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Nichts ist mehr zu fürchten als ein schlechter Ruf

Leonardo der Hofkünstler

Nichts ist mehr zu fürchten als ein schlechter Ruf
Die Aussicht, ein „Fürstenknecht“ zu sein, schreckte die Künstler der Renaissance keineswegs. Leonardo da Vinci machte da keine Ausnahme. Die Fürstenhöfe boten Autonomie und beträchtliche Spielräume, anders als die städtischen Oberschichten, die in ihnen nur Handwerker sahen, „gleich Arbeitern, die einen Garten umhacken“.

Leonardo da Vinci empfand Zeit seines Lebens Stolz auf die Herkunft aus Florenz, in dessen Nähe, eben dem kleinen Ort Vinci, er 1452 geboren worden war. Nicht ohne Grund erläuterte er in der kurzen „Geschichte der Malerei“, die er um 1490 entwarf den Wiederaufstieg der Malerei nach einer langen Phase des Niedergangs anhand der Werke von „Giotto Fiorentino“ und „Tommaso Fiorentino, genannt Masaccio“; nicht ohne Grund zeichnete er in eben dieser Zeit seinen Namenszug als „Maestro Leonardo Fiorentino“. Florenz stellte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bekanntlich ein kulturelles Zentrum mit europaweiter Ausstrahlung dar. Für den jungen Leonardo war nichts naheliegender, als sich 1469 dorthin zu begeben, um in der Werkstatt des berühmten Bildhauers Andrea del Verrocchio zu lernen. Um so erstaunlicher erscheint vor diesem Hintergrund die Tatsache, daß Leonardo die zweite Hälfte seines Lebens fast kontinuierlich auf der Suche nach einer Stellung bei Hofe war, und das hieß nach Lage der Dinge: aus seiner Heimatstadt, der er sich doch geistig so eng verbunden fühlte, fortzukommen. Woher rührte die Anziehungskraft des Hofes auf Leonardos unruhigen und freiheitsliebenden, zu Spekulation und Phantasie geneigten Geist? Sollte nicht gerade die Arbeit in Abhängigkeit von einem herrscherlichen Auftraggeber, als „Fürstenknecht“, um einen unzeitgemäß-polemischen Ausdruck zu benutzen, für einen Mann vom seinem Schlage eher abschreckend gewirkt haben? Daß sie es nicht tat, nicht im Falle Leonardos, nicht im Falle zahlreicher anderer Künstler, sondern daß vielmehr die Tätigkeit im Dienste des Fürsten, in den höfischen Zentren des frühneuzeitlichen Europas als erstrebenswert galt, lädt dazu ein, über das Verhältnis der Künstler dieser Epoche zu ihrer sozialen Umwelt nachzudenken. Einer Umwelt, in der, den Vorstellungen späterer Zeiten zum Trotz, der Hof des Fürsten und die in ihm verkörperte Staatlichkeit im Vergleich zu bürgerlich-kommunalen Traditionen das fortschrittlichere Prinzip darstellte. Um es mit den Worten des Historikers Hermann Heimpel zu sagen: „Politisch betrachtet beginnt die Neuzeit in Deutschland, wie im übrigen Europa, im Italien der Medici und Sforza, im Burgund der Philipp und Karl, im Frankreich Ludwigs XI., nicht im Zeichen der Städtefreiheit und auch nicht bürgerlich, sondern fürstlich und staatlich.“ Politisch, und ebenso künstlerisch. Das Leben Leonardo da Vincis läßt es mit aller wünschenswerten Klarheit erkennen. Verfolgen wir den Lebensweg unseres Helden, so steht am Beginn seiner Laufbahn ein Ereignis, das als typisches Symptom für die überkommene Rolle des Künstlers gelten kann. Nach seiner Ankunft in Florenz und drei Lehrjahren in der Werkstatt Verrocchios schrieb sich Leonardo noch 1472 in der Malerzunft ein – wie es im Rahmen der städtischen Handwerksordnungen nun einmal vorgeschrieben war. Der Zunftzwang bot den Handwerkern Sicherheit, doch zugleich schränkte er sie ein durch zahllose Auflagen, Verpflichtungen, Verordnungen. Stärker noch als die praktischen Einschränkungen, die aus diesem Geflecht an Regulierungsmaßnahmen resultierten, mußte es gerade ausgeprägt „intellektuelle“ Künstler von der Art Leonardos stören, daß ihre Arbeit in der Perspektive der Mitbürger lediglich diejenige von Handwerkern war. Gegen solcherlei Geringschätzung kämpfte nicht nur Leonardo an, wie eine Vielzahl von Anekdoten über andere Künstler dieser Epoche belegt, doch er tat dies mit besonderer Konsequenz, Ausdauer und Brillanz, vor allem in seinen theoretischen Schriften. Das Anekdotische kam freilich auch in seinem Fall nicht zu kurz, wie eine Geschichte verdeutlicht, die Giorgio Vasari berichtet. Zur Zeit seiner Tätigkeit für Ludovico Sforza erhielt Leonardo vom Prior des Dominikanerkonvents von Santa Maria delle Grazie in Mailand den Auftrag, das hochberühmte, heute stark beschädigte „Letzte Abendmahl“ (siehe unseren Beitrag auf Seite 30) zu malen. Die Arbeiten daran zogen sich in die Länge, was den Prior zunehmend verbitterte, der, so kommentiert Vasari, es am liebsten gesehen hätte, wenn der Maler „gleich Arbeitern, die einen Garten umhacken, den Pinsel niemals aus der Hand gelegt hätte.“ Schließlich wandte sich der empörte Ordensmann an den Herzog mit der Bitte, den faulen Künstler durch ein herrscherliches Machtwort zur Räson zu rufen. Das darauf folgende Gespräch zwischen Leonardo, dem Prior und dem Herzog nahm jedoch eine überraschende Wendung. Statt sich in die Rolle des Angeklagten zu fügen, erläuterte Leonardo dem an Kunstfragen interessierten Fürsten die Probleme künstlerischer Produktion „und machte anschaulich, daß erhabene Geister bisweilen am meisten schaffen, wenn sie am wenigsten arbeiten, nämlich wenn sie erfinden und vollkommene Ideen ausbilden, welche die Hand hinterher, sind sie erst vom Intellekt konzipiert, ausdrückt und nachschafft.“ Im Falle des „Abendmahls“ nun läge das Problem unter anderem beim Haupte des Judas, für dessen Verrätergesicht er noch keine ausreichend abstoßende Lösung gefunden habe, doch sei er optimistisch: wenn ihm nichts besseres einfalle, so könne er seine Zuflucht immer noch zum Kopf des Priors als Vorbild nehmen. „Dies brachte den Herzog sehr zum Lachen, und er gab Leonardo tausendmal recht.“ Woraufhin der Künstler fortan seine Ruhe hatte…

