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Weltherrschaft als Wortspiel?

Römische Kaiser und europäische Könige im Hochmittelalter

Weltherrschaft als Wortspiel?
Wer die „plumpen und ungestümen“ Deutschen zu Richtern über die Völker bestimmt habe, wollte Johannes von Salisbury in der Mitte des 12. Jahrhunderts wissen. Der Bischof von Chartres stellte damit die Frage nach der Legitimation des Kaisertums und dessen Stellung in der Welt – zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Im Hochmittelalter rückte Europa zusammen und entdeckte seine Unterschiedlichkeit. Für das deutsche Reich brachte das neue Vielfalt, aber auch Erschütterungen des Selbstbewusstseins. Hier strömten im 12. und 13. Jahrhundert neue Ideen und Eindrücke aus weiten Teilen der damals bekannten Welt zusammen. Kreuzfahrer erzählten von ihren Erlebnissen im östlichen Mittelmeergebiet. Die Kaiser, die auf den Zügen nach Italien ihren Anspruch auf Herrschaft beiderseits der Alpen unterstrichen, holten sich Baumeister und Berater aus dem Süden. Junge Männer absolvierten ihre Ausbildung nicht mehr nur an den ehrwürdigen Domschulen des Reichs, sondern zogen jetzt an die aufblühenden Universitäten nach Nordfrankreich oder Oberitalien. Ihre Studien in Paris oder Chartres, in Bolo‧gna oder Padua sind nur selten im Einzelnen dokumentiert. Aber als Kirchenfürsten, als königliche Amtsträger oder als Ratgeber von Fürsten und Städten nutzten sie ihre weitgespannten Netzwerke. So gelangten neue Impulse ins staufische Deutschland, vor allem aus der Mittelmeerwelt und aus Westeuropa. In diesen Transferprozessen blieb Deutschland kulturell meist der nehmende Partner. Die höfische Dichtung oder die gotischen Kathedralen folgten im Abstand mehrerer Jahrzehnte französischen Vorbildern. Die Universität als neue Organisationsform europäischer Wissenschaft gelangte sogar erst im 14. und 15. Jahrhundert ins Reich. Auch die neuen Formen der Frömmigkeit oder die revolutionäre Weiterentwicklung von Geldwirtschaft und Bankwesen gingen von Süd- und Westeuropa aus. Es sollte in manchen Fällen Jahrhunderte dauern, bis Deutschland diesen Entwicklungsrückstand wettmachte.

Auf seltsame Weise unterschied sich der kulturelle wie ökonomische Nachholbedarf vom politischen Selbstbewusstsein des Stauferreichs. Der Anspruch der Könige und Kaiser auf Herrschaft über Norditalien wurde vom 10. bis zum 13. Jahrhundert immer wieder neu bekräftigt. Er bildete die Voraussetzung für das Kaisertum, das die Herrscher aus dem Land nördlich der Alpen in Rom aus der Hand der Päpste empfingen. Einen Kaiser konnte es nur einmal auf Erden geben. Im Rang stand er weit über der Schar der europäischen Könige. Die Rangkonkurrenz mit den christlichen Kaisern in Byzanz blendete man aus dem imperialen Selbstbewusstsein gerne aus.

Der Anspruch der römischen Kaiser wurde von den europäischen Königen unterschiedlich verarbeitet, entweder durch Verleugnung oder durch Relativierung. Erst nach dem Ende der staufischen Kaiserherrschaft wurde die lange Sprachlosigkeit überwunden. Das französische Königtum, seiner Eigenständigkeit ohnehin seit Jahrhunderten sicher, behauptete nun offensiv, dass der König von Frankreich keinen Höheren auf Erden anerkenne. So entstanden die Vorformen europäischer Souveränität. Der König von Neapel verkündete im frühen 14. Jahrhundert sogar, das Kaisertum wäre für die europäische Vielfalt schädlich und müsste gänzlich abgeschafft werden. Damit reagierten die Nachbarn auch auf imperiale Ideen aus der Zeit Kaiser Friedrichs I. Barbarossa (1152–1190) und seines Enkels, Kaiser Friedrichs II. (1212–1250)…

Literatur: Hubert Houben, Kaiser Friedrich II., Stuttgart 2008.

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Bernd Schneidmüller, Die Kaiser des Mittelalters, München 2007.

Prof. Dr. Bernd Schneidmüller

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