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Mehr als Qual und Mühsal?

Das Leben auf der Burg

Mehr als Qual und Mühsal?
Wie einem vielteiligen Puzzle kann man sich auch dem Leben auf einer mittelalterlichen Burg nur nähern, wenn man Hinweise aus möglichst vielen Quellen zu einem Bild zusammenfügt. Vor allem archäologische Funde ermöglichen authentische Einblicke in den mittelalterlichen Alltag.

Der mittelalterliche Adel bildete keine homogene soziale Gruppe, sondern es gab große Unterschiede sowohl hinsichtlich seines politischen Einflusses als auch hinsichtlich seiner ökonomischen Möglichkeiten. Das gilt auch für seine Wohnsitze – vom befestigten Hof über die Turmburg mit Palisade, die steinerne Ringmauerburg mit Bergfried und Gebäuden bis zur Großburg findet sich alles. Es lässt sich also kaum das Leben auf der Burg beschreiben, zumal auch noch zeitliche und regionale Unterschiede berücksichtigt werden müssen. Quellen, die das Leben auf einer mittelalterlichen Burg schildern, sind selten. Gern werden die höfische Dichtung, die Lieder Oswalds von Wolkenstein oder der berühmte Brief des Ulrich von Hutten an Willibald Pirckheimer herangezogen. Keiner dieser Texte wurde jedoch mit der Absicht verfasst, die Verhältnisse auf Burgen realistisch zu beschreiben. Die höfische Dichtung schildert meist Utopien, Oswald von Wolkenstein beschreibt seine persönliche – nicht verallgemeinerbare – Situation, und Ulrich von Hutten kontrastiert das „rückständige“ Leben auf einer Burg im frühen 16. Jahrhundert mit dem „modernen“ Stadtleben. Verlässliche und allgemeingültige Aussagen sind daraus kaum zu gewinnen.

Fasst man jedoch unterschiedliche Quellengattungen wie Inventare, Rechnungsbücher, archäologische Funde und Befunde, Spuren an den erhaltenen Bauten sowie versteckte Hin‧weise in der zeitgenössischen Dichtung, in Urkunden, Briefen und anderen Quellen zusammen, kann man Grundlinien des Lebens auf Burgen beschreiben.

Die Frage nach der Zahl der Burgbewohner ist besonders für die frühen Zeiten schwer zu beantworten. Erst im späteren Mittelalter lassen sich Zahlen aus Rechnungsbüchern gewinnen. Sie vermitteln ein überraschendes Bild: Auf vielen Burgen waren außer der Familie des Burgherrn nur wenige Bedienstete beschäftigt. So nennt eine Rechnung des späten 15. Jahrhunderts auf der erzbischöflichen Burg Eltville am Rhein acht Personen, darunter als Bewachungsmannschaft zwei Turmknechte und einen Pförtner. Eine große Zahl von Kriegsknechten ist für Friedenszeiten, aber auch im – selten auftretenden – Verteidigungsfall kaum zu erwarten.

Nicht alle Bediensteten wohnten auf der Burg. Hinweise auf dauerhafte Aufenthalte geben Inventare, in denen Bettstellen genannt werden. Häufig gehen Inventare aber gar nicht auf die Raumaufteilung ein, sondern erfassen die bewegliche Habe nur summarisch. Zudem muss man davon ausgehen, dass diese Besitzverzeichnisse unvollständig sind. Unwichtiges oder Verbrauchsmaterial wie Holzgeschirr und ähnliche Gebrauchsgegenstände führte man nicht auf.

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Die Burgbewohner hatten ihre speziellen Aufgabenbereiche, die einer nach den Geschlechtern getrennten, aber letztendlich auch durchlässigen Rollenverteilung folgten. Die Vorstellung von der untertänigen, der männlichen Gesellschaft ausgelieferten Frau, die – vor allem gegenüber Gästen – zu vielfältigen Dienstleistungen verpflichtet war, wird zwar in der zeitgenössischen Dichtung kolportiert, entspricht aber nur sehr eingeschränkt der Realität. Wenn Hartmann von Aue im „Iwein“ schildert, wie die Tochter des Burgherrn den Kalogreant behandelt, so spiegelt sich hierin eher das Wunschbild einer perfekten Burg mit vollkommener Gastfreundschaft.

Die moderne Genderforschung, also die Untersuchung der Geschlechterverhältnisse im sozialen Kontext, hat gezeigt, dass das traditionelle Rollenverständnis, das der Frau eine grundsätzlich untergeordnete Rolle zuweist, von männlicher Seite „festgeschrieben“ und überliefert wurde. Gegenbeispiele finden sich vereinzelt in den Quellen. So übertrug Hans von Klingenberg 1457 in einem Brief wegen Abwesenheit die Verantwortung für seinen Besitz einem Freund, das Siegel blieb aber in der Hand der Burgherrin. Sie hatte zwar zu siegeln, was der Freund entschied, bekam aber eine Kontrollfunktion. Aufschlussreich ist die Bemerkung, der Freund möge die Burgherrin nicht „minnen“. Ob es sich um eine ernstgemeinte oder scherzhafte Warnung handelte, lässt sich kaum entscheiden.

Die Ernährung der Burgbewohner zeigt eine gewisse Bandbreite. Da Rezepte und Kochbücher erst aus dem späten Mittelalter erhalten sind, müssen Erkenntnisse zum Speisezettel weitgehend aus dem archäologischen Fundmaterial gewonnen werden. Hierfür stehen Knochen von Schlachttieren, aber auch – bei günstigen Erhaltungsbedingungen – Pflanzenpollen, Getreidekörner, Gewürze oder Kerne zur Verfügung.

Man aß im Mittelalter gern Breie aus Getreide, vor allem Hafer und Hirse. Brot buk man aus Roggen, dessen Anbau sehr weit verbreitet war; Weizen wurde für feineres Gebäck verwendet. An Gemüse waren Hülsenfrüchte und Kohl sehr beliebt. Die Verfügbarkeit von Gewürzen war vom Zugang zu einem Markt abhängig, ferner von der Kaufkraft der Burgherrschaft. Im archäologischen Befund werden aber immer wieder exotische Gewürze wie Pfeffer und Safran sowie heimische Kräuter nachgewiesen. Fischgräten, auch Seefischreste weit im Binnenland, weisen auf die kirchlichen Fastenbestimmungen hin. Bei den Schlachtabfällen dominieren Rind und Schwein, eine geringere Rolle spielten Schaf und Ziege.

Worin bestand nun die charakteristische Ernährung auf einer Burg? Vor allem der Fleischkonsum lässt Unterschiede erkennen. Während Schlachtabfälle in ländlichen Siedlungen seltener sind, kommen sie auf Burgen häufiger vor. Geflügelknochen (vor allem vom Huhn), die auf Adelssitzen zahlreich geborgen wurden, könnten Hinweis auf eine spezielle Abgabe, das „Fastnachtshuhn“, sein. Dagegen sind Jagdwildknochen nicht in der Zahl vorhanden, die man erwarten mag. Die Jagd war adliges Privileg und Freizeitbeschäftigung, auch stellte die Gewinnung von Geweih einen Wirtschaftsfaktor dar. Für die Ernährung spielte sie nach Aussage der Knochenfunde aber eine geringe Rolle. Allerdings könnte der Umstand, dass nur wenige und bestimmte Knochen gefunden wurden, auch darauf hinweisen, dass die Tiere bereits im Wald zerlegt wurden…

Dr. Christof Krauskopf

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