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Stetes Auf und Ab

Die franziskanischen Orden in der Neuzeit

Stetes Auf und Ab
Nicht nur die Reformation machte den franziskanischen Orden in der Neuzeit zu schaffen. Eine weitere große Bedrohung für ihr Fortbestehen bedeutete die Aufklärung, in der die plakative Volksfrömmigkeit der Franziskaner wie ein Aberglauben aus vergangenen Zeiten erschien. Doch auch diese Krise überstanden Observanten, Minoriten und Kapuziner.

Die Reformation stellte einen gravierenden Einschnitt in der Geschichte der Franziskaner dar, der im deutschsprachigen Raum zeitweise sogar ihre Existenz zu gefährden drohte. Die Theologie Martin Luthers stellte das Mönchtum insgesamt in Frage. Es basierte auf der Vorstellung, dass der Verzicht auf Erden die Teilhabe am Reich Gottes sicherte. Dagegen stellte Luther den Lehrsatz, dass nicht gute Werke, sondern allein der Glaube selig mache. Für den Wittenberger Reformator war das Mönchtum reines Menschenwerk, das nicht direkt aus der Heiligen Schrift zu begründen war. Mehr noch: Er sah gerade in den Mendikanten, den Bettelmönchen, Müßiggänger, die auf Kosten der Gesellschaft lebten und durch ihr Almosen-Sammeln den wirklich Armen schadeten.

Der Angriff der Reformation auf die Grundlagen ihrer Lebensweise traf die Franziskaner zudem in einer Zeit, in der ihr Ansehen in vielen Teilen Europas gesunken war. Kritik an den Bettelorden war zumal im deutschsprachigen Raum um 1500 Legion; sie seien Betrüger, so der Standardvorwurf, die heimlich Besitz horteten und ihre Armut nur vorschützten. Diese Art der Kritik war weniger grundsätzlich als die Luthers – denn sie erkannte den Wert der Armut im Prinzip an und rieb sich nur an der mangelnden Umsetzung des Ordensideals. Aber sie schmälerte das Ansehen der Franziskaner und ließ Zweifel daran erkennen, ob das Armutsideal wirklich lebbar war. Und auch der Orden selbst rang – wieder einmal – um den richtigen Weg zur Verwirklichung der franziskanischen Idee der paupertas. Bereits im 13. Jahrhundert war eine Bewegung innerhalb der Franziskaner entstanden, die eine zu starke Aufweichung der Armut kritisierte und eine buchstabengenaue Beachtung („Observanz“) der Regel forderte. Die Auseinandersetzung um die „Observanten“ nahm so scharfe Formen an, dass Papst Leo X. 1517 – im Jahr der Veröffentlichung der Thesen Luthers also – schließlich die Konsequenzen zog und die beiden Richtungen voneinander trennte. So entstanden zwei Orden, die strikten Observanten, die an der Eigentumslosigkeit des Ordens festhielten, und die „Minoriten“ oder „Konventualen“. Für diese galt zwar auch, dass das einzelne Ordensmitglied der Armut verpflichtet sei, wohl aber sollte der Orden oder ein Kloster über Besitz und Einkünfte verfügen können.

Wo sich in Europa die Reformation durchsetzte, da wurden die meisten Franziskanerklöster geschlossen. Dabei zeigte sich, dass die Minoriten schwerere Verluste hinnehmen mussten als die Observanten, vor allem im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Hatten hier zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch knapp 200 Minoriten- und gut 160 Observantenklöster bestanden, so sahen die Verhältnisse 50 Jahre später ganz anders aus: Von den Häusern der Minoriten waren ganze 65 übriggeblieben, während immerhin noch gut 130 Niederlassungen der Observanten existierten. Die Observanten vermochten sich von diesem Einbruch wieder zu erholen – 1700 verfügten sie mit etwa 260 Klöstern über mehr Häuser als je zuvor. Die Zahl der Minoritenklöster hingegen sollte nur noch geringfügig steigen.

Es fällt also auf, dass die Ordensrichtung, die ein strenges Armutsideal vertrat, nicht nur den Ansturm der Reformation besser überstand, sondern vom späten 16. Jahrhundert an auch eine neue Blüte erlebte. Auffallend ist zudem, dass auf der Iberischen Halbinsel, wo bereits um 1500 die strengere Richtung des Ordens klar dominierte, von einer Krise des Armutsideals keine Rede sein konnte. Dort gab es Probleme nur mit Reformzweigen, denen an noch strikterer Armut gelegen war. Auch wenn die Reformation einen dramatischen Einschnitt in der Geschichte der Franziskaner bildete, so hatte das Armutsideal im Katholizismus doch keineswegs grundsätzlich an Attraktivität verloren. Mehr noch: Mit der Reform und Wiedererstarkung der katholischen Kirche von der Mitte des 16. Jahrhunderts an erlebten die franziskanischen Bettelorden einen neuen Höhepunkt in ihrer Geschichte.

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Dieser wurde durch zwei Entwicklungen eingeläutet. Zum einen sammelte die katholische Kirche auf dem Konzil von Trient, das mit langen Unterbrechungen von 1545 bis 1563 tagte, wieder ihre Kräfte. Sie grenzte sich im Hinblick auf Theologie und seelsorgerische Praxis klar vom Protestantismus ab und gewann so neuen Schwung. Zum anderen war bereits zwei Jahrzehnte vor Trient, im Jahr 1525, in Mittelitalien eine weitere franziskanische Reformbewegung entstanden. Sie sollte 1619 zum selbständigen Orden aufsteigen. Einige Franziskaner hatten ihre Klöster verlassen und sich in abgelegene Eremitagen zurückgezogen, um vollkommene Armut, ungestört von der „Welt“, zu leben. Sie trugen Habite aus grobem Stoff und mit einer besonders zugeschnittenen Kapuze, orientiert am Ordensgewand des heiligen Franziskus. Auffallend waren zudem ihre langen, ungepflegten Bärte, die als Zeichen der Armut und Weltabgewandtheit galten. Die Mitglieder dieser rasch wachsenden, zunächst etwas skurril anmutenden Gemeinschaft wurden von den Gläubigen „Kapuziner“ genannt – ein Name, den sie bald selbst annahmen…

PD Dr. Hillard von Thiessen

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Di|a|zo|ver|bin|dun|gen  〈Pl.〉 wichtige Gruppe organisch–chemischer Verbindungen, die eine Azogruppe (–N=N–) an einem Arylrest gebunden enthalten, von techn. Bedeutung bei der Herstellung der Azofarbstoffe

Wind|spiel  〈n. 11; Zool.〉 ein in Italien gezüchteter, kurzhaariger Windhund mit einer Schulterhöhe von bis zu 35 cm

Kar|zi|no|gen  〈n. 11; Med.〉 krebserregender Stoff

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