Aus meist mandelförmigen Augen, akzentuiert mit schwarzen Schminkstrichen, blicken uns die Statuen der Ägypter entgegen. Ihre statische, überwiegend achsengerade Haltung und die idealen Proportionen des Körpers vermitteln eine Ruhe und Harmonie, die auch den heutigen Betrachter unmittelbar anspricht und ein Bildnis als „typisch ägyptisch“ ausweist. Doch trotz der Bedeutung, die körperliche Schönheit im Alten Ägypten unverkennbar besaß, sind dazu in den zahlreichen erhaltenen Texten aus pharaonischer Zeit kaum konkrete Äußerungen auszumachen. Das ägyptische Schönheitsideal lässt sich fast nur aus den Bildnissen erschließen.
Vor allem Reliefs und Malerei in Gräbern des Neuen Reichs zeigen Festdarstellungen, die unsere Vorstellungen vom extensiven Gebrauch äußerlicher Verschönerungsmittel in der altägyptischen Kultur bestätigen: dominantes Augen-Make-up, aufwendige Frisuren oder Perücken, kostbarer Schmuck an den harmonisch gestalteten Gliedmaßen, ein von feinstem, meist weißem Leinenstoff umspielter Körper. Von beiden Geschlechtern zu festlichen Anlässen getragen, wirken diese Merkmale nicht nur hochgradig stilisiert, sondern bewirken geradezu eine Entindividualisierung des natürlichen Aussehens, die weit über den Anspruch einer Optimierung des Äußeren hinauszugehen scheint.
Diese Form der Wiedergabe entsprach einem gesellschaftlichen Konventionen verpflichteten Anspruch an das Menschenbild. Schönheit als Optimierung und Stilisierung des Äußeren spielte eine bedeutende Rolle für die Ägypter. Die Idealisierung führte zum Ausschluss jeglichen Makels und Gebrechens, auch der Hässlichkeit und des Alterns. Sie galt für die Lebenden und Toten gleichermaßen und gipfelte in der Schöpfung prächtig verzierter Särge und Totenmasken mit hochstilisierten, zeitlosen Gesichtern, weit entfernt von Zeichen des Alters und der Individualität.
Die bildliche Wiedergabe des Menschen in Ägypten vermittelt konkrete Vorstellungen eines geschlechterübergreifenden Schönheitsideals, dessen Grundzüge sich allerdings zeitlich unterschiedlich entwickelten. Das Bedürfnis nach einer idealen Darstellung entsprang dem Wunsch nach einer möglichst vorteilhaften Außenwirkung. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bediente sich die Bildhauerei eines Fundus an Prinzipien und Regeln. Der wichtigste war der sogenannte Proportionskanon, wonach die Körperteile in einem ausgewogenen Größenverhältnis dargestellt werden sollten. Seine optimale Umsetzung bedeutete das Gelingen und damit die „Schönheit“ eines Bildnisses: Schönheit war der Ausdruck und das Ergebnis eines Regelwerks…
Schönheit im Alten Ägypten
Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum (Karlsruhe, Schloss) 28. Juli 2007 – 27. Januar 2008
Makellosigkeit besaß für die Ägypter eine hohe Bedeutung, und so verspricht die Karlsruher Ausstellung (eine Übernahme des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim) eine Augenweide. Mehr als 400 Objekte illustrieren die vielen Facetten von Schönheit und ihren Wandel im Lauf der Zeiten. Die Kuratoren wollen zum genauen Hinschauen und zum Nachdenken über „Schönheit“ anregen. Eine eigens für Karlsruhe zusammengestellte Zusatzausstellung des Badischen Landesmuseums thematisiert die Auseinandersetzung des europäischen Kunstschaffens mit der altägyptischen Kunst.
Wie gewohnt gibt es für kleine und große Besucher viele Möglichkeiten der Annäherung an die faszinierende Kultur des Alten Ägypten. Für Sehbehinderte und Blinde finden im Rahmen des Begleitprogramms Sonderführungen statt.
http://www.aegypten2007.de
Zur Ausstellung ist ein reichbebilderter Katalog im Verlag Gebrüder Gerstenberg (Hildesheim) erschienen.
Heike Wilde