Alexandrien, eine Städtegründung Alexander des Großen, war eine der glanzvollsten Metropolen des Altertums, die Zeitgenossen wie Nachwelt mit ihrem Prunk und ihrer Machtentfaltung, vor allem aber auch mit ihrem geistigen Leben faszinierte. In seinem neuesten Buch beschreibt Manfred Clauss die wechselvolle Geschichte dieser Stadt als Hauptstadt des ptolemäischen, römischen und byzantinischen Ägypten, die er dem Leser auf imaginären Stadtrundgängen nahebringen möchte. Unter den Ptolemäern (331-30 v. Chr.) entwickelt sich Alexandrien zum Zentrum hellenistischer Kultur und zur führenden Wirtschaftsmacht. Die Stadt präsentierte sich unter römischer Herrschaft (30 v. Chr.-284 n. Chr.) zwar noch als prachtvoll, veränderte jedoch durch ihren Statusverlust als Königs- und Repräsentationsstadt sowie durch wachsende politische und religiöse Spannungen unter den verschiedenen Bevölkerungsgruppen – Heiden, Juden und Christen – zunehmend ihr früheres Wesen. In der spätantiken bzw. byzantinischen Epoche (284-641 n. Chr.) erlebte sie Zusammenstöße zwischen Christen und Heiden sowie streitende christliche Fraktionen. Der geistige und materielle Niedergang der Stadt setzt im 4. Jahrhundert ein. Mit der Eroberung Ägyptens durch die Araber im Jahre 641 n. Chr. und die Verlegung der Hauptstadt nach Fustat-Kairo versinkt Alexandrien in die völlige Bedeutungslosigkeit. Da es bis heute keine deutschsprachige Gesamtdarstellung des Geschichte Alexandriens im Altertum gibt, die in angemessenem Umfang sowohl Ereignisgeschichte als auch Kultur und Religion, Wirtschaft und Gesellschaft berücksichtigt, füllt der Autor mit vorliegendem Buch gewiß eine Lücke. Unklar bleibt jedoch, an wen sich der Autor mit seiner bemühten Mischung aus wissenschaftlichem Anspruch und populärer Darstellungsweise eigentlich richtet. Das Buch kann man wohlwollend als altmodisch, wenn nicht als anachronistisch bezeichnen: Ereignisgeschichte, konventionell eingeteilt, wird wenig spannend erzählt, die Schilderungen des Autors sind weitschweifig, und es „menschelt“ bei Clauss wieder allemal: „Durch diese schreiende, gestikulierende, arbeitende und aufgeregte Menge bahnen wir unseren Weg“. Ein echtes Manko ist die fehlende visuelle Unterstützung: es gibt zu wenig Abbildungen, Karten und Tabellen oder etwa computergestützte Rekonstruktionen. Die Hinweise auf neuere weiterführende Literatur schließlich sind zu knapp und selektiv.
Rezension: Sternberg-el-Hotabi