Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Wie der Besiegte den Sieger überwand

Der Untergang von Granada

Wie der Besiegte den Sieger überwand
Rund 260 Jahre lang war das muslimische Emirat von Granada ein Vasallenstaat der kastilischen Könige. Aus heutiger Sicht erstaunt diese Konstellation, die erst durch den Tod Peters des Grausamen von einer neuen Phase der Konfrontation abgelöst wurde.

Gib ihm ein Almosen, Frau, denn es gibt keine schlimmere Strafe, als blind zu sein in Granada.“ Der Schriftsteller Francisco Alarcón de Icaza (1863 –1925) hat diese Worte einem Mann in den Mund gelegt, der beim Anblick eines blinden Bettlers in Granada von Mitleid gepackt wird. Über Venedig wurde einmal gesagt: „Alle Städte sind gleich. Nur Venedig ist anders“.

Zwar ist in der amphibischen Lagunenstadt das Wasser allgegenwärtig, während in Granada am Fuß der fast ganzjährig von Schnee bedeckten Sierra Nevada das bergige Element oder, archaischer ausgedrückt, der Stein dominiert. Gleichwohl erscheinen die beiden Städte in vielerlei Hinsicht wie Zwillinge; nicht nur wegen des besonderen Zaubers, der in den beiden eingangs zitierten Sätzen zum Ausdruck kommt: Granada und Venedig sind Geschöpfe des frühen Mittelalters, fanden ihren wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Höhepunkt im späten Mittelalter und erlebten in der frühen Neuzeit eine befristete Nachblüte. Im 16. Jahr-hundert wurden beide „italienisch“, sprich, die Renaissance bestimmte für zwei Generationen den Grundton.

Granada und Venedig besetzen eine Transitzone Europas, in der sich Abend- und Morgenland nicht nur begegneten, sondern vielmehr aufs fruchtbarste durchdrangen. Es sind jene Stellen, wo auf europäischem Boden der Orient in einzigartiger Dichte gegenwärtig ist. Der ewige Traum vom märchenhaften Morgenland, dem verlorenen Paradies prägt das Gesicht dieser Gemeinwesen, nichts Verträumtes, aber viel Traumhaftes, Unwirkliches, Phantastisches. Das wirtschaftliche Herz Venedigs schlug im östlichen Mittelmeer und am Endpunkt der Seidenstraße am Schwarzen Meer, es bestand aus einer Vielzahl kleiner Enklaven in der byzantinischen und der islamischen Welt. Umgekehrt war Granada eine islamische Enklave auf der seit dem 13. Jahrhundert wieder christlichen Iberischen Halbinsel.

In der Mitte des 15. Jahrhunderts zeichnete sich für beide der unabwendbare Niedergang ab. Mit der Einnahme Konstantinopels durch Sultan Mohammed II. am 29. Mai 1453 brach ein wesentlicher Teil des venezianischen Handelsimperiums weg. Und 1469, als Ferdinand V. von Aragón und Isabella I. von León-Kastilien per Heirat die politische Union der Iberischen Halbinsel vollzogen, war der Fall von Granada nur noch eine Frage der Zeit. Den eigentlichen Todesstoß erlitten beide Städte im selben Jahr. Nachdem zu Neujahr 1492 die Schlüssel der Stadt übergeben worden waren, zogen am nachfolgenden Morgen die Katholischen Könige feierlich in Granada ein. Als gegen Ende des Jahres, genauer am 12. Oktober, ausgerechnet ein Sohn der größten Konkurrentin Genua, Christoph Kolumbus, auf Guanahani amerikanischen Boden betrat, war auch der letzte verbliebene Handelsraum Venedigs nur noch eine Sackgasse des Welthandels.

Anzeige

Die Geschichte Spaniens im hohen Mittelalter wird weitgehend diktiert von der Reconquista. Die zweite und die Reconquista abschließende christliche Großoffensive erfolgte im 13. Jahrhundert. Ihr Beginn ist mit den Jahreszahlen 1212 und 1223 markiert, und ihr Abschluss erfolgte de facto im Jahr 1292.

Der atlantische Westen der Halbinsel, das heutige Portugal, war seit 1095 unter einer neuen Dynastie burgundischer Abstammung Stadt für Stadt zurückerobert worden. Mit der Besetzung der Algarve um 1250 war dieser Teil des iberischen Subkontinents wieder bleibend in christlicher Hand.

Auf der anderen Seite, der spanischen Levante am Mittelmeer, war spätestens seit der Vereinigung von Aragón mit Katalonien die Reconquista zügig vorangeschritten. Unter Jakob I. dem Eroberer (1213 –1276) erfolgte auch auf dieser Seite die vollständige Rückeroberung: zwischen 1228 und 1235 wurden die Balearen erobert, 1238/39 die Taifas von Valencia und Murcia.

In der Mitte der Iberischen Halbinsel war nach der Einnahme von Toledo und der Mancha die Offensive ins Stocken geraten. Wie ein gewaltiger Sperrgürtel schob sich schützend die Sierra Morena vor das Becken des Guadalquivir. Erst 1212, als es den vereinigten Heeren der Könige von Navarra, Kastilien und Aragón gelang, den Almohaden bei Las Navas de Tolosa eine vernichtende Niederlage beizubringen, kam neuer Schwung in die Unternehmungen der Kastilier. Denn nun lag der wichtige Pass Desfiladero Despeñaperros und damit der Zugang zum oberen Guadalquivir in der Hand der Christen. Und nur elf Jahre später starb der letzte Almohadenherrscher Abu Jakub Jusuf II. Wieder waren die islamischen Kräfte ohne Führung und Schutz.

In raschem Rhythmus folgten nun die Eroberungen einer Stadt und einer Festung nach der anderen: Quesada, Arjona, Andujar usw. Bereits 1236 war die einstige Kalifenstadt Córdoba in der Hand Ferdinands III., 1248 folgte Sevilla. Beim Tod des Monarchen (1252) war auch Jerez bereits wieder christlich. Mit der endgültigen Einnahme von Tarifa 1292 war die spanische Reconquista militärisch abgeschlossen. Was aber war mit Granada? …

Dr. Rolf Legler

Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

Bo|ran  〈n. 11; Chem.〉 Wasserstoffverbindung des Bors

po|ly|me|ri|sie|ren  〈V. t.; hat〉 Moleküle ~ zu größeren Molekülen vereinigen

♦ Par|o|die  〈f. 19〉 1 〈Lit.〉 komisch–satirische, übertreibende Nachahmung eines literar. Werkes od. des Stils eines Dichters in gleicher Form, aber mit anderem, meist unpassendem Inhalt 2 komisch–satirische Nachahmung u. Verspottung von jmdm. od. etwas (in sprachlicher od. bildlicher Form) … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige