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Symbol der Herrschaft

Der Kreml als Ort der Zarenkrönung

Symbol der Herrschaft
Anfang des 18. Jahrhunderts wurde St. Petersburg, die Neugründung Zar Peters I. im Westen des Reiches, der Regierungssitz der russischen Herrscher. Bis zum Ende der russischen Monarchie aber war der Kreml, das alte Zentrum und Symbol zarischer Herrschaft in Moskau, der Ort, an dem die Zaren gekrönt wurden.

Moskau im Jahr 1761: Peter III. folgt seiner Tante, der Zarin Elisabeth, auf dem russischen Thron nach. Vier Monate später weist Friedrich II. seinen Gesandten an, den Zaren – der den Preußenkönig sehr verehrte – auf die Bedeutung aufmerksam zu machen, welche die Krönung für seine Legitimation besitze, und ihn zu nötigen, zur „heiligen Krönung zu eilen“. Peter aber scheut nicht nur die Reise von St. Petersburg nach Moskau, der bis zu seinem 17. Lebensjahr in Holstein Aufgewachsene schert sich auch wenig um die Tradition im Zarenreich.

Seit den Tagen Ivans IV., der sich 1547 als erster in der Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale (Uspenskij sobor) des Moskauer Kreml zum Zaren hatte krönen lassen, war die Krönungszeremonie das nach außen sichtbare Zeichen und die endgültige Legitimation des Herrscherwechsels. Ihre prunkvolle Ausgestaltung verwies immer auch auf Programmatik und Selbstverständnis des neuen Herrschers. Dies war an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert so, als der Kreml in der sogenannten Zeit der Wirren ein Hauptschauplatz des Wechsels von „echten“ und „falschen“ Zaren war und die Romanow-Zaren Michail und Aleksej dann in prunkvollen Krönungen die Autokratie (Selbstherrschaft) neu zu fundieren suchten. Und es blieb so im 18. Jahrhundert, als immer mehr Hauptstadtfunktionen vom Herzen des Reiches an die Ostsee verlagert wurden.

Zar Peter III. war bis zum Untergang des Reiches der einzige Zar, der nicht im Kreml gekrönt wurde. Seine kurze Herrschaft war beendet, als ihn seine Gemahlin Katharina II. im Juni 1762 mit Unterstützung der Kaiserlichen Garde entmachtete; kurz darauf wurde er in der Verbannung umgebracht. Anders als Peter erkannte Katharina die Bedeutung der Krönung für ihre Machtposition. Die in Stettin geborene anhaltinische Fürstentochter hatte mit Peter III. (einem Enkel Peters des Großen) einen – freilich minderjährigen – Sohn, der die dynastische Linie hätte fortsetzen können. So meldete der sächsische Gesandte am 16. Juli 1762 aus Sankt Petersburg nach Dresden: „Ihro kaiserlichen Majestät haben beschlossen sich unverzüglich krönen zu lassen … Der Krönungstag ist auf den 5. September alten Stils angesetzt und zur Treffung der nötigen Anstalten sind bereits verschiedene Personen nach Moskau abgegangen.“ 50000 Rubel wurden für die Herstellung der Krone bereitgestellt, den Krönungsmantel stellte man aus einem Pfund Gold, 20 Pfund Silber, vier Hermelinfellen und purpurnen Stoffen her. In den Schatzkammern wurde nach Reichsapfel geforscht – vergeblich, er mußte neu gefertigt werden. Schließlich wies Katharina II. aus ihrer eigenen Schatulle 600000 Rubel an, die, altem Brauch folgend, während der Krönungsfeierlichkeiten in die Menge geworfen werden sollten. Die Zarin wollte, daß die Krönung nicht nur in Moskau, sondern in ganz Rußland für Aufsehen sorgte, doch wollte sie auch den Eindruck der Prunksucht vermeiden und so die Erwartung einer Regierung zum Wohl des Volkes verstärken. Damit trug Katharina nicht nur ihrer prekären Situation als Usurpatorin Rechnung, sondern spielte auch auf die Krönungszeremonie Elisabeths, einer Tochter Peters des Großen, an: 20 Jahre zuvor hatte sich diese mit ungekanntem Aufwand krönen und die Feierlichkeiten in einem Prachtband dokumentieren lassen, der an die europäischen Höfe geschickt worden war – Prestige und Propaganda waren gleichermaßen bedient worden. Katharina II. war sich dieser Faktoren durchaus bewußt, und so es ging ihr darum, bei der Prachtentfaltung die Symbolik der Aufklärung und die Tradition – die sich vor allem im Krönungsort symbolisierte – zusammenzuführen. „Malermeister, Vergolder, Bildhauer“ machten sich daran, Moskau, insbesondere den Roten Platz und den Kreml, zu schmücken. Als die Zarin und ihr Gefolge am 18. September 1762 feierlich in Moskau Einzug hielten war die Stadt prächtig herausgeputzt. 28 Equipagen und etwa 400 Pferde bildeten den Zug, der zwar die Moskauer ob seiner Pracht staunen ließ, sich im Vergleich zur Prozession der Zarin Elisabeth im Jahre 1742 nachgerade bescheidenen ausnahm. Unter Glockengeläut, vorbei an Tribünen und Galerien, jubelndem Volk, dem Spalier aus Elitetruppen der Garderegimenter, denen sie ihren Thron zu verdanken hatte, zog Katharina im Kreml ein. „Es ist unmöglich, … die Begeisterung der Menschenmenge bei meinem Erscheinen hier zu beschreiben, Ich kann weder auf die Straße gehen, noch im Fenster erscheinen, ohne den Jubel des Volkes hervorzurufen“, schrieb sie begeistert über ihren Empfang in Moskau.

