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Hoffen auf Ruhm und materiellen Gewinn

Das ritterliche Turnier

Hoffen auf Ruhm und materiellen Gewinn
Von der Kirche lange mit Verboten belegt, wurden die Turniere dennoch zu einem wichtigen Element der ritterlichen Kultur. Dabei traten ursprünglich nicht zwei Ritter gegeneinander an, sondern ganze, mitunter mehrere 100 Mann starke Formationen.

Die hohen Herren wurden ungeduldig: Schon seit zehn Tagen waren Fürsten und Bischöfe mit zahlreichem Gefolge in der Kärntner Stadt Friesach versammelt, ohne daß die Friedensverhandlungen zwischen zwei verfeindeten Fürsten, die man voranbringen wollte, auch nur begonnen hatten. Statt dessen bestimmten vor allem die ritterlichen Gefolgsleute der Herren und andere, die aus eigener Initiative angereist waren, die Tagesordnung – und auf der stand vom Morgen bis in den Abend nur eines: der ritterliche Zweikampf. Das erzählt jedenfalls der turnierbegeisterte Adlige und Dichter Ulrich von Liechtenstein. Beständig suchten die Ritter nach Gegnern, mit denen sie sich messen konnten. Auch wenn mancher, vom Pferd gestochen oder von Schwerthieben zermürbt, in den Nächten die Wunden pflegen mußte, so ging es doch bei Tag munter weiter. Der Herzog von Österreich, Initiator des Fürstentreffens, wußte schließlich nur einen Ausweg: ein offizielles Turnier wurde ausgerufen, um der Kampfbegierde der Ritter ein Ziel zu setzen.

Ursprünglich stürmten beim ritterlichen Turnier zwei Gruppen im geschlossener Reiterformation aufeinander los. Das erforderte Disziplin, und deshalb bereitete die Ausrufung des Turniers dem regellosen Treiben, das die Ritter in Friesach in Atem gehalten hatte, ein Ende. Jetzt fanden alle wieder im Gefolge ihrer fürstlichen Herren zusammen; die einzelnen anwesenden Ritter wurden auf zwei Turnierparteien verteilt. In Friesach sollen es jeweils 300 Mann gewesen sein, die gegeneinander antraten. Auf offenem Feld stürmten die Reiter los. Das erste Ziel war es, die gegnerische Formation durch die Wucht des eigenen Ansturms zurückzudrängen und nach Möglichkeit aufzulösen. Mitunter gelang es, die Reihen der Gegner zu durchbrechen, dann geschlossen umzukehren und erneut gegen die noch nicht wieder geordnete gegnerische Formation anzureiten. Bei diesen Manövern kam es darauf an, die eigene Formation zu halten und exakt den Kommandos der jeweiligen Anführer zu folgen.

Das regelrechte Turnier demonstrierte also vor allem, was auch beim Kampfeinsatz die eigentliche militärische Stärke der europäischen Ritterheere darstellte: die Wucht einer geschlossen anstürmenden Reiterformation. Auf diese Weise konnten vor allem die gepanzerten Heere der Kreuzritter immer wieder Erfolge gegen zahlenmäßig überlegene türkische oder arabische Aufgebote erzielen. Die hochmittelalterlichen Turniere sind deshalb entstanden, als sich in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die besondere Kampfweise der gepanzerten Reiterformationen mit ihren überlangen, im Ansturm fest unter dem Arm gehaltenen Lanzen herausbildete. Diese Kampftechnik bedurfte der Übung, und solche militärische Ausbildung dürften eine wesentliche Wurzel des Turnierwesens dargestellt haben. Nur die neue Technik des Reiterkampfes unterschied zunächst solche Übungen von älteren Schaukämpfen oder Vorführungen der Reiterei, die auch schon für die Karolingerzeit belegt sind. Neu war auch nicht, daß man sich über die militärische Übung hinaus zum Vergnügen an den Waffen übte; das hatte immer schon zu den standesgemäßen Beschäftigungen mittelalterlicher Adeliger gehört. Das Turnier wurde jetzt aber zu einem wesentlichen Element der ritterlich–höfischen Kultur, bot es doch allen sozialen Gruppen, die sich ritterliche Vorstellungen und Normen zu eigen machten, die Möglichkeit, vor den Standesgenossen oder vor einer größeren Öffentlichkeit ritterliche Fertigkeiten und Tugenden zu bewähren.

