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Zeichen der Macht

Stadtmauern im späten Mittelalter

Zeichen der Macht
Keine mittelalterliche Stadt ohne Mauerring – doch welchen Zweck erfüllten diese aufwendigen Bauwerke? Erstaunlicherweise stand der Wehrcharakter oft im Hintergrund. Vielmehr dienten die Mauern als Herrschaftszeichen, das Kontrolle über die Stadt sichtbar machte, oder umgekehrt als Rechtssymbol zur Dokumentation der städtischen Freiheit.

Zu den Qualen des Schwarzen Tods traten im Januar 1348 die Schrecken eines Erdbebens, das sein Epizentrum in den Ostalpen hatte. Hart betroffen war die Stadt Villach in Kärnten. An den zahlreichen Steinhäusern der Stadt entstanden schwere Schäden, die Stadtmauer fiel über weite Strecken zusammen. Doch die Bürger von Villach gaben nicht auf. Sofort räumten sie den Schutt beiseite und bauten ihre Häuser wieder auf. Der Grund war ebenso klar wie einfach zu ermitteln: Produktion und Handel und damit die Möglichkeit, ein Einkommen in der Stadt zu erzielen, waren nur möglich, wenn die Infrastruktur intakt war. Der Stadtherr – der Bischof von Bamberg – bemühte sich zudem um den Wiederaufbau der Mauer. Doch zu seinem großen Verdruss hatten die Bürger es damit keineswegs eilig. Trotz mehrfacher Mahnungen blieb die Stadt über viele Jahre hinweg unbewehrt und ohne Schutz.

Wer Stadtrechnungen des deutschen Sprachraums auf Ausgaben zum Bau von Stadtmauern durchmustert, stösst auf einen auf den ersten Blick befremdlichen Befund. Unter den in der Regel zahlreichen militärischen Betreffen, die in den Rechenbüchern verzeichnet sind, finden sich nur sehr selten spezifizierte Ausgaben zum Mauerbau. So verzeichnen die erhaltenen Betreffe der Frankfurter Rechenbücher dazu nur einen einzigen summarischen Posten im Eintrag zum Jahr 1471, obschon für den Zeitraum zwischen 1333 und 1568 umfangreiche Neubaumaßnahmen an der Stadtmauer aus anderen Quellen belegt sind. Ebenso wenig Beachtung schenkten die erhaltenen Kölner Rechenbücher der Erneuerung der Mauer. Im Fall Kölns ist zwar davon auszugehen, dass nach dem Neubau der großen Mauer 1180 keine weiteren Neubaumaßnahmen erforderlich waren. Doch auch für Instandsetzungsmaßnahmen gibt es nur wenige Belege. Andernorts legte man spezielle Baubücher an, etwa in Koblenz und Lüneburg, oder bewahrte Rechnungen auf. Es gab auch allerlei baurechtliche Anweisungen und Verordnungen der Stadträte, ohne dass des Mauerbaus darin besonders gedacht worden wäre.

Nicht weniger überraschend ist, dass Ausgaben für Baumaßnahmen im Zusammenhang mit bedeutenderen Kriegsereignissen nicht belegbar sind. So erlitt die Frankfurter Bürgerwehr im Jahr 1389 bei Kronberg im Taunus eine empfindliche Niederlage in der Fehde der Stadt gegen die Herren von Kronberg. Die Stadt rüstete nach der Niederlage mit Feuerwaffen auf und war zehn Jahre später in der Lage, eine Streitmacht zu der feindlichen Burg Tannenberg im Odenwald zu entsenden, diese zu zerstören und auf Dauer unbenutzbar zu machen. Im gleichen Zeitraum sind besondere bauliche Maßnahmen zum Schutz der Frankfurter Bevölkerung gegen Übergriffe der Kronberger und ihrer Verbündeten nicht belegt.

Der Befund begründet die Vermutung, dass zwischen Mauerbau und aktueller Kriegslage kein unmittelbarer Zusammenhang bestand und Ausgaben für den Mauerbau in die allgemeinen Aufwendungen für Bauvorhaben des Rats eingeschlossen sein könnten. Die Bürger von Villach handelten den Mauerbau ebenso unter den übrigen Baumaßnahmen ab, gaben ihm darunter allerdings keine Priorität. Sie handelten, als sie den Wiederaufbau ihrer Stadtmauer verzögerten, aber keineswegs als Exoten, sondern im Einklang mit den Bürgern anderer Städte. Ein Unterschied bestand jedoch hinsichtlich des Regiments. Anders als in freien Städten war es in Villach der Stadtherr und nicht der Rat, der die Instandsetzung der Mauer anordnete. Die Bereitschaft der Bürger, dieser Anordnung Folge zu leisten, wird durch den Umstand nicht befördert worden sein, dass der Stadtherr kein Bürger war. Bezeichnenderweise gab es in der Villacher Überlieferung keinen Hinweis darauf, dass irgendein benachbarter adliger Ritter die vorübergehende Schutzlosigkeit der Stadt Villach zu einem Angriff ausgenutzt hätte…

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Prof. Dr. Harald Kleinschmidt

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