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Aromen der Kindheit

Jonathan Bach

Aromen der Kindheit

dam0719bue16_3A9FD59EDAC74BD4A6E2D52776E688CE.jpgIn der Frage, wie das Leben in der ehemaligen DDR zu bewerten ist, stehen sich zwei Meinungen unversöhnlich gegenüber: Betonen die einen den von Repression und Spitzelei bestimmten SED-Unrechtsstaat, so sah bei einer Umfrage 2009 etwa die Hälfte der früheren DDR-Bürger „mehr Gutes als Schlechtes“ in dem gescheiterten Staat. Ins Feld geführt wird etwa der stärkere Zusammenhalt untereinander. Für eine abwägende Betrachtung zwischen diesen beiden Polen scheint es keinen Platz zu geben.

Klar ist: Das Ende der DDR brachte eine massive Verunsicherung der Menschen in allen Bereichen mit sich, vor allem in der Arbeitswelt, aber auch im Alltagsleben. In rasantem Tempo wurden DDR-Produkte, die von einem Tag auf den anderen entwertet schienen, durch westliche Waren ersetzt. Doch schon bald nach der ersten Kaufeuphorie entstand bei so manchem das Bedürfnis, sich mit Gegenständen des früheren Lebens zu umgeben, sich mit ihrer Hilfe zu erinnern. Inzwischen boomen Märkte und Verkaufsmessen für Ostprodukte; auch im Internet sind sie erhältlich. Schnell wird der Vorwurf der „Ostalgie“ erhoben.

Zu diesem Thema hat der New Yorker Globalhistoriker Jonathan Bach ein anspruchsvolles Buch verfasst. Ihm geht es nicht um eine oberflächliche Aufzählung der Produkte, die zu Ikonen der verschwundenen DDR wurden – so etwa das Waschmittel „Spee“, der „Bautzener Senf“ oder die Nusscreme „Nudossi“ –, sondern er untersucht die Funktionsweisen von nostalgischen Waren im Rahmen ihrer Kommerzialisierung. Bach rekonstruiert nicht die DDR-Vergangenheit anhand dieser Güter, sondern untersucht, welche Rolle Alltagsgegenstände wie Lebensmittel, Kleidungsstücke oder Spielzeug aus der ehemaligen DDR im heutigen wiedervereinigten Deutschland spielen.

In einem weiteren Kapitel blickt Bach auf die von Amateuren betriebenen Privatmuseen zum Alltag im Sozialismus, die vielfach als distanzlose Verharmlosung der DDR kritisiert wurden. Gegründet worden waren sie aus Protest gegen die Abwesenheit des DDR-Alltags in der deutschen Erinnerungskultur. Die privaten Museumsmacher sammelten das schnell Entsorgte und inszenierten die Objekte zu Erinnerungstableaus, in denen der Besucher die „Aromen seiner Kindheit“ wiederfinden soll. Bachs Überlegungen dazu, wie manche dieser Museen trotz ihrer Mängel dennoch eine subtile Konfrontation mit den Schattenseiten der DDR ermöglichen und zudem die offizielle deutsche Museumslandschaft verändert haben, lassen aufhorchen.

In folgenden Kapiteln befasst sich der Autor mit dem Streit um den „Palast der Republik“ bzw. um den Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin und beleuchtet schließlich den Umgang mit den Resten der Mauer. Schon durch die Perspektive „von außen“ wohltuend abwägend und nicht von vornherein urteilend, regt dieses Buch im besten Sinn zum Nachdenken an.

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Rezension: Dr. Heike Talkenberger

Jonathan Bach
Die Spuren der DDR
Von Ostprodukten bis zu den Resten der Berliner Mauer
Verlag Philipp Reclam jun., Ditzingen 2019, 271 Seiten, € 26,–

 

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