Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Verfechter der absoluten Wahrheit

Islamischer Fundamentalismus – Islamismus

Verfechter der absoluten Wahrheit
Auch wenn die Instrumentalisierung der Religion für politische Zwecke zu allen Zeiten üblich war, ist die Ideologisierung des Islam in Konkurrenz zu anderen Weltanschauungen ein Produkt der Moderne. Und der islamische Fundamentalismus ist ebenso vielfältig wie der Islam selbst.

Viele Ansätze, das Fundamentalismus-Phänomen zu erklären, betonen ein gemeinsames Moment und greifen deshalb zu kurz. So geht etwa die Deutung, Fundamentalismus sei ein “Aufstand gegen die Moderne”, von einem Ideal “der Moderne” aus und bedenkt nicht die spezifischen Auswirkungen von Modernisierung. Fundamentalisten richten sich überdies nur gegen gewisse Aspekte der Moderne; ihre Programme, Organisation und Strategien zeigen, daß neuere Entwicklungen und Techniken durchaus berücksichtigt und angewandt werden. Fundamentalismus ist daher auch nicht einfach als “Defensivkultur” zu klassifizieren. Für die Bewertung als “patriarchalische Protestbewegung” spricht, daß nahezu alle Fundamentalisten patriarchalische Autorität und Sozialmoral betonen. Aber stehen sie damit allein? Am ehesten gerechtfertigt scheint die Deutung des Phänomens als komplexes Krisensymptom: Die rasante Entwicklung von Wissenschaft und Technik hat neben gesellschaftlichen Umwälzungen und politischen Krisen das Gefühl der Ungewißheit und Ohnmacht geschaffen. Wird die unübersichtliche, unsichere moderne Welt als existentielle Bedrohung wahrgenommen, bietet die Religion eine scheinbar ewig gültige normative Orientierung. Die “absolute Wahrheit” wird der Betonung von Rationalität, Wissenschaft, Relativismus und Pluralismus gegenübergestellt. Das Bestreben, die Moderne eigenständig und unter Wahrung der eigenen kulturellen Identität zu gestalten, ist generell Folge der erzwungenen Anpassung an das “Weltniveau” der internationalen Industriezivilisation.

Trotz Anleihen bei Denkern aus dem 13./14. Jahrhundert oder puristischen Strömungen des 18. Jahrhunderts liegen die geistigen Wurzeln des “Islamismus” in der Reformbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts, aus der die verschiedenen Richtungen des Modernismus, Fundamentalismus und Säkularismus hervorgingen. Die “Reformer”, besorgt über den Niedergang der islamischen Welt und den wachsenden Einfluß westlicher Kolonialmächte, versuchten die religiösen Lehren mit den Resultaten und Erfordernissen moderner Wissenschaft in Einklang zu bringen. Dieser Prozeß der Objektivierung bzw. Rationalisierung der Religion förderte die Vorstellung vom Islam als kohärentem System von Glaubenssätzen und -praktiken. Die künstliche Vereinheitlichung erschien damals sinnvoll. Langfristig eröffnete sich so aber die Möglichkeit, daß Staaten oder Interessengruppen einen derart systematisierten Islam für strategische und utilitaristische Ziele nutzten. Fast alle Widerstandsbewegungen und Regierungen im Nahen und Mittleren Osten haben mit Hilfe williger Muftis religiöse Symbole und Rhetorik zur Rechtfertigung ihrer Politik eingesetzt. Als fatal erwies sich (vor allem in einigen arabischen Ländern) die Verbreitung eines verkürzten und apologetischen Islam über Bildungsinstitutionen und Medien…

Fundamentalismus Seit etwa 30 Jahren ist weltweit die Wiederbelebung von Religion zur Orientierung und Legitimierung sozialen Handelns festzustellen, ein Phänomen, das gemeinhin als “Fundamentalismus” bezeichnet wird. Der Begriff wurde 1920 geprägt, um eine Sammlungsbewegung innerhalb des US-amerikanischen Protestantismus zu kennzeichnen, die sich gegen modernistische Bibelauslegung wandte. Dieser Fundamentalismus ist jedoch mit den neueren Varianten nur in Ansätzen vergleichbar. Die heutige Verwendung des Begriffs ist also nicht unbedenklich; zudem wurde er in jüngerer Zeit oft zur Diskriminierung von Muslimen mißbraucht oder als politischer Kampfbegriff unpräzise und inflationär benutzt. Wird Fundamentalismus jedoch als Idealtypus verstanden und ignoriert man dabei nicht die historisch, regional, religiös-kulturell bedingten Unterschiede in Form, Inhalt oder sozialer Trägerschaft, dann eignet sich der Begriff sehr wohl für kulturübergreifende Studien. Andere Bezeichnungen wie Integrismus oder Islamismus sind zudem nicht weniger problematisch.

Dr. Roswitha Badry

Anzeige
Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

Brach|vo|gel  〈m. 5u; Zool.〉 Angehöriger einer Gattung der Schnepfen, schlankgebauter Vogel: Numenius [→ Brache … mehr

Men|de|le|vi|um  〈[–vi–] n.; –s; unz.; chem. Zeichen: Md〉 chem. Grundstoff, ein Transuran, Ordnungszahl 101 [nach dem russ. Chemiker Dimitrij Mendelejew, … mehr

En|har|mo|nik  〈f. 20; unz.; Mus.〉 Gleichheit, Vertauschbarkeit zweier gleichklingender, aber verschieden geschriebener u. benannter Töne od. Akkorde [<grch. en … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige