Aufklärung ist „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, so hatte Kant es eindringlich und werbewirksam formuliert. Dass Aufklärung nicht allein ein philosophisches Konzept, sondern eine neue Wissenskultur darstellte und als gelebte Praxis den Alltag durchdrang, die Universität ebenso prägte wie den Fürstenhof oder die Bürgergesellschaft, das zeigt Steffen Martus in eindrucksvoller Weise. Ob politische Konstellationen, intellektuelle Debatten oder Verwaltungsreformen, alles konnte vom Geist der Aufklärung durchdrungen sein, der in der Medienöffentlichkeit des 18. Jahrhunderts wirkungsvoll propagiert wurde. Zeitungen, Zeitschriften und Lesegesellschaften boten neue Formen der Verständigung. Martus charakterisiert zahlreiche Männer und auch die „weibliche“ Aufklärung, sucht wichtige Orte wie Hamburg oder Leipzig auf und schildert darüber hinaus, wie sich Vernunftreligion mit Empfindsamkeit und Leidenschaft vereinbaren ließ. Die Aufklärung war kein allein protestantisches Projekt, als das es oft dargestellt wird. Martus blickt auch auf die Katholiken und erläutert am Beispiel der Würzburger Residenz und ihres grandiosen, multiperspektivischen Deckengemäldes von Tiepolo deren politische Positionierung. Ein gut geschriebenes, anregendes Buch!
Rezension: Dr. Heike Talkenberger