Fünf Tage später, am 22. September erfolgte die Krönung mit all jenen Elementen, die die Tradition gebot und die sich nur geringfügig variieren ließen. Auch im Zeitalter der Aufklärung kam ihnen eine tiefe sakrale Bedeutung zu: Die rituelle Übertragung der Insignien und die Erteilung des göttlichen Segens an die Herrscherin durch die Salbung und das Sakrament des Abendmahls während der feierlichen Liturgie bildeten den Kern der Herrschaftsübertragung, wie sie im 19. Jahrhundert auch für Katharinas Nachfolger unverzichtbar sein sollten. An jenem Sonntag morgen kündigten Pauken und Trompeten den Beginn der Zeremonie an. Das Militär war auf dem Kathedralenplatz des Kreml angetreten. Schaulustige füllten nicht nur den Platz und die Tribünen, sondern auch die Dächer der Häuser und Klöster der Kremlanlage, um einen Blick erhaschen zu können. Katharina erschien am Tor des alten Kremlpalasts und schritt unter Glockengeläut und Ehrensalven die Paradetreppe herab. Sechs Kammerherren trugen den schweren, gold- und silberdurchwirkten Krönungsmantel. Beim ganzen Volk „herrschte Schweigen und Stille“. In der Vorhalle der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale erwartete sie die hohe Geistlichkeit des Reiches. Erzbischof Dmitrij von Nowgorod trug ihr das Kreuz zum Kusse entgegen, Timofej, der Metropolit von Moskau, besprengte die Reichsinsignien und die Kaiserin mit Weihwasser. Während der Psalm „Gnade und Gericht, singe ich Dir, oh Herr“ gesungen wurde, betrat Katharina den Innenraum der Kathedrale, „verrichtete vor den Ikonen ihre Andacht“, stellte sich auf den erhöhten Podest, auf welches der Edelstein verzierte „persische Thron“ gestellt worden war, und verlas das Glaubensbekenntnis. Die Kammerherren legten ihr den kaiserlichen Purpur und das Ordensband des Heiligen Andreas an. Die Krone, die der Nowgoroder Erzbischof auf einem goldenen Kissen herbeigebracht hatte, setzte sie sich – hier folgte sie dem Vorbild Elisabeths – selbst aufs Haupt (bis zu Peter I. waren es die Patriarchen und Metropoliten gewesen, die die Krönung vornahmen). Bei aller Beachtung der Orthodoxie, die Peter III. so wenig gegolten hatte: Die Krönung durch die eigenen Hand symbolisierte für Katharina den Machtanspruch der Selbstherrschaft sowie die unbedingte Unterordnung der geistigen Gewalt unter die Zaren…

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Prof. Dr. Jan Kusber

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