IMMER NEUE KRANKHEITSBILDER werden von der Pharmaindustrie und medizinischen Lobbygruppen erfunden, um ihre Gewinne zu steigern so die Kernthese des Wissenschaftsjournalisten Jörg Blech. Ob bei der medikamentösen Behandlung normaler Alterserscheinungen wie der Abnahme der Knochendichte oder der Ruhigstellung so genannter hyperaktiver Kinder Arzneimittelhersteller wecken durch scheinbar alarmierende Meldungen einen künstlichen Bedarf an fragwürdigen medizinischen Leistungen, oft unterstützt von unkritischen Medizinjournalisten. Diese Tendenz werde durch die Verfügbarkeit von genetischen Daten in Zukunft weiter zunehmen, ist Blech überzeugt, weil Menschen selbst durch wenig aussagekräftige Gen- Daten bereits als auffällig oder gar als krank abgestempelt werden könnten. Doch war es nicht schon immer so, dass viele Krankheiten erst als solche definiert wurden? Während vor 100 Jahren ein schielendes Auge gottgegebenes Schicksal und die weibliche Hysterie ein gesellschaftsfähiges Syndrom waren, gilt heute das eine als behandelbare Krankheit, das andere als medizinhistorisches Kuriosum. Ähnliches dürfte später für unsere heutigen Befindlichkeiten gelten die Grenzen sind fließend und letztlich auch ein Ergebnis gesellschaftlicher Übereinkünfte über Normen, Machbares und Finanzierbares. Blechs Buch ist ein informativer Beitrag zur öffentlichen Diskussion über Ziele und Grenzen der Medizin. Die Werbung auf dem Schutzumschlag weckt allerdings falsche Erwartungen, denn ein Patienten- Ratgeber bevor Sie zum Arzt gehen ist dieses Buch kaum.
Dr. Dietmar Zimmer