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Kämpfer wider die Unmenschlichkeit

Der Jesuitenpater Friedrich Spee

Kämpfer wider die Unmenschlichkeit
Auch er selbst würde sich „sicherlich gleich von Anfang an jeder Missetat beschuldigen” und lieber den Tod als die Qualen der Folter hinnehmen – davon war der Jesuitenpater Friedrich Spee überzeugt. Er verfaßte die wohl wichtigste Schrift gegen den Hexenwahn, die “Cautio criminalis”.

Fast 350 Jahre nach dem Tod Friedrich Spees (1591–1635) wurde 1980 sein Grab in der Gruft unter der Trierer Jesuitenkirche (heute Kirche des Bischöflichen Priesterseminars) gefunden. Dies bildete den Beginn einer Spee-Renaissance. In den Jubiläumsjahren 1985 (350. Todesjahr) und 1991 (400. Geburtsjahr) würdigten Publikationen, Ausstellungen und sogar eine Briefmarke den Jesuitenpater. Die beiden Spee-Gesellschaften in Düsseldorf und Trier haben zusammen etwa 500 Mitglieder und geben seit 1994 das Spee-Jahrbuch heraus. Die “Spee-Renaissance” fällt zusammen mit dem starken Interesse von Wissenschaft und Öffentlichkeit an der Geschichte der Hexenprozesse, doch war deren Bekämpfung nur ein Aspekt im Wirken Spees: Er dichtete auch beliebte Kirchenlieder; seine “Trutz-Nachtigall” ist eine der bedeutendsten Barockdichtungen. Friedrich Spee wurde am 25. Februar 1591 als Sohn eines adligen Amtmanns in Kaiserswerth geboren, das zum Kurfürstentum Köln gehörte. Ungewöhnlich ist die Unsicherheit über die Form seines Namens. Friedrich von Spee findet sich erst später, das “von” war zur Kennzeichnung des Adels im 16. Jahrhundert nicht erforderlich. Sich selbst schrieb er lateinisch Fridericus Spe, die Familie hieß auch Spede, und nach der Herkunft des Familienzweigs wurde Friedrich auch Spee von Langenfeld genannt.

Friedrich Spee besuchte das Gymnasium sowie die Universität in Köln. 1610 kam er nach Trier, weil er in den Jesuitenorden eintreten wollte und sich hier das Noviziat der großen Rheinischen Provinz befand. Die Noviziatszeit dauerte zwei Jahre und diente der geistlichen Bildung und Erprobung. Wegen einer Pest (womit auch andere gefährliche Infektionskrankheiten bezeichnet wurden) konnte Spee nicht die vollen zwei Jahre in Trier bleiben; das Noviziat wich nach Fulda aus. Nach weiteren Studien sowie Lehrtätigkeit in Würzburg, Speyer, Worms und Mainz war Spee von 1623 bis 1628 Professor in Paderborn (wo er den Lehrstuhl verlor, weil er die “Studenten zur Kritik aufgefordert hat”) und Köln.

1628/29 ordnete sein Orden ihn nach Peine in Niedersachsen ab: Nach der Rückeroberung einer evangelischen Herrschaft im Dreißigjährigen Krieg sollte er die Bewohner wieder zur katholischen Kirche zurückführen. Auf dem Weg zum Gottesdienst wurde der Pater eines Tages überfallen und schwer am Kopf verletzt. Nach der Genesung wirkte er als Professor der Moraltheologie (Kasuistik) in Paderborn. Im Zusammenhang mit dem Druck der “Cautio Criminalis” gegen die Hexenprozesse wurde Spee 1631 nach Köln und 1632 nach Trier versetzt, wo er auf die angesehenere Professur der Bibelauslegung befördert wurde. Zugleich wirkte er als Seelsorger der Krankenhäuser und Gefängnisse. Als im März 1635 kaiserlich-spanische Truppen die französische Besatzung Triers besiegten, herrschte große Not. Spee pflegte aufopferungsvoll die französischen Soldaten und wurde von der als Pest bezeichneten Seuche angesteckt. Am 7. August 1635 starb er – erst 44 Jahre alt. Spee hatte bereits bei seinem ersten Trierer Aufenthalt Gelegenheit gehabt, Näheres über die Hexenprozesse zu erfahren, die überall Diskussionsthema waren. Kurtrier war ein Zentrum der großen Hexenverfolgung, die 1585–1631 in vielen deutschen Gebieten wütete; es diente geradezu als Vorbild für andere Territorien. Die Angeklagten wurden so lange gefoltert, bis sie sagten, was die Richter hören wollten. Vor allem sollten sie andere Personen benennen, die sie auf dem Hexentanzplatz gesehen hätten. Diese wurden dann ebenfalls gefoltert; ein Entrinnen gab es nur selten. So konnte es nach dem Schneeballsystem zur Ausrottung eines halben oder ganzen Dorfes kommen.

