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Wie bei den Hottentotten?

Khoekhoen und Westeuropäer im südlichen Afrika

Wie bei den Hottentotten?
Keine afrikanische Völkergruppe war wohl mit so vielen Vorurteilen konfrontiert wie die Khoekhoen, die man früher Hottentotten nannte. Redewendungen suggerierten, bei ihnen herrsche größte Unordnung und Zügellosigkeit. Was aber wissen wir wirklich von der Geschichte und Kultur dieser Stämme?

Als „Hottentotten“ bezeichnete man ethnische Gruppen, für deren Sprache Schnalz- und Klicklaute charakteristisch waren. Oft wird vermutet, dass der Name einen unbeholfenen Versuch darstellt, dies lautmalerisch nachzuahmen, doch stammt er wohl vom Refrain eines Liedes, das die Khoekhoen im 17. Jahrhundert zur Begrüßung niederländischer Kolonisten sangen. Die Betroffenen selbst hören die Bezeichnung nicht gern. Heute verwendet man daher ihre Eigenbezeichnung: Khoekhoen (in einer älteren Form: Khoi-Khoin), was übersetzt „die eigentlichen Menschen“ bedeutet. Zu den Khoekhoen zählen die Kap-Khoekhoen, die Korana, die Griqua und die Nama südlich und nördlich des Oranje, also im heutigen Südafrika und Namibia. Hinzu kommen die, wie sie sich selbst nennen, Rehobother Baster in Namibia, Nachkommen weißer afrikaanser Siedler und von Khoekhoen-Frauen. Drei Jahrhunderte lang litten sie unter Landraub, niederländische Siedler trieben sie immer weiter nach Norden.

Während der letzten zwei Jahrtausende lebten die Khoekhoen auch im Küstengebiet des südlichen Kaplands, einem gesegneten Landstrich, aus dem sie weiße Siedler in das Zentrale oder Große Karru vertrieben, wo die Lebensbedingungen wesentlich härter waren. Noch rauher wurden sie in der trockenen und meist baumlosen Hochebene der Oberen oder Nördlichen Karru. Westlich davon erstrecken sich: Klein-Nama-Land (südlich des Oranje) mit seinen kargen Böden und geringen winterlichen Niederschlägen und die steinige Namibische Hochebene von Groß-Nama-Land mit seinen Tafelbergen (nördlich des Oranje). In der Namib (so Nama für Wüste) entlang der Atlantikküste steht fast das ganze Jahr über dichter Küstennebel (das kühl-feuchte Klima herrscht auch auf der Haifisch-Insel vor Lüderitz, auf der sich das berüchtigte deutsche Konzentrationslager befand, in dem viele Nama den Tod durch Krankheit fanden). Die Namibische Hochebene fällt im Osten zur Kalahari-Wüste ab, die in ihrem westlichen Teil ebenfalls teilweise von Nama bewohnt wird.

Die Khoekhoen waren seit etwa der Zeitenwende eine Hirtengesellschaft, deren Mitglieder neben der Tierhaltung auch die Töpferei kannten, Eis und Kupfer schmolzen und Felsbilder im geometrischen Stil entwickelten. Mit der westlichen Gesellschaft kamen sie erstmals 1487 in Berührung, als der portugiesische Kapitän Bartolomeu Diaz auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien an einer Bucht des Kaplands an Land ging und von ihrem Reichtum an Rindern tief beeindruckt war. Ähnliche Erfahrungen machte 1498 Vasco da Gama auf seiner Rückreise von Indien. Von nun an gab es eine regelmäßige Schiffsverbindung mit Indien, die auch zu Handelsbeziehungen zwischen Portugiesen (seit 1595 auch Niederländern und Angehörigen anderer westlicher Nationen) und Kap-Khoekhoen führte, die gegen eiserne Waffen das für den Schiffsproviant nötige Vieh lieferten.

Die anfänglich guten Beziehungen zwischen Niederländern und Tafelbucht-Khoe wandelten sich allerdings zum Schlechteren, als Letztere den wachsenden Fleischbedarf der am Kap der Guten Hoffnung gegründeten niederländischen Ostindischen Kompanie nicht mehr decken konnten, ohne ihre auf große Herden angewiesene Viehwirtschaft zu gefährden. Die Kompanie forcierte daraufhin den Getreideanbau, und seit 1657 durften sich reguläre weiße Siedler niederlassen, die äußerst aggressiv nach dem Weideland der Khoekhoen trachteten. 1659 kam es zum offenen Krieg, und ein Jahr später waren die Tafelbucht-Khoe sogar kurz davor, die Niederländer zu vertreiben. Auf Drängen eines ihrer nördlichen Verbündeten willigten sie allerdings in Friedensverhandlungen ein, in denen 1672 die Tafelbucht und der Bezirk Hottentots Holland für 115 Gulden in Form von Tabak, Perlen, Schnaps und Brot an die Kompa‧nie abgetreten wurden.

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Im Kapland folgten nun immer neue Koloniegründungen, die meist folgender Ablauf charakterisierte: Die Siedler schnitten den Khoekhoen den Zugang zu ihren ergiebigen Wasserstellen und Weiden ab; dies löste Kriege aus, die die Siedler dank der Kanonen der Kompanie für sich entscheiden konnten; nach Viehraub‧zügen gegen die Khoekhoen folgten neue Bündnisse, bei denen Vieh gegen Schmuckstücke aus Glas, Kupfer, Messing, Alteisen, Wein, Schnaps und Tabak getauscht wurde. Am Ende standen die Enteignung und die Vertreibung der Khoekhoen; wer blieb, musste sich als Erntehelfer oder Hafenarbeiter verdingen…

Von Kapstadt nach Windhuk: „Hottentotten“ oder Khoekhoen? Die Rehabilitierung einer Völkergruppe Linden-Museum Stuttgart 29. November 2007 – 27. April 2008 Im Jahr 2008 jährt sich zum 100. Mal das faktische Ende des Widerstandskriegs der Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Südwestafrika. Dies ist der Anlass für das Stuttgarter Staatliche Museum für Völkerkunde, in einer Sonderausstellung an die Khoekhoen zu erinnern. Aus den Beständen des Linden-Museums und anderer Museen werden ihre Geschichte und Kultur anhand von Schmuck, Waffen, Holzgefäßen, Kleidung sowie frühen Darstellungen von Peter Kolb (18. Jahrhundert) präsentiert.

http://www.lindenmuseum.de

Dr. Marlene P. Hiller

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