Die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 enthielt eine kleine Sensation. Denn die wesentlich durch Bismarck beeinflusste Verfassung sah für das Parlament des Bundes ein allgemeines, gleiches Männerwahlrecht vor. In den Mitgliedstaaten des Bundes wurde dagegen nach Besitz und Bildung abgestuft gewählt. Und das sollte in den meisten Fällen auch noch jahrzehntelang so bleiben. Tatsächlich war das Wahlrecht zum Parlament des Norddeutschen Bundes, das dann 1871 mit dem Großteil von dessen Verfassung für das Deutsche Reich übernommen wurde, auch im europäischen Vergleich geradezu sensationell demokratisch: Denn Wahlen nach dem Prinzip „one man – one vote“ gab es damals noch in keinem größeren europäischen Staat, und außerhalb Europas nur in den Vereinigten Staaten.
Freilich war Otto von Bismarck, der eigentliche Architekt der Verfassung, alles andere als ein Demokrat. Ganz im Gegenteil: Als überzeugter Monarchist und Aristokrat sah Bismarck in der Demokratie spätestens seit der Revolution von 1848 alles verkörpert, was er zutiefst verabscheute. Er suche, hatte er nach der Revolution in einer aufsehenerregenden Rede im preußischen Landtag einmal verkündet, „die preußische Ehre darin, dass sie sich von jeder schmachvollen Verbindung mit der Demokratie fern“ halte. Sein Einsatz für ein beispiellos demokratisches Wahlrecht in Deutschland war denn auch Ausfluss eines hinterlistigen, ja in seinen beabsichtigten Konsequenzen gerade‧zu paradoxen politischen Kalküls. Das allgemeine gleiche Stimmrecht, so betonte Bismarck 1866/67 wiederholt, werde über kurz oder lang konservative Mehrheiten hervorbringen. Dann sei es möglich, „den Parlamentarismus durch den Parlamentarismus zu stürzen“. …
Den vollständigen Text lesen Sie in DAMALS 3/2015.
Prof. Dr. Christoph Nonn