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Staatsmann, Feldherr und Dichter

Das Jahrhundert Qianlongs

Staatsmann, Feldherr und Dichter
Wie seinem Zeitgenossen Friedrich dem Großen war Qianlong eine lange Regierungszeit beschieden. Von 1735 bis 1796 regierte er das „Reich der Mitte“; wirtschaftlicher Wohlstand und politische Stabilität prägten seine Herrschaft im chinesischen Kernland. An den Grenzen setzte er die von seinem Großvater Kangxi begonnene Expansion in Zentralasien fort.

Bereits von seinem Großvater erhielt Qianlong eine besondere Förderung. Kangxi nahm ihn auf Jagdausflüge mit und ließ ihn von den berühmtesten Gelehrten des Reichs unterrichten. So entwickelte sich Qianlong zu einem geschickten Reiter und Militärführer und wurde mit der chinesischen Kultur bestens vertraut. Später trat er als Dichter, Kalligraph und Maler in Erscheinung. Seinen Großvater, dem es gelungen war, die Herrschaft der aus der Mandschurei stammenden Dynastie in China zu festigen und der in Europa zum Vorbild eines „aufgeklärten Monarchen“ stilisiert wurde, verehrte Qianlong ein Leben lang. Als besonderes Zeichen seiner „vollkommenen Pietät“ gegenüber Kangxi galt Qianlongs Entschluss, 1796 offiziell abzudanken, um nicht die 60-jährige Herrschaftszeit des Großvaters zu übertreffen. Die faktische Macht hatte er freilich bis zu seinem Tod drei Jahre später inne.

Qianlongs Anspruch, Herrscher über alle Völker des Qing-Imperiums zu sein, kam in seiner breiten Bildung und in der Förderung der Kulturen seiner Untertanen zum Ausdruck. Mit Mandschurisch, Chinesisch, Mongolisch, Uigurisch und Tibetisch beherrschte er alle offiziellen Sprachen seines Vielvölkerimperiums. Besonders widmete Qianlong sich der Stärkung des Erbes der eigenen Mandschu-Kultur, indem er Wörterbücher, Geschichtswerke und Genealogien in Auftrag gab, in denen die Geschichte und die Kultur der Mandschu glorifiziert wurden. Ausstellungen des heutigen Palastmuseums weisen ihn als einen leidenschaftlichen Kunst- und Antiquitätensammler aus.

Mit Qianlongs Namen verbindet sich nicht zuletzt die Zusammenstellung der größten Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts, der „Sämtlichen Schriften in vier Schatzkammern“ (Siku quan-shu). Das Projekt, an dem 15 000 Gelehrte aus dem ganzen Land beteiligt waren, begann 1773 mit einer Bestandsaufnahme der chinesischen Tradition. Von den erfassten 10 860 Schriften wurden allerdings nur 3593 Werke in die gigantische Edition aufgenommen. 2400 Schriften fielen der kaiserlichen Zensur zum Opfer und wurden vernichtet; kulturelle Leistung war also eng mit literarischer Inquisition verbunden. Eine systematische Erfassung des Wissens in seinem Imperium gehörte für Qianlong ebenso zur monarchischen Herrschaftspraxis wie militärische Eroberung und politische Kontrolle.

Wegen seiner vielseitigen Interessen und seiner Tatkraft ging der Monarch als „weiser Herrscher“ in die chinesische Geschichtsschreibung ein. Er verkörperte sowohl chinesische als auch mandschurische Herrscherideale. Von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht soll er sich den Staatsgeschäften gewidmet haben. Dieses Bild wurde auch den europäischen Gesandten am Kaiserhof vermittelt. Johann Christian Hüttner, der deutsche Begleiter der britischen Macartney-Mission von 1793, schwärmte: „Er steht allzeit des Morgens um zwei Uhr auf, betet in einem Lama-Tempel und widmet fast den ganzen übrigen Tag den Regierungsgeschäften. Seine genaue Kenntnis des Reichs, der Sitten und der immer wiederkehrenden Ereignisse macht, dass er trotz aller meist glücklichen Mühe der Minister, ihn zu betrügen, oft Fehler entdeckt und die vielen Glieder, durch welche die Regierung des Landes verwaltet wird, vom ersten Minister an bis zum untersten Mandarin, in Achtung hält.“

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Engen Verwandten blieben unter Qianlongs Herrschaft die Staatsämter verwehrt. Er hielt den kaiserlichen Klan auf Distanz. Eine Ausnahme bildete seine Mutter, die Kaiserinwitwe Xiao-sheng (1693–1777). Alle drei Tage suchte er sie auf; an Festtagen ließ er ihr besondere Ehrungen zukommen.

