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Athen und Sparta: zwei Supermächte im Krieg

Wolfgang Will

Athen und Sparta: zwei Supermächte im Krieg

dam0120bue01.jpgDie vornehmste Aufgabe des Historikers in einer Zeit der Diversität und Individualisierung ist die Syntheseleistung, also zu verbinden und zusammenzufügen, was zusammengehört. Der „Peloponnesische Krieg“ des griechischen Historikers Thukydides ist so eine Leistung. Mehrere Kriegszüge und eine dazwischenliegende Friedenszeit hat der Autor zu einem einzigen Krieg in der Zeit zwischen 431 bis 404 v. Chr. verbunden. Die Auseinandersetzung erschien ihm wie ein Weltkrieg, der zwischen den beiden damaligen Supermächten Athen und Sparta stattfand und die gesamte griechische und große Teile der nicht-griechischen Welt einbezog.

Es war eine Zeit der Gegensätze; es gab zwar Zerstörung und Bürgerkrieg, Umsturz und Aufruhr, aber es gab ebenso neue Entwicklungen in Wirtschaft und Kultur, in Philosophie (Sokrates, Platon), Theater (Euripides, Aristophanes), Architektur und Wissenschaften. Thukydides nennt diese unruhige Zeit die „größte Bewegung“ (kinesis), aber in seinem Werk behandelt er nur die Politik und den Krieg. Ihm folgten ganz unbefangen viele moderne Untersuchungen zum Peloponnesischen Krieg.

Das Buch von Wolfgang Will ist deshalb ein Lichtblick, denn es unternimmt eine weitere Syntheseleistung, nämlich die Verbindung von Krieg, Wirtschaft und Kultur. Die schwierige Aufgabe, eine Geschichte des Peloponnesischen Kriegs zu schreiben, meistert der Althistoriker brillant und lesefreundlich.

So lesen wir von Sokrates, wie er dreimal am Krieg teilnahm und insbesondere sich am Delion, einem Heiligtum in Böotien, bewährt hat. Man liest ferner, wie Euripides mit seiner 415 v. Chr. aufgeführten Tragödie „Die Troerinnen“ ein politisches Ereignis deutete, nämlich die harte Behandlung der Insel Melos durch die siegreichen Athener: „Die ‚Troerinnen‘ waren die Vergangenheit, die ‚Melierinnen‘ die Gegenwart, die ‚Athenerinnen‘ die Zukunft“, so Will. Das bedeutet: Das einstige bittere Los der versklavten Troerinnen ebenso wie das der Melierinnen als Sklavinnen der Athener mahnt: Genau so könnte es den Athenerinnen ergehen, wenn der Krieg gegen Sparta verlorenginge. Das antike Theater war also eminent politisch, auch wenn hier die Mahnungen des Euripides verpufften.

Ob Komödie oder Tragödie, sie erregten beim breiten Publikum Furcht, Hoffnung oder Lachen, kommentierten das Geschehen und wählten dazu Stoffe aus den bekannten Geschichten der Vorzeit oder schufen ganz eigene irreale, scheinbar lustige Szenarien wie in der Komödie „Die Vögel“ von Aristophanes. Dieses Werk entstand, als die Athener nach dem Sizilien-Debakel und der spartanischen Besetzung von Dekeleia in Attika zwischen Hoffnung und Defätismus schwankten. Mit solchen Mitteln halfen sich die Athener, das grausame Kriegsgeschehen mit seinen Folgen zu verarbeiten.

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Die prägenden Figuren des Krieges – Perikles und Brasidas, Alkibiades und Lysander –, sie alle werden in ihren Handlungen und Plänen bei Will wieder lebendig. Das letzte Kapitel über das „neue Jahrhundert“ nach dem Krieg hat die demokratische Entwicklung Athens im Visier, und es hätte vielleicht auch die völkerrechtlichen Lehren aus diesem blutgetränkten Desaster wie die Verträge zum „Allgemeinen Frieden“ behandeln können. Denn der Krieg fand zwar vor 2500 Jahren statt, aber das Buch lässt ihn verblüffend aktuell erscheinen, weil das klassische Griechenland in manchen Punkten wie ein Abbild der heutigen Welt erscheint.

Die Lektüre dieses sehr empfehlenswerten Buches ist ein Gewinn nicht nur für Althistoriker und die Freunde der Antike, sondern für alle historisch und politisch Interessierten.

Rezension: Prof. Dr. Ernst Baltrusch

Wolfgang Will
Athen oder Sparta
Eine Geschichte des Peloponnesischen Krieges
Verlag C. H. Beck, München 2019, 352 Seiten, € 26,95

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