Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Philosoph, Politiker, Multimillionär

Titelbeitrag Weitere Themen

Philosoph, Politiker, Multimillionär
Er ist als bedeutender Vertreter der stoischen Philosophie in die Geschichte eingegangen. Untrennbar ist sein Name aber auch mit Kaiser Nero verbunden. Sein Wirken im engsten Zirkel des Tyrannen hatte fürSeneca fatale Folgen.

Als Seneca das Licht der Welt erblickte, gab es von Nero noch weit und breit keine Spur. Geboren wurde der spätere Ratgeber des Tyrannen während der Regierung des ersten Kaisers Augustus, der jenes sensible monarchische System in Rom begründet hatte, das Nero später als Kulisse für seine politischen Eskapaden mißbrauchen sollte. Das genaue Geburtsdatum Senecas ist nicht bekannt, manche Forscher legen sich auf 4 v. Chr., andere auf 4 n. Chr. fest. Auf jeden Fall liegt es in der Zeit um Christi Geburt. Somit war er etwa 40 Jahre älter als sein zukünftiger Schützling. Seine Heimat war Corduba in Spanien, das heutige Córdoba, 152 v. Chr. von den Römern gegründet und deshalb auch eine römische Stadt. Trotz der iberischen Herkunft war Seneca also ein echter Römer; die Qualität seiner zahlreichen Schriften belegt eindrucksvoll, wie versiert der Mann aus der Provinz auf dem Gebiet der römischen Sprache und Kultur gewesen ist.

Seneca hatte den gleichen Namen wie sein Vater, so daß man sich angewöhnt hat, von Seneca dem Älteren (dem Vater) und Seneca dem Jüngeren (dem Sohn) zu sprechen. Der ältere Seneca verschaffte dem jüngeren beste Startbedingungen für eine vielversprechende Karriere. Von Haus aus verfügte die Familie über gute Beziehungen zu den Spitzen der stadtrömischen Gesellschaft. Nicht ohne Erfolg betätigte sich der Vater als Rhetor und Historiker. Der Sohn, so hoffte er, würde ihm nacheifern wollen. Um etwas zu werden, mußte der junge Seneca aber Corduba verlassen. Er wurde nach Rom geschickt und erhielt dort eine standesgemäße Ausbildung in Grammatik, Rhetorik und Philosophie, die ihm alle Möglichkeiten auch für eine Laufbahn in der Politik eröffnete.

Im Weg stand Seneca allerdings seine labile Gesundheit. So litt er auch im Jahr 30 an einer Erkrankung der Atemwege, hervorgerufen vielleicht durch das bekannt stickige Klima in der Metropole am Tiber. Glücklicherweise hatte er eine Tante, die mit dem römischen Präfekten von Ägypten verheiratet war. Sie lud den maladen Neffen zur Kur ins Land am Nil ein. Und die energische Tante war es auch, die sich nach erfolgter Genesung tatkräftig um die Karriere ihres jungen Verwandten kümmerte. Dank ihrer exzellenten Beziehungen bekam Seneca ein erstes offizielles Amt in der Finanzverwaltung und damit automatisch auch einen Sitz im Senat. In dieser nach wie vor einflußreichen Versammlung der Adligen wollte es der angehende Politiker wohl besonders gut machen: Er ergriff oft das Wort und setzte unbekümmert in die Tat um, was er bei seinen RhetorikStudien gelernt hatte.

Doch die freie und geniale Rede war in der römischen Monarchie nicht uneingeschränkt erwünscht, schon gar nicht bei einem Despoten wie dem jungen Caligula, der 37, im Geburtsjahr Neros, Nachfolger von Kaiser Tiberius geworden war. Despoten können, wie man weiß, vieles nicht ertragen, vor allem nicht potentielle Konkurrenten. Und so entwickelte Caligula eine fast pathologische Abneigung gegenüber dem so begnadeten Redner Seneca, der bei seinen öffentlichen Ansprachen kein Blatt vor den Mund nahm und sich deswegen fast um Kopf und Kragen redete. Denn Caligula überlegte ernsthaft, ihn auf die lange Liste derjenigen zu setzen, die er mehr oder weniger diskret zu beseitigen gedachte. Zu Senecas Glück ließ sich der Kaiser aber von dem Argument seiner Umgebung überzeugen, der immer kränkliche Seneca werde ohnehin bald sterben. Jedoch rächte sich Caligula mit einer perfiden Kritik an den rhetorischen Fähigkeiten seines Gegners. Senecas Stil, so lautete das kaiserliche Verdikt, sei wie „Sand ohne Kalk“.