Wie andere Elemente der ritterlich-höfischen Kultur entwickelte sich das Turnierwesen in Frankreich, auch wenn die Überlieferung, die uns sogar den Namen eines „Erfinders“ (Gottfried von Preuilly) und ein dazugehörendes Datum (1062) nennt, wohl in den Bereich der Legende gehört. Schon nach kurzer Zeit hatte die Turnierbegeisterung auch in den Nachbarländern Einzug gehalten; in Deutschland wird erstmals für das Jahr 1127 von einem Turnier berichtet. Wie der zeitgenössische Chronist Otto von Freising erzählt, haben die beiden Staufer Friedrich II. Herzog von Schwaben, und Konrad, der spätere König, damals vor den Mauern der Stadt Würzburg ein „turnoimentum“ abgehalten; der Begriff war um die Mitte des 12. Jahrhunderts offenbar noch so neu, daß Otto ihn eigens erläutert. Die Staufer taten das allerdings nicht zur Unterhaltung der Würzburger; vielmehr belagerten sie gerade die Stadt, und weil man offenbar militärisch nichts ausrichten konnte, wurde den Belagerten auf diese Weise wenigstens die Kampftüchtigkeit der eigenen Truppen vorgeführt. Das diente wohl auch dazu, die eigenen Ritter während solcher ereignislosen, langweiligen Belagerungsarbeiten bei Laune zu halten.

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Turniere im eigentlichen Sinn waren aber solche, die im friedlichen Rahmen, etwa bei einem königlichen bzw. fürstlichen Hoftag oder einem höfischen Fest veranstaltet und zu denen Teilnehmer von überall her geladen wurden. Aus der Zeit des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa ist uns ein kaiserliches Turnier bezeugt, das als Höhepunkt eines glanzvollen Festes geplant war, aber gar nicht zur Durchführung kam. Beim Mainzer Hoftag des Jahres 1184, in dessen Mittelpunkt die Schwertleite der beiden jüngsten Kaisersöhne stand, kam eine große Zahl fürstlicher Herren mit ihrem ritterlichen Gefolge zusammen. 20.000 Ritter präsentierten sich damals bei einem festlichen Schaureiten, bei dem man ohne Harnisch und Waffen die Beherrschung ritterlicher Reitkunst vorführte und die Schilde vorzeigte. Sogar der Kaiser tat sich bei dieser Gelegenheit als Ritter hervor, oder besser gesagt: man ließ ihn gemäß seinem Rang als Ritter glänzen, obwohl er, wie Gislebert von Mons, ein Teilnehmer und Chronist des Hoftages, bemerkt, „weder größer noch schöner als die übrigen“ war. Das glanzvolle Fest wurde empfindlich beeinträchtigt, als ein Teil der vor Mainz aufgestellten Zelte der Teilnehmer durch einen Sturm zerstört wurde. Wahrscheinlich verzichtete man dann auch wegen des Unwetters auf das zum Abschluß vorgesehene Turnier…

Prächtiges Turnierbuch Das von einem anonymen Autor verfaßte, reich illustrierte Turnierbuch für René d’Anjou vermittelt das eindrucksvolle Bild eines Turniers, zu dem der Herzog von Anjou 1446 die Elite des französischen Hochadels auf sein an der Loire gelegenes Schloß Saumur eingeladen hatte. Mehr als 90 Ritter nahmen daran teil. Der Band enthält neben Beschreibungen der Akteure und ihrer Ausrüstung auch Aussagen zur Bedeutung des Turniers für die zeitgenössische Reitergesellschaft. Der mit dem Faksimile erhältliche Kommentarband enthält unter anderem eine vollständige Transkription des altfranzösischen Originaltextes.

Dr. Ludger Körntgen

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