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Rum und Peitsche als „Erfolgsrezept“

Die Royal Navy im 18. Jahrhundert

Rum und Peitsche als “Erfolgsrezept”
Auf den Schiffen der Royal Navy herrschte im 18. Jahrhundert eiserne Disziplin; kleinste Verfehlungen wurden hart bestraft. Und doch ging es vielen Angehörigen der unteren Schichten auf See besser als an Land. Nur wenige von ihnen schafften jedoch den Aufstieg in den Rang eines Seeoffiziers: Einer von ihnen war James Cook.

Winston Churchill, der von 1911 bis 1915 Erster Lord der Admiralität war, bemerkte einmal, das Leben in der Royal Navy zur Zeit James Cooks sei geprägt gewesen von „Rum, Homosexualität und der Peitsche“. Seither werden die britischen Kriegsschiffe des 18. Jahrhunderts oft als „schwimmende Hölle“ geschildert, bemannt mit zum Dienst gezwungenen Seeleuten, die in ständiger Furcht vor ihren sadistischen Offizieren lebten.

Dieses Bild ist zwar stark überzeichnet; gleichwohl war der Dienst in der Royal Navy in den Augen vieler Seeleute wenig verlockend. Nur wenige Matrosen meldeten sich wie James Cook freiwillig zur Marine. Was die Royal Navy den Seeleuten so verhaßt machte, war neben der harten Disziplin vor allem die relativ schlechte und oft auch unregelmäßige Bezahlung. War die Bemannung der Schiffe in Friedenszeiten schon schwierig genug, blieb in Kriegszeiten meist keine andere Wahl, als Matrosen zum Dienst zu zwingen oder zu „pressen“. Doch selbst die Androhung der Todesstrafe konnte nicht verhindern, daß sich viele Seeleute ihrer Dienstpflicht durch Desertion entzogen.

Die strikte Disziplin an Bord britischer Kriegsschiffe war nicht allein aus militärischen Gründen, sondern vor allem aufgrund der ständigen Auseinandersetzung mit den Naturgewalten erforderlich. Auch auf Handelsschiffen gab es eine klare Bordhierarchie mit dem Kapitän an der Spitze, obgleich hier die Disziplin meist weniger streng gehandhabt wurde. An Bord eines Kriegsschiffs kam der Kommandant für die Seeleute gleich nach Gott. Er besaß eine fast unumschränkte Kommando- und Strafgewalt über seine Männer.

Die rechtliche Grundlage der Disziplin in der Royal Navy bildeten die „Articles of War“ („Kriegsartikel“). Viele Bestimmungen sahen als einzige Strafe den Tod vor – doch das galt auch für die damaligen Strafgesetze an Land. Während bei schweren Straftaten, wie Desertion oder Meuterei, ein Kriegsgericht zuständig war, wurden kleinere Delikte wie Nachlässigkeit oder Trunkenheit im Dienst ohne Gerichtsverfahren durch den Kommandanten an Bord geahndet. Bei geringfügigen Verfehlungen wurden Strafarbeiten oder der Entzug der täglichen Rumration verhängt, bei schwereren Vergehen wurden die Matrosen ausgepeitscht.

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Auch Kapitän Cook hielt an Bord strenge Disziplin, doch war er im Gegensatz zu vielen anderen Kommandanten der Royal Navy kein tyrannischer Schinder. Obgleich er nicht vor dem Einsatz der Peitsche zurückscheute, achteten ihn die Männer für seine Bemühungen um ihr Wohlergehen. Kapitäne wie er hatten erkannt, daß auch die Matrosen menschliche Wesen waren und daß ein „glückliches Schiff “ auch immer ein „tüchtiges Schiff“ war. Große Kriegsschiffe, wie Linienschiffe und Fregatten, wurden von Offizieren im Rang eines post captain (Kapitän zur See), kleinere Kriegsschiffe wie Korvetten hingegen von einem commander (Korvettenkapitän) kommandiert, während die kleinsten Schiffe, etwa Kanonenbriggs oder bewaffnete Transportschiffe wie James Cooks „Endeavour“, unter dem Befehl eines Leutnants standen. Bei der Führung des Schiffs wurde der Kommandant von seinen Offizieren unterstützt. Sie standen im Rang eines Leutnants und waren durch ein königliches Patent bestallt. Ein Seeoffizier mußte in erster Linie ein fähiger Seemann sein. Aus diesem Grund war seit 1677 für die Beförderung zum Leutnant ein mündliches Examen in Navigation und Seemannschaft vorgeschrieben. Die Kandidaten mußten 20 Jahre alt sein und sechs Jahre Seedienstzeit als Offiziersanwärter nachweisen können. Da es im 18. Jahrhundert noch keine geregelte Offiziersausbildung gab, besaßen die Kommandanten der britischen Kriegsschiffe das Recht, selbst Offiziersanwärter oder midshipmen an Bord zu nehmen. Doch der Aufstieg ohne hochgestellte Gönner war schwierig. Für eine erfolgreiche Offizierskarriere war daher neben professionellem Können Patronage eine wichtige Voraussetzung.

Im 18. Jahrhundert stammten die Offiziere der Royal Navy zum größten Teil aus dem Adel oder dem Bürgertum, während die einfachen Seeleute zumeist Angehörige der ländlichen und städtischen Unterschichten waren. Zwischen Matrosen und Offizieren existierten deutliche soziale Schranken, deren Überschreiten nur in wenigen Fällen möglich war.

Das wohl berühmteste Beispiel für einen solchen Aufstieg aus dem Mannschaftsstand ist James Cook. 1755 hatte er sich freiwillig zum Dienst in der Royal Navy gemeldet. Dank seiner Fähigkeiten als Nautiker war er rasch vom einfachen Seemann zum sailing master aufgestiegen. Als die Royal Society, die renommierte britische Akademie der Wissenschaften, die Marine im Jahr 1768 bat, eine Forschungsreise zur Pazifikinsel Tahiti auszurüsten, wurde Cook aufgrund seines guten Rufs als Nautiker und Kartograph zum Leutnant befördert und zum Kommandanten des Expeditionsschiffs „Endeavour“ ernannt. Zur Belohnung für seine außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen wurde er nach der Rückkehr von seiner ersten Reise zum commander und nach seiner zweiten Reise zum Kapitän zur See befördert sowie zum Mitglied der Royal Society gewählt.

Eine derart spektakuläre Karriere vom Matrosen zum Kapitän und hochgeachteten Wissenschaftler war jedoch sehr selten. Dagegen bot der Aufstieg zum Deckoffizier oder warrant officer auch den einfachen Seeleuten gewisse Karrierechancen. Diese standen im Rang unter den Seeoffizieren und erhielten ihre Ernennung nicht durch ein königliches Patent, sondern durch eine als warrant bezeichnete Bestallung des Navy Board, der Marineverwaltung. Als erfahrene Fachleute bildeten sie das Rückgrat der Besatzung eines jeden Kriegsschiffs. Der höchste Deckoffizier an Bord war der sailing master. Als Navigationsoffizier des Schiffs mußte er ein tüchtiger Seemann und Nautiker sein. Sein Status und sein Sold entsprachen dem eines Leutnants. Wie im Fall Cooks hatten sich die master oft bereits als Kapitän oder Steuermann in der Handelsschiffahrt bewährt, bevor sie in den Dienst der Royal Navy traten. Einen deutlich geringeren Rang besaßen die Handwerker unter den Deckoffizieren, wie Bootsmann, Kanonier und Zimmermann, die sich meist aus dem Mannschaftsstand hochgedient hatten…

Dr. Jann M. Witt

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