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Stellvertreter des Kaisers

Die Familie Thurn und Taxis und der Immerwährende Reichstag

Stellvertreter des Kaisers
Von 1748 bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 waren die Fürsten von Thurn und Taxis kaiserliche Prinzipalkommissare – und damit Stellvertreter des Herrschers beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg. Die Thurn und Taxis übten dieses Amt mit einer wahrhaft kaiserlichen Repräsentation aus.

Regensburg, die alte Römerstadt am nördlichsten Punkt der Donau, schmückt sich mit vielen Attributen, die auf die Einzigartigkeit ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihrer Altstadtsilhouette hinweisen sollen. „Mittelalterliches Wunder“ oder „einzig erhaltene Großstadt des Mittelalters“ nennt man sie wegen des fast unversehrten mittelalterlichen Altstadtensembles mit den eindrucksvollen Geschlechtertürmen und Patrizierburgen. Bei der Bewerbung Regensburgs um die Wahl zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 wurde zunächst ebenfalls das Attribut „einzigartige mittelalterliche Stadt“ gegenüber den Mitkonkurrenten in den Vordergrund gestellt. Doch bald darauf gesellte sich dazu ein zweites Schlagwort, das bisher innerhalb der Bürgerschaft und bei den Touristen nur sehr vage durch den Reichstagssaal und das Reichstagsmuseum im Alten Rathaus im Gedächtnis haften geblieben war: Regensburg als „Stadt des Immerwährenden Reichstags“ und Sitz des ersten deutschen Ständeparlaments.

Das mittelalterliche deutsche Reich war ein Reich ohne Hauptstadt. Staatliche Herrschaft und staatliche Verwaltung konnten daher nicht von einem festen Regierungszentrum ausgeübt werden. Das mittelalterliche Reich basierte auf der persönlichen Beziehung zwischen den Lehnsmännern und dem König bzw. Kaiser als oberstem Lehnsherrn. Diese persönliche Ausübung der Königsherrschaft brachte es mit sich, daß der Herrscher in seinem Reich nahezu ohne Unterlaß umherziehen mußte, um die Huldigungen seiner Vasallen entgegenzunehmen. Dazu suchte der König verschiedene Orte von überregionaler Bedeutung auf, die zum einen den reisenden König samt Gefolge verköstigen und beherbergen, zum anderen die Versammlungen mit den Großen einberufen konnten. Regensburg gehörte seit dem Mittelalter zu diesen Vororten des Reichs und nahm unter diesen eine herausragende Stellung ein.

An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit erinnerte sich Kaiser Maximilian I. an die „königliche“ oder „kaiserliche Stadt“. Der kaiserliche Diplomat und Dichter Riccardo Bartolini bezeichnete sie damals sogar als „Stadt des Königs“. Vor diesem Hintergrund nahm vor allem sein Enkel Kaiser Karl V. die Tradition der mittelalterlichen Reichsversammlungen in Regensburg wieder auf. Erstmals im Jahr 1532 wurde der Reichstag, die Versammlung der Großen des Reiches in Anwesenheit des Kaisers, wieder in die Donaustadt einberufen. Seit 1556/57 schrieb man die Reichstage mit Vorliebe, von 1594 an ausschließlich, nach Regensburg aus.

Die Gründe für diese allmähliche Monopolisierung der Reichstage in Regensburg dürften vielschichtig sein, sich auch im Lauf der Jahrhunderte schwerpunktmäßig etwas verschoben haben. Hatte Kaiser Karl V. wegen der engen Bindung an sein Geburtsland, die Spanischen Niederlande, zunächst noch die benachbarten rheinischen Reichsstädte oder in Süddeutschland Augsburg als Ort der Reichsversammlungen favorisiert, so sah sein Bruder Ferdinand I. als Nachfolger auf dem Kaiserthron die habsburgischen Interessen besser in Regensburg aufgehoben. Die Reichsstadt galt als „habsburgisch“ und als Pfahl des Reiches im bayerischen Territorium der Wittelsbacher.

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Ein weiterer Vorteil bestand darin, daß seit 1542 zwar das Stadtregiment protestantisch war, jedoch mit dem Bischof und den drei Reichsstiften St. Emmeram, Ober- und Niedermünster die konfessionellen Verhältnisse als ausgewogen angesehen wurden. Da das Schiff während der gesamten frühen Neuzeit das bequemste und flußabwärts auch das schnellste Verkehrsmittel für Fernreisen war, stellte der Donaustrom die bevorzugte Verbindung der Kaiser zwischen ihrer Residenz Wien und der Stadt der Reichsversammlungen dar. Sozusagen als „geographisches Herz“ Deutschlands, lag sie zudem fast zentral zwischen den reichspolitischen Machtzentren Wien, Berlin, Hannover, Köln, Frankfurt und Mainz.

Durch den mit dem wirtschaftlichen Niedergang Regensburgs im Spätmittelalter verbundenen Bevölkerungsschwund konnten die zu den Reichsversammlungen anreisenden Potentaten samt Gefolge in der Stadt standesgemäß untergebracht werden. Selbst der Kaiser fand in der Herberge „Goldenes Kreuz“ oder im nahe gelegenen Bischofshof eine adäquate Absteige. Aufgrund dieser Vorzüge hielt man 1541, 1546 und 1601 dort auch die Religionsgespräche zwischen Katholiken und Protestanten ab. Kaiser Rudolf II. (1576 –1612) trug sich sogar mit dem Gedanken, die kaiserliche Residenz ganz von Prag nach Regensburg zu verlegen, weil die Donaustadt die vielfältigen Anforderungen als „neutraler“ Zentralort für die Versammlungen des Reichstags am besten erfüllen würde. Inmitten des Dreißigjährigen Krieges kam es am 3. Juli 1630 mit der Eröffnung des Kurfürstentags in Regensburg zu einer glanzvollen Versammlung von Fürsten, Gesandten und Räten aus den bedeutendsten europäischen Staaten. Kaiser Ferdinand II. war bereits Wochen zuvor per Schiff nach Regensburg gekommen, ihm folgten später der Mainzer Kurfürst und Reichserzkanzler Anselm Casimir von Umstadt, der frankreichfreundliche Philipp von Sötern aus Trier und der Kölner Kurfürst Ferdinand von Bayern. Aus München war Kurfürst Maximilian I. von Bayern angereist; die protestantischen Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg ließen sich durch ihre Gesandten vertreten. Mit ihrem zahlreichen Gefolge, den Bediensteten und Bewaffneten versammelten sich im Sommer 1630 auf diese Weise an die 2000 Personen in Regensburg.

Das nächste Großereignis in der Stadt war die glanzvolle Reichsversammlung von 1653/54, in Anwesenheit Kaiser Ferdinands III., zahlreicher Kurfürsten und Fürsten. Sie endete nach fast einem Jahr Beratungen mit dem sogenannten Jüngsten Reichsabschied. Letztmals wurden damit die Beratungs- und Schlußergebnisse der Reichsversammlung umfassend publiziert. Aus dem „Reichstag“ war, wie Spötter damals in Regensburg kritisch bemerkten, ein „Reichsjahr“ geworden.

Literatur Dieter Albrecht (Hrsg.), Regensburg – Stadt der Reichstage. Vom Mittelalter zur Neuzeit. Schriftenreihe der Universität Regensburg 21. Regensburg 1994. Karl Otmar Freiherr von Aretin, Das alte Reich. 1648 –1806. 4 Bände. Stuttgart 1993.

Dr. Martin Dallmeier

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