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Im Bann des „Wahren Kreuzes“

Reliquien und Reliquiare im Zeitalter der Kreuzzüge

Im Bann des „Wahren Kreuzes“
Segensandenken aus dem Heiligen Land, wie Wasser aus dem Jordan oder Heiliges Öl, waren für mittelalterliche Pilger keine bloßen Mitbringsel. Sie hofften, daß ihre Kraft auch in der Heimat wirksam sein möge. Höchste Verehrung kam den Reliquien zu, die in unmittelbarer Verbindung zu Christus standen – etwa das Heilige Kreuz, von dem immer mehr Partikel ins Abendland kamen.

Heiligen- und Reliquienverehrung nahmen im christlichen Europa des Hoch- und Spätmittelalters eine bedeutende Stellung ein. Dies lag nicht zuletzt darin begründet, daß herausragenden Individuen die Fähigkeit zugesprochen wurde, nach ihrem Tod vor Gott zum Wohl einzelner einzutreten, zu intervenieren. Die Sorge um die eigene Sündhaftigkeit und um das Seelenheil bedingte also in nicht geringem Maße den Heiligenkult und damit auch das Pilgerwesen. Denn manche Gebeine oder Körperteile von Heiligen besaßen als Reliquien besondere Attraktivität und erlangten über den lokalen oder regionalen Rahmen hinaus Anziehungskraft.

Im christlichen Europa entstand vor diesem Hintergrund ein Netz von Pilgerzentren, das jedoch Verdichtungszonen und Schwerpunkte aufwies. Europaweite Bedeutung erlangten vor allem drei Orte: Rom, Santiago de Compostela auf der Iberischen Halbinsel und Jerusalem. Rom genoß als Sitz des Papstes, Ort des Martyriums vieler Christen und nicht zuletzt als letzte Ruhestätte der Apostelfürsten Petrus und Paulus eine besondere Attraktivität. Santiago de Compostela zeichnete zum einen der dort verehrte Leichnam des heiligen Jakobus Zebedäus aus; zum anderen galt es als eine besondere Form der Läuterung, die lange Strecke dorthin zurückgelegt zu haben. Letzteres konnte man zweifelsohne auch von Palästina sagen. Was dieses Gebiet in den Augen der Christen aber vor allen anderen auszeichnete, war seine unmittelbare Beziehung zur biblischen Heilsgeschichte. Hier hatten sich die Ereignisse zugetragen, die den Gläubigen aus der Heiligen Schrift bekannt waren. Das Land selbst war dadurch geheiligt, daher wurde es schon früh mit dem Begriff der loca sancta, der heiligen Orte, versehen, wogegen der heute geläufige Terminus des „Heiligen Landes“, der terra sancta, erst verhältnismäßig spät in den Quellen erscheint.

Die Zahl der Pilgerstätten in Palästina war folglich besonders groß. Das wichtigste Ziel der Christen war stets das Grab Christi in der Jerusalemer Grabeskirche. Noch heute sind dort die eingeritzten Graffiti der mittelalterlichen Pilger zu sehen, wäh?rend die Kreuze, die sie am Berg Golgatha abzulegen pflegten, längst verschwunden sind. In und in der Nähe der Heiligen Stadt konnte man zudem viele Stätten des Alten Testaments wie etwa den Ort des Salomonischen Tempels oder den Davidsturm besuchen. Unzählbar waren die Bezüge zum Neuen Testament: Gethsemane, wo Jesus gefangengenommen wurde; der Kreuzweg zum Kalvarienberg; der Berg Sion, wo Maria gestorben ist und sich das Pfingstwunder ereignete. Diese und viele anderen Orte konnten unmittelbar besucht werden. Nicht zu sprechen von den heiligen Stätten Judäas, Samarias und Galiläas wie Bethlehem mit der Geburtskirche, Nazareth mit der Verkündigungskirche, Hebron mit dem Grab Abrahams usw. Auf Schritt und Tritt wurde der Pilger daran erinnert, daß er sich an Stätten befand, an denen Christus selbst einst gestanden hatte.

Von der Mitte des 11. Jahrhunderts an läßt sich – vielleicht ausgelöst durch das Millennium der Passion Christi – eine Zunahme der westlichen Pilgerreisen ins Heilige Land beobachten. Berühmt ist der große Pilgerzug, den im Jahr 1064 Bischof Günther von Bamberg mit anderen hohen Würdenträgern des Reiches unternahm und an dem angeblich über 7000 Pilger teilnahmen. Diese Entwicklung erfuhr einen gewissen Rückschlag im ausgehenden 11. Jahrhundert durch die Invasion der muslimischen Seldschuken. Deren weitgehende Kontrolle über Kleinasien und die herrschaftliche Zersplitterung der Region behinderten nun die Reise über den Landweg, und der Seeweg nach Palästina war gefährlich und zudem für die meisten Pilger unerschwinglich. Obendrein war die fatimidische bzw. seldschukische Herrschaft nicht in der Lage, die Situation in Palästina vollständig zu kontrollieren, so daß die Pilger immer wieder Gefahr liefen, Opfer von Räubern zu werden. Doch trotz aller Beschwernisse hielt der Strom ins Heilige Land an…

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Dr. Nikolas Jaspert

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