Gefährlich war der Hexenwahn, weil ihm führende Geistliche und Juristen verfallen waren und ihn in Schriften förderten; der Trierer Weihbischof Petrus Binsfeld etwa veröffentlichte 1589/90 ein “Tractat von Bekantnuß der Zauberer und Hexen”. Zwar gab es auch Gegenstimmen: Ebenfalls in Trier erkannte der Theologe Cornelius Loos, daß unschuldiges Blut vergossen würde, doch wurde seine mutige Schrift beschlagnahmt und er selbst verhaftet; er mußte widerrufen.

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Die Überlieferung, daß Spee Beichtvater der Hexen im Fränkischen gewesen sei, trifft nicht zu. Außer in Trier erlebte er später Hexenprozesse vor allem in Köln und Paderborn, aber auch in Hildesheim und kam zu der Überzeugung, daß man keiner einzigen Angeklagten die Schuld nachweisen könne. Um das Erkannte auch zu veröffentlichen, bedurfte es großen Mutes: Spee war das Schicksal des Cornelius Loos bekannt, und er hatte erlebt, wie der Paderborner Jurist und Hexenjäger Hinrich von Schultheiß Ratsherren, die Bedenken äußerten, als Mitschuldige foltern und hinrichten ließ. Spee bestritt die Existenz von Zauberern nicht grundsätzlich, war dies doch schon im Alten Testament bezeugt; er zog also keine Kirchenlehre in Zweifel. Auf keinen Fall aber ließen sich durch das Prozeßverfahren mit der reichsrechtlich vorgesehenen Folter die Namen eventuell schuldiger Personen erfahren. Selbst die heiligen Apostel und die Päpste müßten unter dem Zwang der Folter gestehen, daß sie mit dem Teufel im Bunde seien. “Wenn das so weiter fortgehen soll, so ist kein Ende der Hexenverbrennungen abzusehen, bis nicht das ganze Land menschenleer geworden ist… Ich schäme mich für Deutschland, daß wir in einer so wichtigen Frage nicht besser zu denken vermögen.” Wie ein Prophet schrieb Spee: “Wehe den Fürsten, die strenge die Hexen verfolgen möchten und doch nicht sorgfältiger auf ihre Richter acht geben… Entsetzlich ist es, daß auch alle diejenigen schweigen, die es angeht und die allein geneigtes Gehör fänden, wenn sie sich zum Reden entschließen könnten.” Hochgelehrte Ordensgeistliche führten die Obrigkeiten und die Fürsten in die Irre führen – er aber wollte nicht unter denen sein, “die der Prophet [Jeremias] stumme Hunde heißt, die nicht zu bellen wissen”.

Spee war mutig, aber nicht im Sinne von Tollkühnheit, sondern von Überwindung der eigenen Angst. Da er für eine Veröffentlichung der “Cautio Criminalis” nicht die vorgeschriebene Genehmigung des Ordens bekommen hätte, gab er das Manuskript Bekannten zum Lesen und betonte vermutlich, es ja nicht zum Druck zu geben. Einer brachte es aber doch zum Drucker. In Rinteln an der Weser wurde die Schrift 1631 beim Universitätsdrucker Lucius in Latein veröffentlicht – ohne Nennung des Autors…

Prof. Dr. Gunther Franz

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