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Verkörperung städtischer Geschichtskultur

Die Landshuter Hochzeit 1475

Verkörperung städtischer Geschichtskultur
Die Hochzeit der polnischen Königstochter Hedwig mit dem bayerischen Herzog Georg wurde 1475 in Landshut aufwendig gefeiert. Bis heute erinnert die Stadt mit detailgetreuen Inszenierungen an dieses Großereignis.

Im Sommer 2009 fand die 39. Inszenierung der „Landshuter Hochzeit 1475“ statt. An vier Wochenenden strömten weit über 600000 Menschen in die niederbayerische Stadt, um in die dichte Atmosphäre dieses inszenierten Spätmittelalters einzutauchen. Alle vier Jahre, erneut 2013, feiern mehr als 2 300 Mitwirkende in ganz unterschiedlichen Veranstaltungen diese Hochzeit als Historienfest. Dabei gibt die hochmittelalterliche Stadt mit ihrem breiten Straßenplatz und der Bürgerkirche von St. Martin selbst das originäre Bühnenbild für den Festzug ab.

Im November 1475 hatte der einzige Sohn Herzog Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut, Herzog Georg, die 1457 geborene Tochter des polnischen Königs Kasimir IV. geheiratet. Mit Hedwig gelangte eine Königstochter nach Landshut! Die Reichen Herzöge setzten alles daran, um im reichsweiten Wettbewerb um Repräsentation einen exzellenten Eindruck zu vermitteln – vermutlich eine Reaktion auf den Prunk, den der burgundische Herzog Karl der Kühne 1473 anlässlich eines Treffens mit Kaiser Friedrich III. in Trier für den deutschen Königshof inszeniert hatte.

An der Landshuter Hochzeit nahmen neben Kaiser Friedrich III. und seinem Sohn Maximilian zahlreiche, meist verwandte Reichsfürsten teil, darunter Pfalzgraf Philipp und Kurfürst Albrecht Achilles von Bran‧‧‧den‧burg, die drei Herzöge von Bayern-München, der Erzbischof von Salzburg und die Bischöfe von Regensburg, Bamberg und Würzburg. Gefeiert wurde vom 13. bis zum 18. November in der Landshuter Altstadt: Zahlreiche vornehme Bürger hatten ihre Häuser für die hohen Gäste zur Verfügung gestellt. Das Rathaus wurde zum Festhaus mit Tanzsaal um‧gebaut; die vornehme Prachtstraße diente als Turnierplatz. Schon die Herausforderung, Tausende von Gästen mit fast 9200 Pferden unterzubringen, verdient Beachtung. Mit mehr als 60000 Gulden waren auch die Kosten überwältigend.

Über der Altstadt von Landshut ragt der gigantische Westturm von St. Martin in den blau-weißen Himmel, der zusammen mit der Burg Trausnitz seit dem Spätmittelalter das Wahrzeichen der ehemaligen Residenzstadt bildet. Im Jahrhundert der Reichen Herzöge war Bayern-Landshut zum größten Territorium in dem durch Landesteilungen zerfasernden Bayern herangewachsen. Nach dem Tod Herzog Georgs des Reichen 1503 und dem darauf folgenden Landshuter Erbfolgekrieg fiel das Haupterbe jedoch den Münchner Herzögen zu (Kölner Schied Maximilians I.), so dass das Herzogtum Bayern wieder vereinigt war. Fortan stieg München zum alles überragenden Zentrum von Herrschaft und Repräsentation auf. In Landshut fand das Gedächtnis an die einstige Vormachtstellung einen Erinnerungsort in der Inszenierung der „Landshuter Hochzeit 1475“.

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Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts trat die Überlieferungsspur der glanzvollen Fürstenhochzeit aber nur als Rinnsal in Erscheinung. Erst mit der Ausmalung des historistischen Saals im Landshuter Rathaus (1882) änderte sich dies: Damals vermochte das bayerische Kultusministerium – erstaunlicherweise zunächst gegen den Willen der Stadtväter – durch finanzielle Impulse die Kultur der Erinnerung an dieses Ereignis der niederbayerischen Geschichte grundlegend umzuprägen: Der an den Längswänden umlaufende Gemäldezyklus des Hochzeitsfestzugs betont die Präsenz des Kaisers in Landshut und führt die Ritter des späten Mittelalters vor Augen.

Seit 1902 ist die ungewöhnlich ausführlich dokumentierte prunkvolle Fürstenhochzeit für den Verein „Die Förderer“ Anlass, an die Geschichte der alten Residenz- und früheren Hauptstadt des wittelsbachischen Bayern zu erinnern und das Hoffest zu inszenieren, wobei jede Generation durchaus ihre eigenen Vorstellungen zum Ausdruck brachte. Seit den späten 1950er Jahren bemüht man sich zunehmend um eine größtmögliche Originaltreue. Wenn heutzutage an den Hochzeitswochenenden rund 150000 Menschen in der Innenstadt zu Gast sind, dann legt zudem der von über 30 Musikgruppen gewobene Klangteppich eine eigene Atmosphäre über die gesamte Innenstadt. Wie 2009, als die Ausstellung „Ritterwelten im Spätmittelalter“ das Festprogramm ergänzte, werden der Mythos Burg und die Rituale des städtisch-höfischen Feierns im Spätmittelalter künftige thematische Herausforderungen darstellen. So ist die Landshuter Fürstenhochzeit zu einem Fokus in der Erinnerungskultur der Bürger in der Stadt und der Region Landshut geworden.

Dr. Franz Niehoff

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