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Herrscher im liberalen Musterland

Großherzog Friedrich I. von Baden

Herrscher im liberalen Musterland
In der langen Herrschaft Großherzog Friedrichs I. wurde Baden zum liberalen Musterland. Außenpolitisch orientierte sich das Großherzogtum eng an Preußen. Vehement setzte sich Friedrich I. 1870/71 für die Gründung des deutschen Kaiserreichs ein. Ein Beitrag zum großen Jubiläum „900 Jahre Baden“.

Die allmähliche Etablierung moderner Verfassungsordnungen in den meisten deutschen Staaten veränderte im Lauf des 19. Jahrhunderts auch die Anforderungen an die Monarchen. Das Gros der Fürsten zeigte sich der Aufgabe, konstitutionell zu herrschen, kaum gewachsen: Von einigen bornierten Reaktionären abgesehen, akzeptierten sie zwar die Beschränkungen der eigenen Machtstellung mit mehr oder minder ausgeprägtem Widerwillen, unternahmen aber selbst wenig, um den in den Verfassungen angelegten Antagonismus von monarchischem Prinzip und dem Grundsatz der Volkssouveränität zu bewältigen. Neben den Kriegs- und Bauherren, den Kunstfreunden und Mäzenen sowie den Anhängern der Illusion eines Gottesgnadentums, die das Pan-optikum des deutschen Fürstenstands im letzten Jahrhundert seiner Existenz prägten, gab es aber auch eine kleine Gruppe politisch talentierter Monarchen, die die Umbrüche ihrer Epoche nicht als Menetekel, sondern als Chance betrachteten, die eigene Herrschaft auf ein neues Fundament zu stellen. Ein markanter Repräsentant dieser fürstlichen Minderheit war der badische Großherzog Friedrich I., der mehr als ein halbes Jahrhundert (1852–1907) regierte und maßgeblich dazu beitrug, dass sich Baden den Ruf eines liberalen Musterlands erwarb.

Die Integrationsleistung, die Friedrich I. als Herrscher erbrachte, ist umso höher einzuschätzen, als die Ausgangssituation bei seinem Regierungsantritt überaus schwierig war: Baden war im Gefolge der französischen Revolutionskriege um ein Vielfaches gewachsen, und seinen Vorgängern auf dem Großherzogsthron war es nicht geglückt, den inneren Zusammenhalt des Landes nachhaltig zu festigen. Die moderne Verfassung, die 1818 nicht zuletzt zu diesem Zweck eingeführt worden war, hatten weder sein Onkel Ludwig I. (1818–1830) noch sein Vater Leopold I. (1830–1852) zu nutzen verstanden. Im Gegenteil hatten beide – Ludwig durch eine konse‧quente Reaktionspolitik und Leopold durch sein Schwanken zwischen Konservativismus und Liberalismus – zu einer politischen Polarisierung beigetragen, die in der Revolution 1849 die Stellung der badischen Krone schwer erschütterte: Leopold floh als einziger deutscher Monarch vor den Revolutionären außer Landes und konnte erst drei Monate später unter dem Geleitschutz preußischer Truppen in seine Residenz zurückkehren. Dies beschädigte die dynastische Legitimität des regierenden Hauses, auf der ohnehin schon ein Schatten lag: Leopold nämlich war als Sohn aus der zweiten, unebenbürtigen Ehe Großherzog Karl Friedrichs der erste Herrscher der Hochberger Linie der Familie, die sich seit dem mythenumrankten Aufstieg Kaspar Hausers zu europaweiter Popularität mit dem Gerücht konfrontiert sah, ihre Thronfolgeansprüche durch Kindesraub gesichert zu haben.

