Kapitelweise seziert Schacter die sieben schwerwiegendsten Fehlleistungen unseres Erinnerungsvermögens, die er durch geistreiche Analogien zu den sieben Todsünden des Katholizismus in Beziehung setzt. Gemessen an einem technischen Speichermedium, das bei Bedarf eine originalgetreue Reproduktion ausspuckt, erfüllt unser Biocomputer seine Dokumentationspflicht denkbar schlecht. Manchmal wird die Gedächtnisspur verwischt, und er ist anfällig für Manipulationen. Auch das „Einbrennen“ traumatischer Erinnerungen kann ein großes Problem sein.
Mit einer Fülle von Fallbeispielen, gewürzt mit Anekdoten, weist Schacter nach, dass die vermeintlichen Erzübel Nebeneffekte evolutionär gewachsener Mechanismen sind, die den Menschen seit Äonen unschätzbare Dienste leisten. Unser Gehirn würde in einem heillosen Daten-Chaos versinken, wenn es lange unbenutzte Informationen nicht nach und nach entrümpeln würde. Wer das nächste Mal über eine Schwäche seines Gedächtnisses stolpert, kann sich damit trösten, dass dahinter eine verborgene Stärke steckt.
Rolf Degen