Kaiser Anastasios I. (491–518) zählt zu den unbekannteren Kaisern des Oströmi-schen Reichs, wohl weil seine Regierung eher unspektakulär verlief und nicht von größeren kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt war. Trotz‧‧dem zählt er zu den wichtigen Herrschern, denn während seiner Regierungszeit stabilisierte sich das Reich, wodurch unter anderem auch die Grundlagen für die glanzvolle Herrschaft Justinians I. (527–565) gelegt wurden.
Der Tübinger Althistoriker Mischa Meier, dem schon eine vielgerühmte Untersuchung zu Justinian I. zu verdanken ist, hat nun eine Monographie zu Anastasios I. vorgelegt, in der er nicht nur die Biographie dieses Kaisers erzählt, sondern zugleich auch die politischen Entwicklungen seiner Epoche darstellt. Hierzu zählt nicht zuletzt auch die Entstehung des ostgotischen Reiches unter Theoderich in Italien, das dann später von den Generälen Justinians I. vernichtet wurde.
Meier möchte mit seiner Darstellung sowohl ein allge‧mein interessiertes historisches Publikum ansprechen als auch Anregungen für die wissenschaftliche Forschung geben. Ganz unproblematisch ist eine solche Gratwanderung nicht, da eine zu ausführliche Analyse leicht den „normalen“ Leser überfordert und langweilen könnte, während andererseits für den Fachmann vieles doch bekannt ist und er an anderen Stellen eine intensivere Diskussion der Quellenproblematik vermisst.
Letzteres ist vor allem deshalb bedauerlich, weil Meier nicht selten neue Wege geht, die mitunter Widerspruch hervorrufen, aber in dem Buch nicht ausführlich thematisiert werden. Ob zudem das Byzantinische Reich, wie im Untertitel behauptet, tatsächlich unter Anastasios entstanden ist, wird man bezweifeln können. Im Text ist der Autor hier denn auch wesentlich zurückhaltender. Trotzdem lässt sich sagen, dass wir froh sein können, nun ein ausführliches und den neuesten Forschungsstand einbeziehendes Porträt dieses Kaisers zu haben.
Rezension: Lilie, Ralph-Johannes