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Held oder Unhold?

Essay

Held oder Unhold?
An Homers Achilleus scheinen sich die Geister zu scheiden. Den einen gilt er als schöner und edler Jüngling bzw. strahlender Held, die anderen sehen in ihm den Wüstling und hemmungslosen Männervernichter.

Das aufsehenerregende Buch Raoul Schrotts, „Homers Heimat“, und die Diskussion desselben in den Medien haben ein großes Lesepublikum auf die – wirkliche oder vermeintliche – Mehrdeutigkeit einer heldischen Natur aufmerksam gemacht. Damit verbunden ist wieder einmal die ethische Frage gestellt und sogar das heikle Problem einer Differenzierung von orientalischer und abendländischer Tradition gestreift worden. Hat Homer in dem 16000 Hexameter langen, nur acht Handlungstage des letzten Troia-Kriegsjahres beschreibenden Epos vom Zorn des Achill in Gestalt seines Ersten Helden ein ethisches Paradigma geschaffen, das begriffsbildend in alle Zeit wirkt? Oder irren die Handlungen dieses Achill schlicht ziellos mal in die eine, mal in die andere Richtung ab?

Die homerische Gesellschaft ist eine aristokratische, in ihr herrschen die aristoi, die Besten. Höchster Wert ist die Ehre: „Immer Bester zu sein und hervorzuragen aus den anderen“, besser also zu sein als die Besten, darauf verpflichtet der greise Peleus seinen Sohn Achill. Die Besten der Besten sind die Könige, die Homer denn auch göttergleich nennt. Damit wird abschätzbar, als wie verhängnisvoll und unverzeihlich die Ehrverletzung eines Besten gewertet werden muss; das Gefüge seiner Herrschaft geriete in Gefahr. Eine Schmach darf also nicht hingenommen werden. Schmach aber ist es, was Achill zweimal erleidet.

Die erste Zumutung: Ein Gott hat Agamemnon gezwungen, dessen Beutefrau herauszugeben, und dieser beansprucht nun vermöge seines Rangs die Beutefrau des Ersten Helden (Achills). Der zieht seine Gefolgsleute vom Schlachtfeld zurück und verweigert sich dem weiteren Kampf, wodurch das Heer der Griechen an den Rand der Niederlage gerät. Die zweite Zumutung steigert Achills Schmach ins Äußerste: Er verliert seinen Patroklos, den engsten Freund, dem er auf dessen Bitte und in letzter Not die Teilnahme an der Schlacht erlaubt hat. In Achills Rüstung und mit Achills Streitwagen wird er im Kampf vom Ersten Helden der Feinde getötet. Wieder erwächst in Achill der Rachezorn, unermesslich jetzt wie seine Trauer. Fortan ist sein Sinnen nur noch Töten.

Was sich da in der Seele des Helden ereignet, gibt der Dichter auf seine Weise zu erkennen. 18 der 24 Gesänge handeln von den vier Tagen, die zwischen dem Aufflammen des Zornes Achills und dessen Sänftigung liegen. An der entscheidenden letzten Schlacht nehmen die Götter teil, jeder für seinen Günstling. Vier von ihnen sind Achill offen zugetan: Athene, verständnisvoll mäßigend; die göttliche Mutter Thetis, liebend und um seine Ehre besorgt; Zeus, den Zweikampfsieg gegen Hektor gewährend; Apollon, tadelnd zwar und dem Übermaß der Rache wehrend, gewährt ihm das Prädikat edel. Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass der archaische, der homerische Mensch, nicht-psychologisierend, den Ursprung jeder das menschliche Normalmaß übersteigenden Handlung nicht in der Seele oder im Geist des Handelnden findet, sondern beim Gott…

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Prof. Dr. Manfred Lossau

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