Zwischen Spätsommer 1942 und Herbst 1945 führte der britische Militärnachrichtendienst den Lauschangriff auf die in seinem Gewahrsam befindlichen deutschen Generäle und Admiräle sowie ausgewählte Obristen durch. Hierfür wurden die Zielpersonen in einem heimeligen Anwesen in Trent Park, nördlich von London, zusammengefaßt. Aus den lange geheimen Protokollen hat nun der Mainzer Historiker Sönke Neitzel 189 ausgewählt und ediert.
Gegliedert ist die Sammlung in die Großthemen Politik und Strategie, Kriegsverbrechen, Reaktionen auf den 20. Juli 1944 sowie Überlegungen zur Kollaboration im Rahmen eines Nationalkomitees. Ob die Dokumente, wie der Verlag behauptet, einen „unmittelbaren, authentischen Einblick in das Denken von Hitlers Generälen” bieten, mag füglich hinterfragt werden. Denn zunächst einmal bieten die Protokolle allenfalls Einblicke in das Reden und nicht in das Denken (was gerade in Diktaturen zwei recht unterschied-liche Ebenen sind). Neitzel selbst ordnet den Quellenwert dann auch sehr viel realistischer ein, weist etwa darauf hin, daß es sich überwiegend um Afrika- und West-Generäle handelte.
Dennoch bieten die Dialoge eine Fülle von militärgeschichtlichen und biographischen Einblicken: Banalitäten, Durchhalteparolen, aber auch Eingeständnisse: in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen zu sein und als militärische Elite mit der Unterwerfung unter das Regime versagt zu haben. Neitzel beschreibt, wie sich in Trent Park unter dem Eindruck des weiteren Kriegsverlaufs die Gefangenen in zwei Gruppen spalteten, deren weltanschauliche Gegnerschaft bis in den Alltag hineinzuspielen begann (etwa bei der Frage, ob man BBC hören dürfe oder man an des „Führers” Geburtstag einen Toast auf Hitler aussprechen sollte).
Die sorgfältig recherchierten Kurzbiographien am Ende des Bandes sind für die Einordnung der Personen von großer Hilfe. Ärgerlich ist allenfalls die verlegerische Unsitte, in derartigen Editionen Endnoten statt der um vieles lesefreundlicheren Fußnoten zu verwenden. Der Band ist auf jeden Fall als interessante und ungewöhnliche Ergänzung der Quellen zur deutschen militärischen Elite im Zweiten Weltkrieg zu empfehlen.
Rezension: Pöhlmann, Markus