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Staatstragender Glaube

Religion im Inka-Reich

Staatstragender Glaube
Religion und Politik bedingten einander im Inka-Reich. Der Inszenierung kollektiver Feierlichkeiten kam dabei maßgebliche Bedeutung zu. Die religiösen Vorstellungen unterworfener Völker unterdrückten die Inka nicht, sondern integrierten deren übernatürliche Wesen in den eigenen Götterhimmel.

Bei Aufbau und Organisation ihres Staatswesens, das zum Zeitpunkt der Eroberung durch die Spanier das gesamte Andengebiet von Südkolumbien bis Mittelchile umfasste, setzten die Inka die Religion als konstitutives Element ein. Dabei bedienten sie sich der religiösen Traditionen ihrer unterworfenen Gegner. Zunächst nutzten die Inka den Umstand für sich, dass regionale Bevölkerungsgruppen einer bestimmten Gottheit, huaca, die meist als mythischer Vorfahr der Ortschaft oder der ethnischen Gruppe galt, besondere Verehrung zuteil werden ließen und sich mit ihr identifizierten. Diese Götterfigur wurde nach der Unterwerfung durch die Inka in die Reichshauptstadt Cuzco transportiert, wo man sie in der Coricancha (= goldener Hof), dem zentralen Heiligtum des Inka-Reichs, aufstellte. Einerseits kam die Überführung der Bildnisse der lokalen Gottheiten nach Cuzco einer Geiselnahme gleich, die alle Unabhän‧gigkeitsbestrebungen ihrer Anhänger im Keim ersticken sollte. Andererseits beinhaltete die Aufnahme lokaler Gottheiten in die wichtigste Kultstätte der inkaischen Staatsreligion, dass diese Götter von den Inka göttlich verehrt wurden. So betrachtet, kann das lokale Götterbildnis als Repräsentant seiner Provinz in Cuzco aufge‧fasst und die Coricancha als Sinnbild des inkaischen Staatsgefüges verstanden werden.

Als zweite Maßnahme zur Festigung ihrer Herrschaft führten die Inka in den neueroberten Gebieten die Verehrung des Sonnengottes als offiziellen Staatskult ein. Kultzentren mit überregionaler Ausstrahlung, wie der bedeutende Wallfahrtsort Pachacamac an der zentralperuanischen Küste südlich der heutigen Hauptstadt Lima, wurden von den Inka in ihr religiöses System integriert. Dabei variierte die Behandlung der lokalen Gottheiten je nach ihrer Bedeutung. So verblieb die Repräsentation des Gottes Pachacamac in der Kultstätte. Als Neuerung fügten die Inka lediglich die im inkaischen Stil gehaltenen Bauten für den Sonnengott, seine Priesterschaft und die Sonnenjungfrauen hinzu.

Ein zentrales Motiv in den Mythen der prä‧kolumbischen Andenvölker handelt vom Kampf andiner Gottheiten untereinander. In den Erzählungen wird häufig die Unterwerfung oder Verdrängung einer Gottheit mit derjenigen der ethnischen Gruppe gleichgesetzt, die diesen Gott verehrte. So stellten sich dem erobernden Inka in der zwischen 1613 und 1620 entstandenen Chronik des indigenen Autors Santacruz Pachacuti Yamqui Salcamaygua zunächst die Huaca, das heißt die Gottheiten der betreffenden Regionen, in den Weg. Die ethnische Gruppe wurde mit ihrer Huaca identifiziert. War diese besiegt, unterwarfen sich auch ihre Anhänger.

Cristóbal de Molina aus Cuzco, dem wir viele Informationen über die inkaische Staatsreligion verdanken, zeichnete um 1573 einen Mythos auf, die dem oben aufgeführten „Götterkampf-Motiv“ entspricht. Sie berichtet, wie der Inka-Gott Viracocha rebellische Menschen und deren Götter, die seine Gebote nicht befolgt hatten, in Steine verwandelte. Der Mythos verschaffte den Inka eine Legitimation ihres Herrschafts‧an‧spruchs über das gesamte Andengebiet und zugleich einen Vorwand für die Expansion des Inka-Reichs. Dort heißt es nämlich, der Schöpfergott Viracocha habe die Inka zu Herren über die anderen Andenvölker ernannt und ihnen die Rolle von Kulturheroen übertragen, damit sie den anderen Menschen, die noch ganz barba‧risch lebten, eine politische Ordnung geben sollten. Als weitere Rechtfertigung des inkaischen Imperialismus führte die Inka-Mythologie an, die Inka seien nach der Sintflut, die alles Leben vernichtete, die Stammväter der neuen Andenbevölkerung gewesen, weshalb die übrigen Andenbewohner ihnen tributpflichtig seien und ihnen Gefolgschaft zu leisten hätten.

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Weniger ist von den kosmologischen Vorstellungen der präkolumbischen Andenvölker bekannt. Man dachte sich das Universum in drei Schichten aufgeteilt: hanan pacha, die „Oberwelt“, galt als Sitz der Götter; kay pacha, „diese Welt“, als Wohnort der Menschen, Tiere und Geistwesen; in uku pacha, der Welt im Erdinnern, lag der Aufenthaltsort der Erdmutter und der Toten.

Nach der Eroberung integrierten die Inka regional verehrte Gottheiten und ihre Kulte in die Staatsreligion ihres Reichs. Dies trug zwar wesentlich zur Festigung des Inka-Reichs bei, doch veränderten sich durch diesen Integrationsprozess sowohl die Religionen der neu eingegliederten Regionen als auch die der Inka. Kurz vor der spanischen Eroberung fand sich daher im Pantheon der Inka eine Vielzahl von Göttern, von denen einige bereits stärker in die Staatsreligion integriert waren, andere hingegen noch deutlich das Gepräge ihrer Herkunft trugen.

Im Inka-Reich verehrte man die beiden Schöpfergottheiten Viracocha, einen Gott des Andenhochlands, und Pachacamac, dessen Heiligtum an der Küste Perus lag. In später präkolumbischer Zeit hatte die Priesterschaft Pachacamacs ihren Einflussbereich über weite Teile der Küste und des angrenzenden Andenhochlands ausgedehnt. Pachacamac vermochte als Schöpfer des Universums zum Wohl, aber auch zum Schaden der Menschen zu wirken, da er durch eine bloße Drehung seines Körpers das Weltende herbeiführen konnte. Dennoch war er weder „gut“ noch „böse“. Als moralische Kategorien waren Gut und Böse generell in den vorkolonialen amerikanischen Religionen nicht bekannt.

Prof. Dr. Iris Gareis

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An|os|to|se  〈f. 19; unz.; Med.〉 Knochenschwund [<grch. an … mehr

♦ Zi|tro|nen|fal|ter  〈m. 3; Zool.〉 Tagfalter aus der Gruppe der Weißlinge mit gelben Flügeln: Gonepteryx rhamni

♦ Die Buchstabenfolge zi|tr… kann in Fremdwörtern auch zit|r… getrennt werden.

Elas|tin  〈n.; –s; unz.; Biol.〉 Gerüsteiweißstoff, Grundsubstanz des elast. Gewebes

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