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Vater der sozialen Marktwirtschaft

Ludwig Erhard (1897-1977)

Vater der sozialen Marktwirtschaft
Ludwig Erhard wusste, was er wollte. Um seine wirtschaftspolitischen Überzeugungen durchzusetzen, war er bereit, sich im Alleingang mit den Alliierten anzulegen. Bei ihnen bekam er eine Chance, an Konrad Adenauer und der CDU scheiterte er letztlich.

Die Fahrt zum I.-G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main war kurz, gab ihm aber genügend Zeit, über seine politische Zukunft nachzudenken. War dies das Ende seiner Karriere? Er war sicher, dass seine Politik richtig war, aber er wusste nicht, wie die Alliierten reagieren würden. Am Morgen des 21. Juni 1948 nahmen sich die Wirtschaftsberater der US-Besatzungsbehörden Ludwig Erhard wegen der Ankündigung vor, die sein Amt am Abend zuvor veröffentlicht hatte: dass für fast alle Waren Zwangsbewirtschaftung und Preiskontrolle beendet seien. Erhard bestand darauf, dass er gegen keine Vorschriften verstoßen habe; er hatte sie vielmehr abgeschafft. Nach Stunden ergebnisloser Diskussion führte man ihn in das Büro von General Lucius D. Clay, des Militärgouverneurs der amerikanischen Besatzungszone. Clay sagte, seine Berater seien alle überzeugt, dass Erhards Politik scheitern werde. Erhard stimmte zu: Seine Berater hätten ihm dasselbe gesagt. Aber Clay stand Erhards Konzept eines freien Markts wohlwollend gegenüber und beschloss, ihm eine Chance zu geben.

Ludwig Erhard wurde am 4. Februar 1897 in Fürth geboren. Sein Vater war Textilwarenhändler, ein Selfmademan, der die politischen Ansichten anderer tolerierte und politische Debatten schätzte. Diese Haltung immunisierte seinen Sohn gegen die im Kaiserreich verbreitete Glorifizierung von Staat und Krieg. Ludwig war ein mittelmäßiger Schüler. Nach dem Abschluss der Mittleren Reife absolvierte er eine kaufmänni‧sche Lehre. 1916 meldete er sich trotz körperlicher Behinderung als Kriegsfreiwilliger. Im Oktober 1918 wurde er an der Westfront schwer verletzt. Er verbrachte Monate im Krankenhaus, bevor er zunächst an der Handelshochschule, dann an der Universität Frankfurt am Main Betriebswirtschaft, Nationalökonomie und Soziologie studierte und den Doktortitel erwarb.

Während der 1930er Jahre arbeitete Erhard in einem Institut für Konsumforschung. 1942 gründete er sein eigenes Institut für Industrieforschung. Darin beschäftigte er sich auch mit der ökonomischen Nachkriegsplanung. So war er, der nicht aus Karrieregründen auf der NS-Welle geschwommen war, 1945 gut gerüstet, die Chancen der einzigartigen Situation unmittelbar nach der Kapitulation Deutschlands zu ergreifen – und er handelte schnell.

Erhard hatte klare Vorstellungen, wie eine Wirtschaft organisiert sein sollte. Vor allem sprach er sich für eine freie Marktwirtschaft aus – Wirtschaftsplanung sei ein Kennzeichen von Diktaturen und reduziere die Wirtschaftsleistung. Allerdings stand die freie Marktwirtschaft nicht hoch im Kurs, viele fürchteten, ja verab‧scheuten sie als unmenschlich; zudem habe die Große Depression gezeigt, dass sie nicht funktioniere. Erhard dagegen war überzeugt, eine wirklich freie Marktwirtschaft helfe, die Probleme von 1929 zu vermeiden, und schütze vor der Ineffizienz und Repression von Nazi- oder Sowjetdiktatur. „Die Planwirtschaft ist das Unsozialste, was es überhaupt gibt, nur die Marktwirtschaft ist sozial.“ Er war überzeugt, dass eine freie Marktpreisbildung wichtig sei: Auch die bestinformierten Experten müssten an der Aufgabe, effizient Preise festzusetzen und Ressourcen zuzuweisen, scheitern. Das Bedürfnis nach Planung sei Folge des Wunsches nach ökonomischer Gleichheit und wirtschaftlicher Sicherheit, doch Erstere sei sowohl unmöglich als auch unerwünscht, und die Sicherheit, die der Staat zu bieten vorgebe, sei trügerisch. Viel besser sei es, den Lebensstandard durch Wirtschaftswachstum zu heben: „Es ist sehr viel leichter, jedem Einzelnen aus einem immer größer werdenden Kuchen ein größeres Stück zu gewähren, als einen Gewinn aus einer Ausein‧andersetzung um die Verteilung eines kleinen Kuchens ziehen zu wollen, weil auf solche Weise jeder Vorteil mit einem Nachteil bezahlt werden muss.“

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Erhard wollte aber keine rücksichtslose Ellenbogengesellschaft mit einem ruinösen Konkurrenzkampf. Vielmehr sollte ein starker Staat darüber wachen, dass sich die ökonomischen Akteure an die Regeln eines geordneten und fairen Wettbewerbs hielten. Der Staat sollte sicherstellen, dass sich die Geschäftswelt verantwortungsbewusst und kundenorientiert verhielt. Er würde die Schwachen vor den Starken schützen und soziale Dienste für jene bereitstellen, die nicht für sich selbst sorgen konnten. In der Vergangenheit habe er jedoch zu viel getan: „Wir leiden nicht an zu wenig Staat, sondern wir leiden an zu viel Staat.“ Der beste war Erhards Überzeugung nach der Staat, „der den Einzelnen möglichst wenig unmittelbar anspricht, sondern in bezug auf politische, soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnungen nur den Rahmen setzt, nur die Spielregeln aufstellt, innerhalb derer sich der Einzelne frei bewegen soll. Wo der Staatsbürger unmittelbar vom Staat angesprochen wird, da ist schon etwas faul.“ …

Literatur: Alfred C. Mierzejewski, Ludwig Erhard. Der Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft. München 2006

Prof. Dr. Alfred C. Mierzejewski

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