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Neues Leben in der Trümmerwüste

Helgoland wieder unter deutscher Verwaltung

Neues Leben in der Trümmerwüste
Am 1. März 1952 übergab Groß‧britannien die Insel Helgoland wieder in deutsche Verwaltung. Ein scheinbar undramatischer Akt, der doch das Ende einer Beinahe-Tragödie war. Es hätte nicht viel gefehlt, und Helgoland wäre in den Fluten der Nordsee versunken.

Kaiser Wilhelm II. sah sich noch in seinem holländischen Exil in Doorn genötigt zu erklären, weshalb seine Regierung im Jahr 1890 einen solch scheinbar unvorteilhaften Tausch „Knopf gegen Hose“ eingegangen war: „Dieses Eiland, den großen Wasserstraßen, die zu den Haupthandelsplätzen der Hansa führen, dicht vorgelagert, war in der Hand der Briten eine beständige Drohung gegen Hamburg und Bremen und machte jeden Gedanken an einen Flottenausbau unmöglich. Ich hatte daher den festen Entschluß gefaßt, dieses alte deutsche Eiland seinem Vaterland wieder zu gewinnen. Auf dem Kolonialgebiet fand sich der Weg, um England zur Aufgabe des roten Felsens zu veranlassen.“ Worauf Wilhelm hier anspielt, ist der Tausch der Insel Sansibar vor der ostafrikanischen Küste gegen Helgoland im Rahmen eines allgemeinen kolonialen Ausgleichs zwischen den beiden Mächten. Doch wie war Helgoland überhaupt zu Großbritannien gekommen?

Helgoland gehörte seit dem späten Mittelalter zum Herzogtum Schleswig, das seit 1721 in Personalunion durch den dänischen König regiert wurde. Um die napoleonische Kontinentalsperre zu unterlaufen, besetzten britische Truppen 1807 die Nordseeinsel und nutzten sie in der Folge als „militärischen Stützpunkt zum Halten und Festigen einer Verbindung mit Hamburg und Bremen und als Niederlassung, von wo aus unsere Kolonialwaren und britischen Fabrikate nach Norddeutschland importiert werden können“. Helgoland blieb auch nach dem Ende der Napoleonischen Kriege in englischem Besitz. Dieser britische Stachel vor der deutschen Küste ärgerte nicht nur Wilhelm II. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben dichtete 1841 auf Helgoland sein „Lied der Deutschen“. Doch erst 1890 gelang der besagte Tauschhandel: Zu verlockend erschien den englischen Kolonialpolitikern das viel größere, fruchtbarere und offensichtlich wertvollere Sansibar, und zu unwahrscheinlich in der damals relativ entspannten Lage ein Krieg zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich.

In der Folge bestimmten gleichwohl militärische Belange, wie von Wilhelm II. angekündigt, die Geschicke der Insel. Befestigungsanlagen wurden gebaut; bald waren über 3000 Soldaten auf Helgoland stationiert. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die gesamte Inselbevölkerung evakuiert; erst 1918 konnten die Bewohner wieder zurückkehren. Im Zweiten Weltkrieg kam es dann zwar zu keiner Evakuierung, aber wiederum zu einem Ausbau der Befestigungsanlagen, zu denen auch ein großer U-Boot-Bunker gehörte. Zum Schicksalstag der Helgoländer wurde gleich zweimal der 18. April: 1945 wurde die Insel durch einen Luftangriff der Royal Air Force in eine Trümmerwüste verwandelt, 1947 sprengten britische Truppen in der Operation „Big Bang“ die Befestigungsanlagen, dazu gewaltige Mengen an Munition – insgesamt 6700 Tonnen Sprengstoff. Schon zuvor hatte die britische Luftwaffe die Insel als Testziel für ihre Bomberpiloten genutzt, und auch nach dem 18. April 1947 luden die Flugzeuge ihre explosive Ladung über dem Eiland ab. Selbst wenn es nicht das Ziel der Briten war, Helgoland im Meer versinken zu lassen, wie vielfach kolportiert, so war eine Wiederbesiedlung dieser Trümmerwüste doch nur schwer vorstellbar.

Doch viele Helgoländer, die nach der deutschen Kapitulation evakuiert worden waren und in den folgenden Jahren verstreut in Norddeutschland lebten, wollten den Traum von der Rückkehr nicht aufgeben. Schon 1946 hatten sie sich in einer Petition an die britische Regierung gewandt: „Es ist uns fast unmöglich zu glauben, daß Großbritannien seine früheren Untertanen, die Einwohner der Kronkolonie Helgoland, vergessen hat.“ Am liebsten wollten die Unterzeichner der Petition wieder unter britischer Herrschaft leben; wenn dies nicht möglich sei, „werden wir es vorziehen, unter dänischem Schutz zu leben“. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 machten deren Vertreter sich zu Fürsprechern der „Freigabe Helgolands“. Von britischer oder dänischer Verwaltung war nun nicht mehr die Rede. Im englischen Unterhaus wurden bei der sogenannten Helgoland-Debatte am 28. Juli 1950 erstmals Stimmen laut, die sich für ein Rückkehrrecht der Bevölkerung aussprachen. Doch die Regierung in London zögerte: Die Insel war ein ideales Bombenziel, für das es keinen adäquaten Ersatz zu geben schien; außerdem befürchtete man, daß die Deutschen Helgoland langfristig doch wieder zu einem militärischen Stützpunkt ausbauen würden, der dann eine Bedrohung Englands darstellen könnte.

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Die Helgoländer argumentierten dagegen einerseits juristisch: Nach der Zerstörung der Fe-stungs- und Bunkeranlagen sei Helgoland ent-militarisiert; weitere Bombardierungen widersprächen internationalem Recht. Andererseits wurde versucht, mit spektakulären Aktionen die Insel ins Bewußtsein der deutschen und der britischen Öffentlichkeit zu rükken. So landeten im Dezember 1950 zwei Heidelberger Studenten auf Helgoland und hißten dort die Flaggen der Bundesrepublik Deutschland und der Europa-Union. Weitere „Besetzungen“ folgten; „illegale Siedler“ versuchten, die britische Regierung durch vollendete Tatsachen zur Freigabe der Insel zu bewegen.

In dieser Situation bewahrten Bonn und London jedoch die notwendige Ruhe. Die Bundesregierung wandte sich gegen „unbedachte und illegale Aktionen“, und der britische Hohe Kommissar in Deutschland, Sir Ivone Kirkpatrick, unterrichtete Bundeskanzler Adenauer im Februar 1951 von der Bereitschaft seiner Regierung, eine schnelle Lösung des Problems herbeizuführen. Allerdings nicht ohne Bedingungen: Bis zur faktischen Freigabe Helgolands, die spätestens zum 1. März 1952 erfolgen sollte, müsse die Bundesregierung dazu beitragen, „jede weitere Einmischung in die Nutzung Helgolands“ zu verhindern, und die „Einrichtung alternativer Bombenziele an der Nordwestküste Deutschlands“ ermöglichen. Bundeskanzler Adenauer erklärte sofort seine Bereitschaft, „die geforderten Zusicherungen ohne jegliche Einschränkungen zu geben“. Als alternatives Bombenziel wurden Sandbänke in der Nordsee angeboten…

Uwe A. Oster

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