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1177 v. Chr. – Der erste Untergang der Zivilisation

Cline, Eric H.

1177 v. Chr. – Der erste Untergang der Zivilisation

Die Erkenntnis, dass unsere hochtechnisierte, quasi-globale Zivilisation am seidenen Faden hängt, dämmert der Menschheit periodisch immer wieder. In der Angst vor Umweltverschmutzung, Reaktorzwischenfällen, Kriegen, Klimawandel und Naturkatastrophen größten Ausmaßes schwingt stets auch die Furcht vor dem Zivilisationsbruch, vor dem buchstäblichen Rückfall in die Steinzeit mit. Doch bedarf es wirklich der einen großen Katastrophe, um das Kartenhaus der Zivilisation zum Einsturz zu bringen? Die Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass in vielfältig vernetzten Systemen auch der sprichwörtliche Flügelschlag eines Schmetterlings Kaskaden bedrohlicher Ereignisse auslösen kann, die ganze Großregionen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen.

Noch schwärzere Szenarien entspringen nicht etwa der negativen Phantasie von Roman- und Drehbuchautoren. Sie sind wirklich passiert. Die Geschichte Europas kennt zwei große Zivilisationsbrüche. Der eine beendete um 500 n. Chr. die Antike mit der Völkerwanderung und dem Kollaps des römischen Imperiums im Westen. Der zweite, weniger bekannte, hatte gleichsam das Vorspiel zur klassischen Antike gebildet: Um 1200 v. Chr. sanken in einem breiten Bogen rings um das östliche Mittelmeer, vom griechischen Mykene bis in die Levante, die Zentren der spät-bronzezeitlichen Welt in Schutt und Asche. Bereits diese Welt trug, in kleinerem Maßstab selbstverständlich, alle Züge einer globalen Gesellschaft: mit weit vernetzten Eliten und einer „Weltwirtschaft“, die durch großräumigen Güteraustausch zusammengehalten wurde.

Eric H. Cline, Professor für Archäologie in Washington, sucht die Ursachen für den großen Kollaps am Ende der Bronzezeit in einer Systemkrise, die für die Zeitgenossen zur Apokalypse wurde. Er beschreibt in drei Akten, wie die vermeintlich für die Ewigkeit geschaffene Ordnung immer mehr in Schieflage geriet, wie von unterschiedlichen Akteuren Sand ins Getriebe des Staatensystems gestreut wurde, wie schließlich die Autorität der Herrscher zerbröselte und ihre Residenzen ein Raub der Flammen wurden. Die verstreuten Informationen aus Griechenland, Kleinasien, der Levante und Ägypten ordnet Cline zu einem Gesamtbild, das in sich stimmig ist und zum Nachdenken anregt.

Freilich ist das Modell von der umfassenden Systemkrise nicht ganz so neu, wie Cline glauben machen möchte. Bereits in den 1980er Jahren hatte der italienische Orientalist Mario Liverani denselben Gedanken gehabt und mit zwingender Logik entwickelt. Clines Buch ist dennoch für jeden, der sich auf die Materie einlassen möchte, eine bereichernde Lektüre. Packend geschrieben und im Großen und Ganzen gut übersetzt, bietet es dem Leser eine stimmige Deutung des Geschehens, die überzeugender ist als die lange vorherrschenden monokausalen Erklärungsversuche, ob sie nun die Schuld an der Katastrophe bei den „Seevölkern“, bei Naturkatastrophen oder dem Siegeszug der Eisenmetallurgie abladen wollten. Eine Frage freilich vermag auch Cline nicht zu beantworten: Droht der global vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts vermutlich ein ähnliches Szenario? Mit anderen Worten: Ist Fortschritt umkehrbar?

Rezension: Prof. Dr. Michael Sommer

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Cline, Eric H.
1177 v. Chr. – Der erste Untergang der Zivilisation
Konrad Theiss Verlag, Darmstadt 2015, 336 Seiten, Buchpreis € 29,95
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