Anzeige

Der von Caligulas Leuten progno-stizierte Tod Senecas trat nicht ein. Vielmehr wurde der verhaßte Tyrann selbst im Jahr 41 Opfer einer Verschwörung. Die Herrschaft übernahm jetzt Claudius. Ausgerechnet unter diesem eher umgänglichen Kaiser, der lieber Buchstaben erfand als regieren zu müssen, erlebte Seneca einen empfindlichen Karriereknick. Auf kaiserliche Anordnung mußte er in die Verbannung nach Korsika gehen. Letztlich handelte es sich dabei wohl um eine Intrige, bei der Messalina, die dritte Frau des Claudius, die Fäden zog. Jedenfalls war der verheiratete Seneca in den Verdacht geraten, in eine Affäre mit der ebenfalls verheirateten Schwester Caligulas verwickelt gewesen zu sein. Erst verurteilte man ihn sogar zum Tod, dann wurde die Strafe in das Zwangsexil abgemildert.

Acht Jahre, von 41 bis 49, dauerte der unfreiwillige Aufenthalt Senecas auf der Insel im westlichen Mittelmeer. Wenn er nicht gerade mit seinem Schicksal haderte, schrieb er in dieser Zeit Tragödien und zum Selbst?trost philosophische Traktate mit Rezepten, wie man unangenehme Lebenslagen meistern könne. Dann war es wieder eine einflußreiche Frau, die seinem Leben eine Wendung gab: Agrippina, die vierte Gattin des Kaisers Claudius. Als eine in ihrer Explosivität anfangs freilich noch nicht erkennbare Morgengabe hatte sie ihren Sohn Nero, das Resultat einer früheren Verbindung, mit in die Ehe gebracht. Auf ihre Initiative hin erhielt Seneca den ersehnten Rückruf nach Rom. Gleichzeitig besorgte ihm die kaiserliche Förderin das Amt eines Praetors (= höchster Justizbeamter im antiken Rom). Und sie übertrug ihm die Erziehung und Ausbildung ihres damals zwölf Jahre alten Sohnes Nero. Wie es heißt, verdankte Seneca diese auffällige Protektion der Agrippina seinem Ruf als populärer Literat. Die bei der Bevölkerung nicht eben beliebte Agrippina glaubte wohl, durch die Berufung Senecas selbst einige Sympathien gewinnen zu können.

Seneca selbst waren die Hintergründe gleichgültig. Er war ganz einfach froh, wieder in der Hauptstadt mitmischen zu können. Sofort stürzte er sich mit Enthusiasmus in die Aufgabe, aus dem jungen Nero eine gebildete, charakterlich integre Persönlichkeit zu formen. Möglicherweise wußte er auch bereits von den ehrgeizigen Plänen der Agrippina, ihren Sohn in der Nachfolge des eigenen Mannes als künftigen Kaiser aufzu-bauen. Da freilich hätten bei Seneca die Alarmglocken klingeln müssen. Denn als gebildeter Mensch wußte er natürlich, daß das schwierige Experiment „Geist trifft Macht“ einige Jahrhunderte zuvor schon einmal grandios gescheitert war: bei Aristoteles und Alexander dem Großen…

Prof. Dr. Holger Sonnabend

Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

geo|trop  〈Adj.〉 auf Geotropismus beruhend; oV geotropisch … mehr

Stock|schwamm  〈m. 1u; Bot.〉 Blätterpilz an modernden Stöcken von Laubgehölzen: Pholiota mutabilis

Flü|gel|kak|tus  〈m.; –, –te|en; Bot.〉 = Blattkaktus

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige