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Soldatenfrau, Marketenderin, Lagerdirne

Frauen in den Heeren der frühen Neuzeit

Soldatenfrau, Marketenderin, Lagerdirne
Reine Männergesellschaften sind die Heere in Europa erst seit dem 19. Jahrhundert. Davor gehörten Frauen und oft auch Kinder selbstverständlich zum Troß dazu, den die Soldaten wie einen Schweif hinter sich herzogen.

Militärgeschichte ist die letzte echte Männersache! Dieser Eindruck ergibt sich bei der Lektüre kriegsgeschichtlicher Darstellungen ebenso wie bei der Betrachtung von Bildern mit Schlachten oder modernen Kriegsfilmen. Sie handeln von Männern, meist in einem geradezu geschlechtsfreien Umfeld. Frauen kommen nur am Rande vor, als Angehörige der Zivilbevölkerung, als Opfer oder Beschützte, allenfalls Krankenschwestern. Wie tief diese Vorstellung in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, zeigen nicht zuletzt die aktuellen Diskussionen um Frauen im Militär, die von Gegnern wie Befürwortern entweder als neue Erfindung von Moderne und Emanzipation oder als Verstoß gegen die Natur der „friedfertigen Frau“ (Margarete Mitscherlich) empfunden werden, wobei sich die seltsamsten Koalitionen ergeben.

Es lohnt sich auf jeden Fall, historisch einmal genauer hinzusehen. Schnell zeigt sich, daß die vermeintliche Selbstverständlichkeit eine ziemlich kurze Geschichte hat. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich die Heere in Europa zu jenen reinen Männergesellschaften entwickelt, die heute für den Normalfall gehalten werden. Betrachtet man die allgemein zugänglichen Quellen und bekannten Bilder früherer Zeiten jedoch genauer, tauchen jene Menschen auf, die durch den gewohnten Raster im Schatten blieben: Frauen gehörten als ganz normaler Bestandteil zu den Heeren der Frühen Neuzeit und waren aus der militärischen Lebenswelt nicht wegzudenken. Und – dies sei gleich hinzugefügt – auch ihre Kinder.

Blicken wir also auf die Rolle von Frauen im Kriegswesen der Epoche von 1500 bis 1800. Dabei wollen wir uns auf diejenigen Erscheinungen und ihren Wandel während dieser drei Jahrhunderte beschränken, die für die Situation der Mehrheit repräsentativ waren. Von den wenigen überlieferten Fällen, in denen Frauen – normalerweise zumindest offiziell unerkannt – in Männerkleidern mitkämpften, soll hier nicht die Rede sein. „Amazonen“ und „Heldenjungfrauen“ waren seltene Ausnahmen. Immerhin wurden sie (anders als später) in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit offenbar nicht als Skandal wahrgenommen. In kriegsrechtlichen Erörterungen der Epoche wird zwar der Waffendienst von Frauen nicht positiv gesehen, doch findet sich auch die pragmatische Anweisung, gefangene Frauen, die als Soldaten gedient hätten, nicht anders als männliche Kriegsgefangene zu behandeln. Ebenso sind noch im 18. Jahrhundert hier und da Pensionszahlungen an weibliche „Veteranen“ belegt, die als Soldaten an Feldzügen teilgenommen hatten. Allerdings sind die nachgewiesenen Einzelschicksale zu vereinzelt, um hieraus Schlüsse auf eine „Normalität“ zu ziehen.

Im Allgemeinen waren Frauen jedenfalls nicht als aktive Kämpfer eingereiht. Gewiß kam es immer wieder in Ausnahmesituationen besonderer Bedrohung zur Teilnahme von Frauen am bewaffneten Kampf: So etwa bei der Erstürmung von Städten oder wenn Troß oder Lager eines Heeres angegriffen wurden. Generell sollte sich erst im späten 17. und im 18. Jahrhundert nach und nach eine klare kriegsrechtliche Trennung durchsetzen zwischen Soldaten bzw. Kombattanten und Nichtkombattanten, denen die Frauen dann zugeordnet wurden.

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Mit dem Troß, dem „Bauch“ der frühneuzeitlichen Armeen, ist der Bereich angesprochen, in dem Frauen und Kinder das Bild der Heere mitprägten. Um die Rolle der Frauen zu verstehen, müssen wir uns zuerst kurz den sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen von Militär und Kriegswesen zuwenden. Wie wurden Heere zwischen 1500 und 1800 aufgebracht, wie wurden sie versorgt?

Für diese Fragen können wir die Epoche sehr grob in zwei Hälften unterteilen. In der ersten Hälfte mit Einschluß des Dreißigjährigen Krieges wurden Truppen nur für den aktuellen Bedarf aufgestellt und nach Ende des Feldzuges oder Krieges wieder entlassen. Dafür schlossen die Fürsten Verträge mit einzelnen Kriegsprofis, die als Hauptleute oder Obristen auf dem freien Markt Söldner anwarben und sich dann mit den kompletten Einheiten an die Kriegsherrn vermieteten. Nach ungefähr 1650 entwickelten sich dann nach und nach die „stehenden Heere“, deren Soldaten auch in Friedenszeiten im Dienst behalten wurden. Aus dem freien Vertragsverhältnis zwischen Fürst und Söldnerunternehmer wurde schließlich die Bindung des Offiziers als Staatsdiener an den Landesherrn, der zunehmend das ganze Militärwesen unter zentrale staatlich organisierte Kontrolle brachte. Aus dem freien Söldner wurde der langdienende, scharf disziplinierte und einheitlich uniformierte Soldat.

Erst an diesem Punkt wurde aus dem reinen Kriegs- ein Militärwesen, das nicht mehr nur im Krieg existierte. Für die Versorgung der Heere bedeutete diese Entwicklung ebenfalls eine Tendenz zur zentralen Organisation und Regelung, zur Anlegung von zentralen Magazinen, aus denen die Truppen wenigstens zeitweise versorgt wurden und zur Kontrolle und Aufsicht über den Bereich der Versorgung. Allerdings läßt sich hier nur ein sehr langsamer Wandel feststellen, der am Ende des 18. Jahrhunderts noch keineswegs abgeschlossen war. Erst im 19. Jahrhundert lösten eigene militärische Versorgungseinheiten die zivilen Lieferanten, Händler und Handwerker ab, deren Dienste man bis dahin für den aktuellen Bedarf angemietet hatte.

Diese Entwicklung ist insofern wichtig, als sie auch jene Tendenzen widerspiegelt, die für die Stellung von Frauen in den Heeren grundlegend waren. Zum einen brachte der Übergang zum „miles perpetuus“ des stehenden Heeres die Notwendigkeit mit sich, die Soldaten und ihren Anhang dauerhaft und regelmäßig zu bezahlen, zu versorgen und unterzubringen. Er war untrennbar verbunden mit der Ausdifferenzierung staatlicher Verwaltung, die die finanziellen und organisatorischen Grundlagen der stehenden Heere sicherte. Zum anderen ermöglichte dies den wachsenden Einfluß der Kriegsherrn bzw. der Staaten auf die Heere. Erst dieser erlaubte es, obrigkeitliche Vorstellungen über Disziplin und Moralität bis hinunter zu den einfachen Soldaten durchzusetzen.

Doch beginnen wir mit der materiellen Situation an der Basis. Solange die Verproviantierung der Heere nicht durch Magazine und planmäßige Zufuhren organisiert war, waren die Armeen ganz auf den sie begleitenden Troß angewiesen. Zum Troß gehörten „zivile“ Metzger und Bäcker, Handwerker, Wirte und Wundärzte, Familien und Dienstpersonal, vor allem aber prägten die mitfahrenden Händler das Bild: die Marketender. Die Söldner verpflegten sich selbständig auf dem freien Lagermarkt, den die Marketender bedienten. Die Heerführer konnten sich darauf beschränken, ihn durch beauftragte Troßmeister, wie den „Hurenwaibel“ des 16. Jahrhunderts oder später den für die Ordnung zuständigen „Profoß“ überwachen zu lassen. Obwohl der Troß mit seinen Hunderten und Tausenden von Wagen, Tieren und Menschen die Beweglichkeit der Heere einschränkte, wuchs er unaufhaltsam; im Dreißigjährigen Krieg oft bis zum Eineinhalbfachen der Armee, der er folgte. Troß und Heer waren untrennbar verbunden: So wie die Kriegsleute ohne ihn verhungert wären, so boten der karge Sold und die Beute der Söldner den „Trossern“ ein Auskommen, manchmal die einzige Überlebenschance in den vom Krieg verwüsteten Landstrichen…

Daniel Hohrath

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