Zu Qianlongs Repräsentation kaiserlicher Machtvollkommenheit gehörte – wie bei den europäischen Herrschern seiner Epoche – der Ausbau der Hauptstadt und der monarchischen Residenz. In Peking wurden Paläste, Tempel, Stadtmauern und Tore restauriert und erweitert. Die Provinzgouverneure erhielten den Auftrag, die Stadtmauern, Amtssitze, Straßen und Kanäle ihrer Verwaltungsbereiche zu erneuern. Im Nordwesten der Hauptstadt erstrahlte die Qing-kaiserliche Sommerresidenz Yuanmingyuan in neuem Glanz. 1747 beauftragte Qianlong die am Kaiserhof lebenden Jesuiten mit der Errichtung einer neuen Palastanlage „im Stile der europäischen Barbaren“. Der deutsche Hofmaler Ignatius Sichelbarth und sein italienischer Kollege Fernando Bonaventura Moggi waren die Architekten. Der Franzose Michel Benoist konstruierte die Wasserspiele der neuen Anlage. Es entstand eine faszinierende Mischung europäischer und chinesischer Garten- und Palastbaukunst. Ein Jahrhundert später fiel der Yuanmingyuan 1860 im zweiten Opiumkrieg den Brandschatzungen britischer und französischer Truppen zum Opfer.

Zum glorreichen Abschluss nach insge‧samt 90-jähriger Bauzeit brachte Qianlong auch eine zweite kaiserliche Sommerresidenz bei Chengde, 250 Kilometer nordöstlich von Peking. Sie hatte seinen Vorgängern zunächst als Station auf dem Weg zu den kaiserlichen Jagdgründen gedient. Qianlong ließ dort eine 564 Hektar umfassende Palast- und Parklandschaft entstehen, die er auch als ein wichtiges diplomatisches Zentrum nutzte.

In der Architektur der Paläste und Tempel und der sie umgebenden Gartenanlagen spiegelte sich die Multikulturalität des Qing-Imperiums. Eine Miniaturausgabe des Potala, der Residenz des Dalai Lama in Lhasa, symbolisierte den kaiserlichen Machtanspruch über Tibet, ein südchinesischer Tempel im Stil der Jiangnan-Region das Selbstbewusstsein der Qing-Kaiser als Herrscher über die Zentren der chinesischen Kultur. Im Sommerpalast von Chengde empfing Qianlong neben den Repräsentanten seiner zentralasiatischen Untertanen 1793 auch die Gesandtschaft des britischen Königs. Wie bei keinem seiner Vorgänger fand seine Imperialherrschaft auch einen architektonischen und ästhetischen Ausdruck…

Literatur: Johann Christian Hüttner, Nachricht von der Britischen Gesandtschaftsreise nach China 1792 –1794. Herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Sabine Dabringhaus. Stuttgart 1996. Jacques Gernet, Die chinesische Welt. Die Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Jetztzeit. Frankfurt am Main 2004. Helwig Schmidt-Glintzer, Kleine Geschichte Chinas. München 2008.

Kaiser von China

Ming-Dynastie 1368–1644 Die einheimische Ming-Dynastie beendet die Herrschaft der aus der Mongolei stammenden Yuan-Kaiser.

Qing-Dynastie 1644 –1911 Die letzte chinesische Herrscherdynastie stammt ursprünglich aus der Mandschurei. Die vereinten Stämme der Mandschu dringen 1641 in China ein und erobern in kurzer Zeit das gesamte Reich.

Erster Qing-Kaiser ist Shunzhi (1644–1661), gefolgt von: Kangxi (1661–1722) Yongzheng (1723–1735) Qianlong (1735–1796) Jiaqing (1796 –1820)

Mit der erzwungenen Abdankung des letzten Qing-Kaisers Puyi (1908–1912) wird China Republik.

Prof. Dr. Sabine Dabringhaus

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