Als zweiter Sohn aus der Ehe Leopolds mit der schwedischen Prinzessin Sophie war der 1826 geborene Friedrich ursprünglich nicht zur Thronfolge bestimmt gewesen, bereitete sich aber seit der Mitte der 1840er Jahre auf die Übernahme der Regierung vor, da sein zwei Jahre älterer Bruder infolge einer chronischen psychischen Erkrankung hierzu nicht in der Lage zu sein schien. Seine Ausbildung für den Herrscherberuf unterschied sich nicht wesentlich von den üblichen Karrierestationen seiner Standesgenossen: Er erhielt zunächst Privatunterricht, trat als 15-jähriger Leutnant in das badische Heer ein und betrieb militärische Studien in Wien, bevor er 1843 für vier Semester die Universität Heidelberg bezog. Den Studien scheint er, anders als für fürstliche Studenten dieser Zeit üblich, durchaus mit Ernst und Eifer nachgegangen zu sein, woran der junge Privatdozent der Geschichte Ludwig Häusser großen Anteil hatte, der als sein Tutor fungierte. Zugang zu modernem liberalem und nationalem Gedankengut erhielt Friedrich auch an seinem zweiten Studienort Bonn durch den Staatsrechtlehrer Friedrich Christoph Dahlmann.

Anstatt sich in ruhigen Zeiten mit politischen Fingerübungen wie der Teilnahme an Sitzungen der Ersten Kammer des badischen Landtags oder mit kleineren diplomatischen Missionen zu erproben, wurde Friedrich nach dem Abschluss seiner Studien mit dem Ernst der Revolution konfrontiert. Im August 1848 begleitete er badische Truppen auf den schleswigschen Kriegsschauplatz, konnte sich aber wegen des unmittelbar darauf abgeschlossenen preußisch-dänischen Waffenstillstands nicht im Feld bewähren. In den folgenden Monaten unternahm er mehrere Reisen, unter anderem nach Wien, um dem jungen Kaiser Franz Joseph aufzuwarten, und nutzte die Gelegenheit zu Gesprächen über die drängenden Zeitfragen. Klare Positionen bezog er dabei nicht, auch wenn er dem kleindeutschen Reichsgründungsversuch der Paulskirche mit erheblichem Misstrauen begegnete. So wenig er sich als Liberaler profilierte, war er doch kein Reaktionär, obwohl manche, die mit der Konzessionspolitik seines Vaters gegenüber dem gemäßigten Flügel der badischen Revolutionäre unzufrieden waren, ihn als Projektionsfläche für ihre gegenrevolutionären Hoffnungen nutzten. In diesen Kontext gehört auch der nach der Flucht der großherzoglichen Familie im Mai 1849 kurzzeitig erwogene Plan, Friedrich solle im Markgräfler Land die loyalen Badener um sich sammeln und gegen die Revolutionstruppen führen…

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Literatur: Frank Engehausen, Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden. 1806 –1918. Karlsruhe 2005.

Baden! 900 Jahre. Geschichten eines Landes Badisches Landesmuseum, Karlsruhe 16. Juni – 11. November 2012

In anschaulichen „Geschichten“ erzählt die Große Landesausstellung von entscheidenden Ereignissen und Persönlichkeiten. Inszenierungen von mittelalterlichen Burgen und die Urkunde, in der Baden 1112 erstmals erwähnt wurde, zeugen von den Anfängen des Landes. Der Besucher begegnet berühmten Markgrafen wie dem Karlsruher Stadtgründer Karl Wilhelm oder dem legendären „Türkenlouis“. Napoleon I. steht für den großen Einfluss, den das Nachbarland Frankreich auf die zum Großherzogtum erhobene Markgrafschaft ausgeübt hat. Präsentiert werden aber auch Innovationen aus Technik und Wissenschaft wie die Rheinbegradigung oder der Eisenbahnbau.

Bedeutende Erfinder, Literaten und Künstler lassen sich in der Ausstellung gleichfalls entdecken. Carl Benz zum Beispiel erfand in Baden das Automobil, der Schriftsteller Hermann Hesse verbrachte wichtige Jahre seines Lebens am Bodensee. Die Ausstellung zeigt außerdem, was das populäre Bild von Baden ausmacht. Hierher gehören der badische Wein, der Bollenhut oder das „Badnerlied“.

Die Ausstellung wird von einem reichillustrierten Katalog begleitet.

Neben der Großen Landesausstellung finden im Jubiläumsjahr noch zahlreiche weitere Ausstellungen, Vorträge, Konzerte und Führungen usw. statt.

Baden – Die schönste Region in Süddeutschland

Prof. Dr. Frank Engehausen

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