Wer sich im Mittelalter einer Stadt näherte, sah von weitem zuerst die hohen Kirchtürme und dann die Mauer. Sie bot den Einwohnern nicht nur Schutz vor Überfällen. Vielmehr markierte sie die besondere Grenze zwischen Stadt und Nicht-Stadt. Das alte Sprichwort „Bürger und Bauer scheidet nichts denn die Mauer“ fängt genau diese Trennung ein. Die Mauer zerteilte zwei Lebenswelten, zwei Rechtsräume, zwei Kulturen. Deshalb war die Beteiligung am Mauerbau für mittelalterliche Bürger Recht und Pflicht zugleich. An der Mauer begann der Stadtraum, an ihr endete er. Denn innerhalb der Mauer galten andere Regeln als draußen.
Erst viel später, in der Neuzeit, bezeichnete das Sprichwort „Stadtluft macht frei“ den Unterschied zwischen den freien Bürgern drinnen und den hörigen Bauern draußen. Doch Luft allein machte nicht frei oder hörig. Die Freiheiten in der Stadt gehörten nämlich nur wenigen privilegierten Bürgern, nicht den Einwohnern insgesamt. Ein solches Bürgertum konnte nur im Schutz der Mauern einer mittelalterlichen Stadt entstehen. Seine Freiheiten wurden ihm zuerst huldvoll geschenkt, dann beharrlich ersessen, schließlich mutig erkämpft. Mit Macht und Kraft schob sich die hochmittelalterliche Stadt in eine fremde Welt. Innerhalb ihrer Mauer schuf sie sich eigene Räume von Recht, Wirtschaft und Frieden. Hier entstand ein gesellschaftliches Alternativmodell. Es unterschied sich gewaltig von den Formen adliger oder kirchlicher Herrschaft, die draußen über Land und Leute ausgeübt wurde. …
Den vollständigen Artikel finden Sie in DAMALS 01/2015.
Prof. Dr. Bernd Schneidmüller