Ein unruhiger Geist „So war Leonardo da Vinci nicht nur mit bewundernswerter körperlicher Schönheit begnadet, sondern zeichnete sich auch in allem, was er tat, durch unvergleichliche Begabung aus. Die größten Schwierigkeiten löste er spielend, sobald er nur seinen Sinn darauf richtete… Auch in den gelehrten Wissenschaften und der Literatur hätte er Großes geleistet, wären seine Interessen nicht allzu mannigfaltig und wechselhaft gewesen, wie er denn immer wieder etwas Neues zu lernen anfing, ohne es zu vollenden.

Man sieht, daß Leonardo um die Kunst gründlich kennenzulernen, vielerlei anfing und nichts richtig beendete. Es dünkte ihn, die Hand könne der Vollkommenheit eines Werkes, wie er es im Geist erschaute, nichts mehr hinzufügen, um so mehr, als seine Phantasie so subtile und wundersame Dinge zu ersinnen pflegte, daß sie sich selbst mit den geschicktesten Händen niemals hätten ausführen lassen.

Es freute Leonardo ganz besonders, wenn er Menschen mit ungewöhnlichen Gesichtszügen oder sonderbaren Bart- und Haartrachten begegnete. Wenn ihm jemand gefiel, hätte er ihm einen ganzen Tag lang nachgehen können, und er prägte sich seine Eigenheiten so gut ein, daß er ihn, zu Hause angelangt, aus dem Gedächtnis zeichnete, als hätte er das Modell vor sich.“

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Giorgio Vasari (1511–1574) über Leonardo da Vinci

Dr. Arne Karsten

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