wurden Schritt um Schritt der Reform angeschlossen, wobei die größte Unterstützung, wie wir aus der Vita des Bischofs Wolfgang erfahren, vom Herzogshof selbst ausging. Inmitten dieser reformreligiös aufgeladenen Atmosphäre wuchs Heinrich auf. Überall in Regensburg, an der Bischofsschule wie am Herzogshof, in St. Emmeram und im herzoglichen Hauskloster, dem Stift Niedermünster, war der heranwachsende Heinrich davon umgeben. Seine Liebe zu Abt Ramwold soll so groß gewesen sein, daß er bei dessen Begräbnis im Juni 1000 die Bahre auf seinen eigenen Schultern mitgetragen haben soll. Den Schlüssel zu Ramwolds Grab in der Moses-Krypta von St. Emmeram habe er an sich genommen und auch in seiner Königszeit stets bei sich getragen „wie ein Wahrzeichen des Sieges“. Der Schlüssel zu Ramwold war für ihn der Schlüssel zu Christus und zum ewigen Heil.

Von dieser Idee war er geleitet, als er, der neue Herzog, seit 995 die Klöster im Herzogtum Bayern der Reform unterwarf. Wenn er, wie im Fall von Niederalteich an der Donau, auf Widerstand stieß, war er zutiefst beunruhigt. Dies bedeutete für ihn größte Gefahr für das Seelenheil, denn, so soll er gesagt haben, man befinde sich am Ende der Zeiten. Ganz offenbar leitete ihn eine besondere Naherwartung des Jüngsten Gerichts, auf das man sich nur mit möglichst strenger Beachtung der Gebote Gottes vorbereiten konnte…

Prof. Dr. Stefan Weinfurter

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