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Leben im Dreiländereck

Museum am Burghof

Leben im Dreiländereck
Die Grenze fast vor Augen, widmet sich das Museum am Burghof in Lörrach der Geschichte des Zusammenlebens in der Region „TriRhena“, in der die Schweiz, Deutschland und Frankreich am Hochrhein aufeinandertreffen.

Vom südbadischen Lörrach sind es fast 900 Kilometer bis nach Berlin – gerade einmal 100 sind es in die eidgenössische Bundesstadt Bern, und selbst nach Paris sind es „nur“ 580 Kilometer. Die schweizerischen Kantone Aargau, Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie das französische Elsass liegen in Lörrach förmlich vor der Haustür. Ein Museum, das der Geschichte dieses Dreiländerecks gewidmet ist, könnte kaum besser plaziert sein.

Die Geschichte des heutigen Mu-seums am Burghof reicht bis in das Jahr 1882 zurück. Damals feierte man in Lörrach den 200. Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte. Aus diesem Anlass trugen engagierte Bürger wertvolle historische Exponate für eine Ausstellung zusammen. Heute ist der Fundus des aus dieser Ausstellung hervorgegangenen Museums auf rund 50 000 Objekte angewachsen, von denen 2 000 permanent ausgestellt sind. Untergebracht ist das Museum seit 1978 in einem als Tabakfabrik errichteten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das später das erste Gymnasium der Stadt beherbergt hat. Im Jahr 2002 erfolgte eine neuerliche Sanierung des Gebäudekomplexes, die mit einer völligen Neugestaltung der Dauerausstellung einherging.

Ein Schwerpunkt ist seither das Thema „Grenze“. Grenzsteine, -zäune, -schilder, Ausweise, Passierscheine oder beschlagnahmte Schmuggelware veranschaulichen das Leben an und mit der Grenze. Dabei erfährt man auch, dass offene Grenzen keineswegs ein Produkt des 20. Jahrhunderts sind. Im Gegenteil: Bis 1914 waren die Grenzen (für Personen) nicht nur am Hochrhein weitgehend durchlässig; erst im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Abschottung in Gang gesetzt, die über Jahrhunderte gewachsene Verbindungen kappte. Zwischen Deutschland und der Schweiz wurde selbst die grüne Grenze penibel überwacht. Davon zeugt ein original erhaltenes Grenzwärterhäuschen, das auf den ersten Blick eher den Eindruck einer Waldarbeiter-Hütte erweckt.

Die beiden Weltkriege waren natürlich auch prägende Ereignisse für das Zusammenleben – oder besser: das Auseinanderleben – der Menschen im Dreiländereck. Für Konfliktstoff zwischen Deutschland und Frankreich war freilich schon lange zuvor gesorgt gewesen. Dabei widmet sich das Museum in Lörrach vor allem der wechselvollen Geschichte des Elsass. Plakate, Zeitungsausschnitte und Fotografien spiegeln die jeweilige Zugehörigkeit der Region. Beklommen machen die brutalen Bemühungen der Nationalsozialisten, den „welschen Plunder“ aus dem Elsass hinauszufegen. Der gallische Hahn und Marianne symbolisieren auf einem Propa‧gandaplakat von 1940 den vermeintlich fremden Einfluss. Gegenüber‧gestellt wird ein auf den ersten Blick genau gleich gestaltetes Plakat. Doch mit diesem Aufruf von 1945 soll nicht der „welsche“ Plunder hinausgekehrt werden, sondern der durch Hakenkreuze und Adler symbolisierte „Schwowe Plunder“, wobei mit den Schwaben alle Deutschen gemeint sind bzw. deren Versuche, die Uhr im Elsass zurückzudrehen.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Lörrach zur französischen Besatzungszone. Mit Originalzitaten, Erlassen der Militärregierung oder Lebensmittelkarten wird die Stimmung dieser Jahre lebendig. So erinnert sich eine Lörracherin, dass sich damals glücklich schätzen durfte, wer Verwandte in der nahen Schweiz hatte und von diesen mit Dingen versorgt wurde, die aus dem Alltag der meisten Deutschen längst verschwunden waren.

Ein weiterer Schwerpunkt des Museums ist die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Region. Das Wiesental, in dem Lörrach liegt, war eines der frühen und bedeutendsten Zentren der deutschen Textilindustrie, und die Entwicklung Lörrachs vom kleinen Marktflecken zur Industriestadt ist untrennbar damit verbunden, eine Entwicklung, an der Schweizer Industrielle erheblichen Anteil hatten. Auch an größere Unternehmen aus anderen Branchen erinnert das Museum: Wer weiß schon außerhalb der Region, dass die Schokolade mit der weltberühmten lila Kuh zwar in der Schweiz entstanden ist, das Unternehmen aber schon 1880 eine Schokoladenfabrik in Lörrach gegründet hat, in der heute bis zu drei Millionen Tafeln Schokolade täglich hergestellt werden.

Ein Ereignis, das für die badische Geschichte von zentraler Bedeutung ist, war die Revolution von 1848. Ihr wird im Museum am Burghof umso mehr großer Raum gegeben, als Gustav Struve am 21. September 1848 in Lörrach die deutsche Republik ausgerufen hat, wodurch das Städtchen im Wiesental für vier Tage zum Zentrum der deutschen Demokratiebewegung wurde. Auch an den zweiten berühmten badischen Revolutionär, Friedrich Hecker, erinnert das Museum mit Lithographien und Originalexponaten. Geprägt wird die Region, der das Museum am Burghof gewidmet ist, vom Rhein, der sie in der Form eines Knies durchfließt. Zahlreiche Lithographien, Kupferstiche und Aquarelle zeigen den Fluss und die Städte an seinem Ufer. Während der Rhein heute ein weitgehend begradigtes, kanalisiertes Bild bietet, floss er noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts in breiten Mäandern dahin. Seine „Rektifikation“ durch den badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla machte den Strom schiffbar und trug damit viel zur Modernisierung der Region bei. Doch veränderte dadurch auch eine ganze Landschaft ihr Gesicht. Davon kann man sich in dem Lörracher Museum gleichfalls ein eigenes Bild machen.

http://www.museum-loerrach.de

Uwe A. Oster

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